Leitlinie Wasser in Behandlungseinheiten

Praxisnahe Hilfe im Normendschungel

pr
Die Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen Fachgesellschaften (AWMF) hat eine neue Leitlinie erarbeitet, die die hygienischen Anforderungen an das Wasser in zahnärztlichen Behandlungseinheiten in den Fokus nimmt. Das Besondere daran: Hier werden keine Handlungsempfehlungen für Therapieentscheidungen gegeben. Vielmehr liefert sie dem Anwender alltagstaugliche Interpretationen zu einer Vielzahl von Normen und Bestimmungen rund um das Thema „Wasser in der Zahnarztpraxis“.

Die neue Leitlinie, die die AWMF am 19.3.2015 veröffentlicht hat, hebt sich thematisch von anderen zahnmedizinischen Leitlinien ab, denn sie weist sowohl bezüglich der Thematik als auch bezüglich der Empfehlungen einige Besonderheiten auf.

Die ganz überwiegende Anzahl klinischer Leitlinien befasst sich mit konkreten medizinischen Handlungsalternativen im Rahmen der Diagnostik oder der Therapieentscheidung. Sie sollen Ärzten und Zahnärzten Hilfestellung zur Entscheidungsfindung inspezifischen Behandlungssituationen geben. Jedoch fassen sie weder zusammen, was vorher medizinischer Standard war, noch normieren sie selbst einen bestimmten medizinischen Standard. Damit sind sie nicht rechtlich verbindlich (so der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 15. April 2014, Az.: VI ZR 382/12).

Die nun von der AWMF verabschiedete Leitlinie zu hygienischen Anforderungen an das Wasser in zahnärztlichen Behandlungseinheiten stellt keine diagnostischen oder therapeutischen Vorgehensweisen in den Fokus. Vielmehr gibt sie Hinweise zu Struktur- und Prozessanforderungen für hygienisch einwandfreies Wasser, das in Zahnarztpraxen täglich für die Behandlung von Patienten eingesetzt wird.

Hierzu identifiziert sie Problembereiche, die sich aus der Konstruktion und Technik der Behandlungseinheiten ergeben und befasst sich mit Fragen, die sich aus Regelungen zur Wasserqualität und -installation, dem Trinkwasserrecht, dem Infektionsschutzrecht, Vorgaben der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektions- prävention (KRINKO) und DIN-Normen ergeben. Sie fasst damit die bestehenden, teils verpflichtenden, teils optionalen rechtlichen und technischen Vorgaben zusammen, um diese praxisnah zu bündeln.

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Neustart der Leitlinienberatung

Um zu verstehen, weshalb dieses eher rechtlich und technisch geprägte Thema für eine Leitlinie ausgewählt wurde, ist es hilfreich, die Genese dieser Leitlinie näher zu betrachten. Initiiert wurde die Leitlinie nicht von der Zahnärzteschaft, sondern von der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V. (DGKH). Die DGKH ist bereits seit Langem bestrebt, für Medizingeräte, die in stationären Einrichtungen zum Einsatz kommen, Empfehlungen für deren Betrieb in Form von Leitlinien zu erarbeiten.

Bereits formal waren Unterschiede zu den sonst üblichen Verfahren zur Leitlinienentwicklung festzustellen. Die DGKH bat auch Vertreter der Industrie mit ins Gremium und sah für diese auch ein Stimmrecht bei der Entscheidung über Handlungsempfehlungen vor. Zunächst nicht intensiv eingebunden waren Vertreter der zahnmedizinischen Fachgesellschaften und Organisationen.

Die Prüfung eines frühen Entwurfs der Leitlinie zeigte, dass dieser Entwurf Verantwortlichkeiten des Zahnarztes für die Einhaltung von Hygienemaßstäben definierte, die weit über die bestehenden rechtlichen Vorgaben hinausgingen. Gerade zu Medizinprodukten existiert aber schon jetzt ein mannigfaltiger Strauß an Vorgaben (MPG, MPBetreibV). Der Bereich Hygiene ist ebenfalls umfassend geregelt (IfSG, Hygieneverordnungen der Länder, Empfehlungen der KRINKO beim RKI, Vorgaben des BfARM, Vorgaben des Arbeitsschutzes).

Im technischen Bereich orientieren sich die Hersteller von Medizinprodukten zudem bereits an technischen Normen (DIN, Richtlinien des VDI). Die Verantwortlichkeiten zur Sicherung der Qualität des Trinkwassers sind dazu in der Trinkwasserverordnung geregelt.

Somit stellte sich die grundsätzliche Frage, ob neben den bestehenden vielfältigen Vorgaben überhaupt noch Platz für zusätzliche Empfehlungen ist, die einer obligaten Vorgabe ja nicht entgegenstehen dürfen. Auch kollidiert der allgemeine Empfehlungscharakter medizinischer Leitlinien, von denen im individuellen Patientenfall auch begründet abgewichen werden kann oder muss, mit einer Reflexion bestehender verbindlicher Rechtsvorgaben.

Die AWMF entschied sich deshalb dafür, zahnärztlichen Sachverstand stärker in das Projekt einzubinden und die Vertreter der Dentalindustrie nur beratend ohne Stimmrecht zu beteiligen, wie dies bei allgemeinmedizinischen Leitlinien mit Vertretern der Pharmaindustrie üblich ist. Es kam zu einem Neustart des Projekts unter gleichberechtigter federführender Einbindung der DGZMK und der DGKH. In weiteren Beratungen wurde schnell klar, dass eine Leitlinie zu dem Themenkreis „Wasser in der Zahnarztpraxis“, und besonders in Dentaleinheiten, keine verpflichtenden gesetzlichen Normen ersetzen oder ablösen kann.

Aber die geschilderte Vielzahl der verstreuten und zum Teil unübersichtlichen Regelungen prädestiniert diese Leitlinie gerade dazu, eine praxisnahe Interpretation und Handlungsempfehlung für den Anwender in der Praxis zu erarbeiten, die die oftmals abstrakten Vorgaben mit Leben erfüllt. Welcher Zahnarzt ist schon Spezialist für das Trinkwasserrecht?

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Bedeutung für die zahnärztliche Praxis

Die Leitlinie thematisiert die Anforderungen an die Wasserqualität bei zahnärztlichen Behandlungen in Bezug auf die Art des Eingriffs und die individuellen Besonderheiten des Patienten (ohne/mit erhöhtes/m Infektionsrisiko). Sie beschreibt die verpflichtenden Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Wasserqualität und deren praktische Umsetzung. Zusätzlich gibt sie Hinweise für zusätzliche Tests und Verfahren bei Sonderfällen.

Auch erhält der Anwender Hinweise für die Installation einer neuen Dentaleinheit und deren täglichen Betrieb. Hilfreich ist, dass die Leitlinie mittels Schaubildern die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten für die Sicherung der Wasserqualität zwischen Wasserversorgern, Trinkwasseranlageninhabern und Betreibern der Dentaleinheiten darstellt.

Dazu hält sie Hinweise bereit, was beim Kauf einer neuen, aber auch bei einer gebrauchten Dentaleinheit zu beachten ist. So sollten sich Zahnärzte bei einer Neuinstallation oder bei einer Installationsänderung einer Behandlungseinheit die Möglichkeit der Einhaltung der Vorgaben der VDI/DVGW-Richtlinie 6023 „Hygiene in Trinkwasser- Installationen – Anforderungen an Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung“ vertraglich zusichern lassen.

Abgerundet wird das Dokument im Anhang durch eine Einführung in die aquatische Mikrobiologie, eine Übersicht der rechtlichen Vorgaben, Empfehlungen für die Hersteller von Dentaleinheiten und eine Auflistung und Beschreibung der gängigen Desinfektionsverfahren.

Dr. Jörg Beck, MHALeiter KZBV-Abteilung „Qualitätsinstitut, Leitlinien“

RA Christian NobmannLeiter KZBV-Abteilung „Koordination Gemeinsamer Bundesausschuss“

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