MedWatch

Kritik an YouTubes „Health-Label“

Heftarchiv Gesellschaft
mg
Gut einen Monat nach der Einführung gibt es Kritik an dem neuen „Health-Label“ von YouTube. Denn bei der Verifizierung der Gesundheitsinformationen soll es Schwachstellen geben.

Während der COVID-Pandemie gab es viel Kritik an Sozialen Medien, die stark zur Verbreitung von ungenauen oder falschen Gesundheitsinformationen beitrugen. Im Fall von YouTube hat der Mutterkonzern Google reagiert – nicht schnell, aber immerhin. Am 28. Februar 2023 präsentierte man die neuen Funktionen „Health-Label“ und „Health-Shelf“. Das Label ist ein hellblauer Kasten direkt unter einem Video. Dieser liefert den Hinweis, dass es sich bei den BetreiberInnen des Kanals um ausgebildetes Gesundheitspersonal handelt. Die so markierten Videos erscheinen bei der Suche nach Gesundheitsthemen hervorgehoben in einer Sammlung, die YouTube „Health-Shelf“, also „Gesundheitsregal“ nennt.

Einem Bericht des Rechercheportals MedWatch zufolge hapert es womöglich aber an der Verifizierung der Inhalte. Denn um das Label von YouTube Health zu erhalten müssen die Verbreiter von Videos vor allem formale Kriterien erfüllen. Etwa, dass sie mehr als 2000 Stunden Videos in den vergangenen zwölf Monaten hochgeladen haben. Ansonsten gilt: Universitätskliniken und Krankenhäuser qualifizieren sich automatisch, ÄrztInnen und PsychologInnen müssen sich bewerben und eine Approbation nachweisen und andere müssen sich bewerben und eine approbierte Person angeben, die Inhalte des Kanals kontrolliert hat.

Sind Informationen und Werbung ausreichend getrennt?

Darüber hinaus müssen alle Kanäle Richtlinien erfüllen, die vom Council of Medical Specialty Societies der Weltgesundheitsorganisation und der National Academy of Medicine entwickelt wurden, heißt es „Sie besagen zum Beispiel, dass die PartnerInnen von YouTube Health evidenzbasierte Informationen vermitteln und auf qualitativ hochwertige wissenschaftliche Publikationen verweisen sollen“, schreibt MedWatch. Und „die Richtlinien verlangen zudem, Gesundheitsinformationen von kommerziellen Inhalten zu trennen. Soweit die Theorie.“

Dann führen die Journalisten am Beispiel des Ehepaars Petra Bracht und Roland Liebscher-Bracht (sie Ärztin, er Maschinenbauer) aus, wie es um die Einhaltung des Regelwerks bei einem der erfolgreichsten deutschen Videokanäle mit gesundheitsbezogenen Themen und mehr als 1,8 Millionen Abonnenten bestellt ist. Nur soviel: Es mangelt an Evidenz, dafür gibt es reichlich Werbung.

Geheimtipp: Gegen Bruxismus und CMD hilft altes Brot kauen

Das Rechercheergebnis der Journalisten lässt sich auch in dem vermeintlich zahnmedizinischen Video „Dein KIEFER – Hast du DAS gewusst? ⚠️ (CMD, Knacksen, Bruxismus, Tinnitus, Kieferschmerzen)“ nachvollziehen. Roland Liebscher-Bracht erklärt in dem mehr als 988.000 mal aufgerufenen Video, dass die Ursache von Bruxismus und Craniomandibulärer Dysfunktionen schlicht zu weiche Nahrung und eine zu geringe Mundöffnung beim Essen ist. Sein Tipp: Einfach regelmäßig in einen übergroßen Apfel beißen oder öfter altes Brot kauen.

Medizinische Evidenz für die gemachten Aussagen liefern zwei Studien: Eine Befragung von Arthritis-PatientInnen zu alternativen Bewegungstherapien wie Yoga oder Feldenkrais – und eine Auswertung von elf Einzelstudien, die sich damit beschäftigen, ob Stretching die Muskelbeweglichkeit verbessern kann. Ungleich mehr Raum nehmen die Links zu acht Produkten, neun Büchern sowie zahlreiche weiteren Kanäle des Paares ein, darunter Telegram, Facebook, TikTok, Instagram und Pinterest. Wie es dort mit der Verifizierung von Gesundheitsbotschaften aussieht, muss eine weitere Recherche klären.

MedWatch liefert abschließend einen ersten Hinweis, dass die Kennzeichnung von vertrauenswürdigen Gesundheitsquellen ohnehin wenig bringt. So zeige eine Studie aus den USA: Beim Thema Schlaf(losigkeit) werden Videos von verifizierten Gesundheitskanälen signifikant weniger aufgerufen als solche von nicht-verifizierten Kanälen.

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