Volker Looman über Wertpapiere statt Zinshäuser

Bewahren Sie Ihre Contenance?

Volker Looman
In den vergangenen Wochen haben Volker Looman einige Damen um Rat gebeten, was sie mit ihren alten, nein, nicht Männern, sondern Häusern machen sollen. Hier also seine paar Tipps an die Hausbesitzerwitwen.

In den vergangenen Wochen haben mich einige Damen um Rat gebeten, was sie mit ihren alten, nein, nicht Männern, sondern Häusern machen sollen. Es handelte sich um Frauen, alle um 55 Jahre, sogenannte Hausbesitzerwitwen, die ihre Ehemänner verloren haben und im Besitz respektabler Zinshäuser sind. Die vermieteten Häuser sind in die Jahre gekommen, doch die Besitzerinnen sind noch gut in Schuss, wenn ich das als Mann so sagen darf. Trotzdem sind die Damen des Vermietens müde und haben keine Lust mehr, sich mit säumigen Mietern und tropfenden Wasserhähnen herumzuschlagen. Sie wollen frei sein und ihr Leben genießen. Folglich ist es kein Wunder, dass sich diese Hausbesitzerwitwen überlegen, die Objekte zu verkaufen und die Erlöse „irgendwie“ zu verleben. 

Was meinen Sie dazu? Würden Sie die Zähne zusammenbeißen und weitermachen? Oder würden Sie verkaufen und das Geld in Anleihen und Aktien anlegen?

Ich will Ihnen das Problem am lebenden Objekt schildern. Die Hausbesitzerwitwe ist 55 Jahre jung und guter Hoffnung, noch 35 Jahre zu leben. Kurzum: Sie will 90 Jahre alt werden. Das Zinshaus des Verblichenen ist 30 Jahre alt und wirft eine Jahresmiete von 60.000 Euro ab. Davon müssen rund 10.000 Euro in die Instandhaltung gesteckt werden. Außerdem hält der Fiskus die Hand auf. Er fordert etwa 8.000 Euro pro Jahr, so dass der Anlegerin monatlich 3.500 Euro bleiben. Das sieht zwar auf den ersten Blick nicht ganz schlecht aus, wie es im Schwäbischen heißt. Trotzdem hat der Ertrag (s)einen Preis. Die Frau muss sich mit acht Mietern herumschlagen, das Haus wird nicht jünger, und die Witwe hat trotz der ordentlichen Rente das Gefühl, finanziell nicht frei zu sein.

Bevor wir über Alternativen reden, müssen wir uns noch etwas intensiver mit dem Haus beschäftigen. Vor allem ist eine grobe Schätzung der Rendite des Hauses nötig. Das Objekt könnte heute für 25 Jahresmieten verkauft werden. Das sind 1.500.000 Euro. Das Haus ist schuldenfrei, so dass die anderthalb Millionen ohne Abstriche zur Verfügung stehen. Die Anlegerin hat die Hoffnung, die jährlichen Erträge in den nächsten 35 Jahren im Schnitt um 1 Prozent pro Jahr steigern zu können. Im Gegenzug rechnet sie damit, dass der Wert des Hauses wegen der Abnutzung im Laufe der Zeit auf eine Million Euro sinken wird. Diese drei Annahmen führen unter dem Strich zu einer jährlichen Rendite von 2,1 Prozent nach Steuern. Sie ist die Vorgabe für das Wertpapierdepot. Die 2,1 Prozent müssen um die Abgeltungssteuer von 26,375 Prozent erhöht werden, so dass vor Steuern eine Rendite von rund 3 Prozent pro Jahr notwendig ist. Das könnte mit einem Depot, das jeweils zur Hälfte aus Anleihen und Aktien besteht, durchaus klappen. Oder wie sehen Sie das?

Die Anleihen mit ihren 750.000 Euro werden keinen Ertrag abwerfen, wenn sich an der aktuellen Zinssituation nichts ändert. Folglich müssen diese Papiere im Laufe der Zeit „verfuttert“ werden. Das führt zu einer Monatsrate von 1.500 Euro, die jedes Jahr um 1 Prozent ansteigt. Die Aktien haben einen Anfangswert von ebenfalls 750.000 Euro. Sie sollten in den nächsten 35 Jahren monatlich 2.000 Euro abwerfen, die jährlich um 1 Prozent steigen. Und nun kommt die Frage aller Fragen: Darf dieses Kapital verbraucht werden? Oder muss wie bei der Immobilie am Ende des Lebens noch eine Million auf dem Konto stehen? Im ersten Fall muss die Rendite mindestens 2,2 Prozent betragen, und im zweiten Fall sind wenigstens 5,6 Prozent nötig, jeweils pro Jahr und nach Kosten!

Ich gehe mal davon aus, dass Sie den Erhalt des Kapitals wünschen. Dann dürfen Sie jetzt grübeln oder würfeln, ob sich ein Aktiendepot mit 2.000 bis 3.000 Titeln bis 2053 mit jährlich 5 bis 6 Prozent rentieren wird. Die Frage kann Ihnen natürlich kein Mensch beantworten, doch ich bin der Meinung, dass die Chancen gar nicht so schlecht stehen, vorausgesetzt das Sie mit dem Geld einen großen Bogen um gierige Verwalter machen. Viel wichtiger ist in meinen Augen die Frage, wie labil oder stabil Sie sind, wenn Sie mit dem Tausch eines Zinshauses in ein Wertpapierdepot liebäugeln, das zur Hälfte aus Aktien besteht. Das Depot wird nicht jedes Jahr „gleichmäßig“ um 5 bis 6 Prozent wachsen. Es wird mal um 10 Prozent steigen, es wird Jahre geben, in denen es um 15 oder 20 Prozent fällt, und es wird Abschnitte geben, in denen es mit 2 oder 3 Prozent vor sich hin dümpelt. Wie werden Sie diese Berg- und Talfahrt verkraften? Werden Sie übermütig, falls die Kurse in die Höhe schießen, greifen Sie zu Likör, wenn die Preise in den Keller sacken? Oder stehen Sie über den Dingen, so nach dem Motto: Eine Dame aus gutem Hause bewahrt stets ihre Contenance?

Bestimmt merken Sie, werte Hausbesitzerinnen, dass anderthalb Millionen nicht die große Freiheit bieten. Hier hängen Sie von Mietern ab, dort hängen Sie am Tropf der Börse. Folglich müssen Sie sich entscheiden, welche „Freiheit“ für Sie attraktiver ist. Ist das die „sichere“ Immobilie mit ihren Mietern? Oder sind das „schwankende“ Wertpapiere ohne Gesicht? Ich finde das zweite Modell attraktiver, weil es mehr Freiheit bietet. Dafür würde ich sogar in Kauf nehmen, dass in 35 Jahren auf meinem Grabstein stehen wird: Hier ruht Volker Looman, vormals Hausbesitzerwitwer, zuletzt Börsenspekulant!

Kolumnen entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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