Editorial

IGeL-Monitor – eine pseudowissenschaftliche Verunglimpfung

Den IGeL-Monitor* des medizinischen Dienstes des GKV-Spitzenverbands (MDS) gibt es nun seit fünf Jahren – Tusch, Konfettiregen und ein Gläschen Sekt. In dieser Zeit wurden 41 Individuelle Gesundheitsleistungen, kurz IGeL, „wissenschaftlich“ bewertet. Doch sind sie deshalb auch richtig?

Zurück zur diesjährigen Jahrespressekonferenz des MDS. Kein einziger IGeL erreichte bis dato die beste von fünf Bewertungsstufen, die mit dem simplen Wort „positiv“ beschrieben wird. Lediglich drei IGeL schafften die zweitbeste Stufe „tendenziell positiv“.

Im Schlamm der 15 als „unklar“ klassifizierten IGeL suhlen sich für die deutsche Schulmedizin so typische Angebote wie „Bachblütentherapie“ oder „Kunsttherapie“. Ja, und auch die „professionelle Zahnreinigung“.

Sollten Sie sich jemals gefragt haben, was Bachblüten zu einer therapeutischen Maßnahme machen, vertrauen Sie der wissenschaftlichen Bewertung des MDS. Und die lautet für die Gruppe „unklar“ so: „Schaden und Nutzen gleichen sich in etwa aus, oder aber es liegen keine Bewertungsunterlagen vor“. Um im Bilde zu bleiben hat die Zahnmedizin mit dieser Bewertung echt Schwein gehabt. Was mir aber immer noch nicht so recht in den Kopf will: Warum machen über 50 Prozent der Krankenkassen bei der PZR mit und nutzen diese zur „Kundenbindung“?

Weil beim Marketing alles erlaubt ist, solange es auf die Konsumentenvorstellung einzahlt? Ist schon klar, erst kommt das Fressen, dann die Moral, aber wieso verhalten sich IGeL-Krankenkassen „sauberer“ als Ärzte, die ihren Patienten IGeL anbieten?

Weitere vier IGeL werden als „negativ“, 17 IGeL als „tendenziell negativ“ abgekanzelt, darunter aktuell der „Lungenfunktionstest mittels Spirometrie bei Erwachsenen ohne Symptome“ zur COPD-Früherkennung. Begründung: Schäden aufgrund einer falsch positiven Diagnose samt eventuell folgender Therapie, als Overtreatment zu werten, seien zu befürchten. Ah ja. Klinisch funktioniert es jedoch anders: Gibt es ein stärkeres Argument einen Raucher zu überzeugen, mit den Glimmstengeln zu brechen, als dass seine Sucht zwar unbemerkte, aber bereits körperliche Folgen zeitigt? Und zwar bevor sich das Vollbild einer COPD manifestiert?

Dass auch IGeL-Angebote einer klinischen Bewertung unterzogen werden müssen, steht aus meiner Sicht außer Zweifel. Schließlich liegt dies auch im wohlverstandenen Interesse der Anbieter. Die entscheidende Frage lautet jedoch: Was sind die Bewertungskriterien? Wenn die Elle der „Evidenzbasierten Medizin“ gilt, kann es für IGeL-Angebote keine positiven Bewertungen geben. Denn ansonsten gehörten diese in den Leistungskatalog und wären keine IGeL mehr. Das heißt: Jeder Versuch, IGeL nach dem Regelwerk für klinische Studien des IQWiG zu bewerten, kann per definitionem kein positives Ergebnis nach sich ziehen.

Interessant ist daher die Begründung aus der Spirometrie-Pressemeldung der Abteilung „Evidenzbasierte Medizin“ des MDS: „Entsprechend unserer Methodik haben wir eine systematische Recherche nach systematischen Übersichtsarbeiten und randomisierten kontrollierten Studien durchgeführt, um herauszufinden, ob diese Untersuchung den Patienten zur Früherkennung nützt und ob Sie möglicherweise schaden könnte. Durch die Recherche wurden zwei methodisch hochwertige systematische Übersichtsarbeiten identifiziert. (...) In keiner der beiden Übersichtsarbeiten konnten für die Fragestellung relevante randomisierte kontrollierte Studien gefunden werden und auch wir konnten keine solchen Studien finden. Die Autoren der beiden Übersichtsarbeiten raten trotz fehlender empirischer Daten von einem Lungenscreening ab.“

Noch Fragen, warum die Bewertungen sind, wie sie sind? Mit klinischer Expertise und Verhaltensmedizin hat das alles nichts mehr tun. Eher mit dem systematischen Aushöhlen zahnärztlicher und ärztlicher Kompetenz. Einmal um die Ecke gedacht: Bei den Krankenkassen angestellte Ärzte igeln nicht. Also wären sie vertrauenswürdig(er) als … Womit wir in der Tat bei der wahren Bedrohung durch diese Art von IGeL-Bewertungen sind.

ri

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