Gebührenordnung

Lauterbach dämpft Erwartungen bei GOÄ-Reform

Die Reform der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ist ein ebenso langwieriges wie leidvolles Thema. Für Verärgerung bei der Ärzteschaft haben kürzlich Äußerungen von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) in einem Interview gesorgt, der darin einer zeitnahen Umsetzung der Novelle eine Absage erteilte.

Die GOÄ-Reform ist eines der Mammutprojekte der Bundesärztekammer. Pandemiebedingt etwas in den Hintergrund gerückt, aber natürlich nicht verschwunden. Die bisher gültige GOÄ stammt im Wesentlichen aus dem Jahr 1982 und wurde 1996 lediglich teilnovelliert. Daher beklagt die Ärzteschaft, dass in der aktuellen GOÄ weder die Dynamik des ärztlichen Leistungsspektrums noch die aktuelle Kosten- und Preisentwicklung abgebildet ist. In langwieriger Kleinarbeit hat die BÄK in den vergangenen Jahren unter Einbeziehung von 165 ärztlichen Berufsverbänden und wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften mit dem PKV-Verband und der Beihilfe einen in wesentlichen Teilbereichen abgestimmten Entwurf einer neuen GOÄ erarbeitet.

Lauterbach: „Halte mich an den Koalitionsvertrag“

Kurz vor dem 126. Deutschen Ärztetag in Bremen ließ Lauterbach nun aber durchblicken, dass er keine größeren Ambitionen verspürt, einen konsentierten GOÄ-Entwurf in dieser Legislaturperiode anzufassen. In einem Interview im „Deutschen Ärzteblatt“ sagte Lauterbach: „Wenn ein Vorschlag zur GOÄ kommt, dann werden wir uns diesen in jedem Fall anschauen. Das ist ja klar. Trotzdem muss ich die Erwartungen etwas dämpfen.“ Als Begründung führte er an, dass man in dieser Legislaturperiode nichts machen werde, „was das Verhältnis von PKV zur Gesetzlichen Krankenversicherung, also zur GKV, verschiebt. So haben wir es im Koalitionsvertrag beschlossen. Daran halte ich mich.“ Es sei kaum möglich, eine GOÄ-Reform vorzunehmen, die dieses Verhältnis nicht berühren würde, so Lauterbach weiter.

Reinhardt: Mehr Geld nicht im Vordergrund

In einem gemeinsamen Schreiben haben sich die BÄK, der PKV-Verband und der Deutsche Beamtenbund in der Folge an Lauterbach gewandt. Darin haben sie noch einmal die Dringlichkeit einer GOÄ-Reform verdeutlicht. Auf einer Pressekonferenz am 10. Mai im Vorfeld des Deutschen Ärztetages trat BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt dann gemäßigt auf und erklärte, dass er vorerst nicht zu einem Protestmarsch aufrufen werde. Dies sei eine Maximal-Eskalation. „Wir sind erst ganz am Anfang der Diskussion. Ich glaube, dass der Deutsche Ärztetag sich so positionieren wird, dass der Minister weiß, was wir meinen“, sagte Reinhardt und verwies auf die schwierigen Zeiten, in denen man sich befinde. Er betonte zugleich, dass die Ärztinnen und Ärzte die neue GOÄ nicht einforderten, weil sie der Auffassung seien, dass sie mehr Geld verdienen müssten. Vielmehr sei eine Modernisierung der veralteten Gebührenordnung nötig, weil sie viele Leistungen nicht mehr abbilde, so der BÄK-Präsident. Ob sich Lauterbach von den Argumenten der Ärzteschaft überzeugen lässt, wird sich auf dem Deutschen Ärztetag zeigen, der nach Redaktionsschluss vom 24. bis zum 27. Mai in Bremen stattfand.

Was die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) mit Blick auf die Reform der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) zu den Äußerungen Lauterbachs sagt, lesen Sie im Interview mit BZÄK-Vizepräsidentin Dr. Romy Ermler auf S. 13. 

Umsetzung der PAR-Richtlinie

BMG bestätigt BZÄK-Position zur analogen Berechnung in der GOZ

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat die Position der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) zur analogen Berechnung der Parodontitistherapie in der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) bestätigt. Die BZÄK begrüßte die Klarstellung.

Der Bundestagsabgeordnete Stephan Pilsinger (CSU) hatte in einer Fragestunde des Bundestages beim BMG kritisch nachgefragt, warum die GOZ nicht an die Entwicklung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (BEMA) angepasst wird. In der Antwort bestätigt das BMG unter Verweis auf das Positionspapier der BZÄK klar deren Auffassung zur analogen Berechnung.

BZÄK-Vizepräsidentin Dr. Romy Ermler begrüßte die Klarstellung (Interview S. 13). Laut BZÄK werde damit ein wertvolles Argument für die Auseinandersetzung mit Kostenerstattern und Patienten geliefert. So lasse sich sich eine wissenschaftlich fundierte Parodontitistherapie auch in der GOZ abbilden.

Vor rund einem Jahr hatten sich die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und der GKV-Spitzenverband auf der Grundlage der wissenschaftlichen Erkenntnisse der S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DG PARO) auf die Bewertung der neuen Leistungen bei der systematischen Behandlung von Parodontitis (PAR-Richtlinie) im BEMA geeinigt. Die neue Richtlinie trat dann am 1. Juli 2021 in Kraft.

In der Folge hatte der Ausschuss Gebührenrecht der BZÄK besagtes Positionspapier erarbeitet, weil zahlreiche aus der S3-Leitlinie heraus entwickelte Leistungen in der Anlage 1 der GOZ nicht beschrieben sind und aus Sicht der BZÄK hinsichtlich dieser Leistungen eine analoge Berechnung auf Grundlage § 6 Abs. 1 GOZ erforderlich ist. Der PKV-Verband stellte dies bisher mit dem Argument in Abrede, alle PAR-Leistungen seien im Gebührenverzeichnis der GOZ abgebildet. 

Statement von Stephan Pilsinger

Der Bundestagsabgeordnete Stephan Pilsinger (CSU), Mitglied des Gesundheitsausschusses, erklärt zu den Gründen seiner Anfrage im Bundestag Folgendes:

„Eine moderne Zahnheilkunde, wie wir sie in Deutschland dank unserer engagierten Zahnärzte, Zahntechniker und der Bundeszahnärztekammer glücklicherweise haben, braucht auch ein modernes Abrechnungssystem. Die im Wesentlichen aus dem Jahr 1988 (!) stammende, 2012 lediglich in Teilen novellierte Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) verdient das Attribut ‚modern‘ leider nicht mehr. So haben nicht wenige technisch innovative Behandlungen der Zahnheilkunde, zum Beispiel moderne Paradontaltherapien, keine adäquaten Gebührennummern in der GOZ. In der Folge müssen die behandelnden Zahnärzte improvisieren und in der selbst völlig veralteten Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) aus dem Jahr 1982 (!) nachschlagen, ob sich dort eine annähernd analoge Gebührennummer findet, über die man dann abrechnen kann. Dazu kommen die seit 1988 stark gestiegenen Lebenshaltungskosten. Wenn man sieht, dass die Durchschnittskosten seit 1988 bis 2020 um durchschnittlich 65 Prozent gestiegen sind, die Preise für Nahrungsmittel im genannten Zeitraum um 50,6 Prozent, für Strom um 117 Prozent und für Kraftstoff um fast 120 Prozent, wird klar, dass der seit 1988 unverändert geltende Punktwert in der GOZ von 11 Pfennig, also umgerechnet 5,62 Cent, heute keinen Pfennig mehr wert ist. Entsprechend haben sich seit 1988 die Praxis- und Personalkosten entwickelt.

Bundesminister Lauterbach wehrt sich nach wie vor aus rein ideologischen Gründen vehement dagegen, die GOÄ und die GOZ zu überarbeiten. Dies ist nicht nur gegenüber den behandelnden Zahnärzten untragbar, sondern schlussendlich auch mit Blick auf die Patienten, die allein wegen dieser bürokratischen Probleme vielleicht doch nicht die neueste Behandlung bekommen können, die technisch machbar ist. Das ist gesundheitspolitisch unverantwortlich. Der Bundesgesundheitsminister ist aufgerufen, sich nun endlich mit der Bundeszahnärztekammer und anderen Akteuren zusammenzusetzen und eine GOZ auszuarbeiten, die fair und dynamisch an Inflation und Preisentwicklung orientiert ist. Damit auch der zahnärztliche Nachwuchs in Zukunft den Mut hat, sich in einer eigenen Praxis niederzulassen, Arbeitsplätze zu schaffen, das Team entsprechend zu entlohnen, die Patienten zahnheiltechnisch bestmöglich zu versorgen und um Investitionskosten noch innerhalb der Lebensarbeitszeit abzuzahlen.“

Interview mit BZÄK-Vizepräsidentin Dr. Romy Ermler

„Lauterbach schiebt eine GOZ-Reform in weite Ferne“

Interview mit der Vizepräsidentin der Bundeszahnärztekammer, Dr. Romy Ermler, zum Sachstand beim Dauerthema GOZ-Reform nach den Äußerungen von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat kürzlich in einem Interview gesagt, dass er in dieser Legislaturperiode nichts machen würde, „was das Verhältnis von PKV zur GKV verschiebt“. Übersetzt heißt das, er wird eine Reform der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) in den nächsten drei Jahren nur mit spitzen Fingern anfassen. Damit rückt auch eine Reform der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) in die Zukunft. Was sagen Sie zu dieser Äußerung?

Dr. Romy Ermler: Die Aussage, die Novelle der GOÄ jetzt nicht anpacken zu wollen, obwohl sie offenbar fast fertig ist, haben wir bei der Bundeszahnärztekammer kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen. In der Vergangenheit hat sich das BMG auf Nachfragen zur GOZ regelmäßig darauf zurückgezogen, dass es zunächst die Novelle der GOÄ in Angriff nehmen und erst in der Folge den Novellierungs- oder Anpassungsbedarf der GOZ prüfen wolle. Diese merkwürdige Prioritätensetzung im BMG ist besonders verwunderlich, weil ja PKV, Beihilfe und Ärzteschaft einen gemeinsam getragenen Entwurf vorgelegt haben, der das BMG von dem sonst notwendigen Interessenausgleich quasi entbindet. Ein zügiges und geräuscharmes Verordnungsverfahren wäre also garantiert. So schiebt Lauterbach die Reformen der GOÄ und der GOZ in weite Ferne.

Warum glauben Sie, dass Lauterbach die GOÄ-Reform nicht anfassen will?

Lauterbach war bekanntermaßen immer ein Anhänger einer Bürgerversicherung. Daher hat er natürlich kein großes Interesse daran, das gut funktionierende duale System aus GKV und PKV zukunftsfähig aufzustellen. So kann er immer sagen: Seht her, das funktioniert ja nur mäßig. Dabei ließen sich die Gebührenordnungen natürlich reformieren und zukunftssicher machen.

Wie will die BZÄK nach diesen ernüchternden Aussagen jetzt vorgehen?

Die BZÄK treibt zwar aktuell eine Novelle auf der Grundlage eines gemeinsamen Vorschlags weiter voran. Die Gespräche mit der PKV laufen auch bereits. Aber klar ist, dass so keine zeitnahe Lösung des GOZ-Problems möglich sein wird. Wir werden daher nach dem Motto verfahren: „Wenn uns die Politik nicht hilft, müssen wir uns selbst helfen!“

Was heißt das genau?

Wir werden parallel Handlungsoptionen entwickeln, mit denen Zahnärztinnen und Zahnärzte befähigt werden, die noch nicht voll ausgenutzten Möglichkeiten der GOZ auszuschöpfen. Dazu gehört ein Werkzeugkasten GOZ ebenso wie Handreichungen, Stellungnahmen und nicht zuletzt Berechnungsempfehlungen. Damit schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: Die Zahnärztinnen und Zahnärzte erschließen so Honorarreserven und zugleich erzeugt die kreative Arbeit mit der GOZ politischen Handlungsdruck, weil damit die – fachlichen wie betriebswirtschaftlichen – Defizite der aktuellen GOZ in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt werden.

Passt in dieses Bild auch, dass das BMG kürzlich auf die Frage nach Abrechenbarkeit der Parodontitis-Richtlinie in der GOZ geantwortet hat, dass eine Anpassung der GOZ für die Sicherstellung einer leitliniengerechten Versorgung nicht erforderlich sei, „da nicht im Gebührenverzeichnis der GOZ enthaltene Leistungen über den Weg der Analogabrechnung in Rechnung gestellt werden können”?

Ja, ganz genau. Einerseits ist das eine sehr positive Meldung, da das BMG mit der Antwort die von der BZÄK vorgenommene Übersetzung der PAR-Leitlinie in die GOZ quasi offiziell absegnet. Damit lässt sich eine wissenschaftlich fundierte Parodontitistherapie auch in der GOZ abbilden. Andererseits hat das BMG auch gesagt, dass eine ständige Anpassung der GOZ an den BEMA nicht zwingend erforderlich und mit Blick „auf den komplexen und langwierigen Novellierungsprozess der GOZ für einzelne Leistungen beziehungsweise Leistungskomplexe auch nicht sinnvoll“ sei. Oder anders ausgedrückt, eine GOZ-Reform macht dem BMG Arbeit. Solch eine Aussage ist ausgesprochen ärgerlich und respektlos gegenüber den Zahnärztinnen und Zahnärzten.

Das Gespräch führte Sascha Rudat.

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