Interview mit Praxisberater Christian Henrici

„Die jungen Menschen wollen erst gar nicht in das Hamsterrad!“

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Mit der Generation Z kommt ein neuer Schlag ArbeitnehmerInnen in die Praxen. Sie ticken anders, regeln ihr Leben mit dem Smartphone und haben ihren eigenen Kopf, wenn es um Arbeit geht. Welche Vorstellungen und Ansprüche sie an ihre ArbeitgeberInnen haben und wie man sie erfolgreich bindet, erklärt Praxisberater Christian Henrici.

Die Gen Z kommt

Für die Generation Z, kurz Gen Z, stehen der Sinn ihrer Arbeit, die Selbstentwicklung und das Erreichen von Zielen an erster Stelle. Das geht aus der Trendstudie „Jugend in Deutschland – Winter 2022/23“ hervor. Die Gen Z sind junge Menschen, die zwischen 1995 und 2012 geboren sind und nun in den Arbeitsmarkt strömen. Sie sind die ersten, die komplett mit den digitalen Medien aufgewachsen und von ihnen maßgeblich geprägt sind. Sie haben ihren Fokus noch stärker auf die Work-Life-Balance gelegt, mit flexiblen Arbeitszeiten und Zeit für Hobbys, Freunde und Familie. Raum für Verwirklichung ihrer Ideen sei ihnen wichtiger, Verlustängste haben sie kaum, heißt es im Fazit der Studie. Für Arbeitgeber gilt: Sie müssen sich auf die neue Generation einstellen, sie abholen und an sich binden.

Herr Henrici, Sie haben sich intensiv mit der Generation Z in den Zahnarztpraxen beschäftigt. Welche Wünsche, Vorstellungen und Werte haben diese Mitarbeitenden in Bezug auf ihre Arbeit und ihren Arbeitsplatz?

Christian Henrici: Aktuelle Umfragen zeigen, dass vor allem Spaß an der Arbeit, das Spüren ihrer Sinnhaftigkeit und Lob und Anerkennung für gute Leistung ganz wichtige Aspekte für die Jungen sind. Anders als bei den Generationen davor hat für sie nicht mehr eine gute Vergütung Priorität. Ganz zentral ist auch der Wunsch nach guten Weiterbildungsmöglichkeiten, also kontinuierlichen Optionen zur Entwicklung.

Danach sollte die Chance kommen, das Erlernte im Alltag zu verproben, sprich, die Anwendung der neuen Skills. Eine Art Selbsterfahrung mit dem Augenmerk auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten, weniger auf die monetäre Sache. Ein Job, der ihr Streben nach Selbstverwirklichung unterstützt und sie nicht aufhält, ist für sie ein guter. Auch legen junge Berufseinsteiger Wert auf eine Unternehmenskultur, die offen für frische Ideen und neue Konzepte ist. All diese Aspekte hängen natürlich irgendwo miteinander zusammen. Das bringt durchaus Herausforderungen mit sich: Kommunikation und Führungsstile müssen angepasst werden, die Praxen sollten hier an den Zeitgeist andocken. Man muss sich dabei klarmachen, dass die junge Generation die erste ist, die alles – Kommunikation, Konsum und Sonstiges – über ihr Smartphone erledigt. Das prägt ihr Verhalten.

Immer schon mussten sich Ältere und Jüngere aufeinander einstellen und zusammenarbeiten. Sie sagen, die meisten Praxisinhaber können die Wünsche und Bedürfnisse dieser Generation nicht richtig einschätzen und in der Folge nicht adäquat auf sie eingehen. Wie meinen Sie das? Haben Sie Beispiele?

Da prallen im wahrsten Sinne Werte-Welten aufeinander. Die Gen Z ist mitnichten faul oder orientierungslos. Sie geht nur anders an Dinge heran. Allem voran rate ich: Versuchen Sie sich in die jungen Leute hineinzuversetzen. Was bewegt sie, was verunsichert sie, was stärkt sie im Berufsalltag? Ich höre und beobachte zunehmend in den Praxen, die ich betreue, dass da wenig Verständnis, Güte oder Offenheit für die Jüngeren vorhanden sind. Die eigenen Erwartungen, der eigene Arbeitsethos werden auf sie übertragen, obwohl sie anders fühlen und denken.

Machen Sie nicht dicht und denken: „Das war bei uns früher anders. So haben wir das nicht gemacht.“ Sicher nicht! Die Zeiten haben sich geändert und mit ihnen die Menschen. Sprechen Sie mit ihnen, signalisieren Sie Interesse, zeigen Perspektiven im Berufsalltag auf und gehen Sie mit, anstatt sie oder sich abzugrenzen. Ich rate konkret zu einer jährlichen Mitarbeiterumfrage und auch dazu, mindestens einmal im Jahr ein Mitarbeitergespräch zu führen, um Feedback zu bekommen. Das hilft, eine Idee von den jüngeren Mitarbeitenden zu erhalten. Und was auch Sinn macht, ist ihnen Aufgaben zu übertragen, die ihnen besonders liegen, wie etwa den Instagram-Kanal zu pflegen und Ideen für dessen Inhalte zu entwickeln.

Wie gelingt es, die Gen Z als Nachwuchs zu erreichen?

Es sind neue Strategien im Personalbereich notwendig – nicht zuletzt, damit auch für die Zukunft ein Wettbewerbsvorteil gesichert werden kann. Zahnarztpraxen müssen also ihre Mitarbeiter-Akquise überdenken und an die Vorstellungen und Wünsche der aktuellen Generation anpassen. Auch die Ansprache vom Nachwuchs sollte entsprechend adaptiert werden. Diese hat sich natürlich auf die digitalen Kanäle verschoben. Stichwort Branding: Imagefilme oder -postings sind wichtig, die auf Social-Media-Kanälen wie Instagram, TikTok und Facebook sowie auf der eigenen Website oder in Stellenanzeigen hochgeladen werden können. Darin sollten die Werte, die Mentalität und das Arbeitsklima authentisch rüberkommen. Das sehen sich die jungen Leute heute nämlich ganz genau an, fühlen sich bei Probearbeiten sehr penibel ein und zögern nicht, Tschüss zu sagen, wenn sie kein gutes Gefühl haben. Ich zähle hier mal die wichtigsten Punkte auf:

Work-Life-Balance: Bieten Sie nach Möglichkeit flexible Arbeitszeiten, an und darüber hinaus vielleicht sogar Remote-Work. Eine Möglichkeit, die Zufriedenheit der jungen Mitarbeiter zu erhöhen, ist es, ihnen Freiheiten bei der Arbeitszeitgestaltung zu geben und dabei Vertrauen in deren Arbeitsmoral zu haben.

Weiterbildungsmöglichkeiten: Die Gen Z ist überaus zukunftsorientiert und möchte sich in ihrem Beruf weiterentwickeln. Dazu gehören regelmäßige Fortbildungen und Schulungen, um ihre Fähigkeiten zu verbessern und auf dem neuesten Stand zu bleiben. Zahnarztpraxen sollten das als Chance sehen und regelmäßig Angebote machen, um zu fördern und Kompetenzen zu erweitern. Hier gibt es inzwischen niedrigschwellige und barrierefreie Fortbildungen, die keinen Rüstaufwand mit sich bringen und jeder Zeit online und damit ortsunabhängig wahrgenommen werden können. Die Einheiten sind heute deutlich kürzer konzipiert, damit die jungen Menschen „dran bleiben“. Also rate ich, bieten Sie das Lernen durchaus in der Arbeitszeit an. Diese Investition wird sich auf lange Sicht auszahlen, weil die Praxis auf dem neuesten Stand bleibt und die Angestellten motiviert und zufrieden sind. Wirklich relevant für die Bindung sind die Aussichten auf Aufstiegsmöglichkeiten. Fragen Sie dafür nach, wie der persönliche Entwicklungsstand empfunden wird und wie er werden soll.

Dann ist noch die flexible Arbeitsumgebung wichtig: Die Gen Z ist ja mit Technologie aufgewachsen und legt großen Wert auf eine moderne Arbeitsumgebung, in der sie ihre Arbeit auf die bestmögliche Art und Weise erledigen kann. Die Technologie sollte nicht nur aktuell sein, sondern auch flexibel genug, um den sich ändernden Anforderungen gerecht zu werden. Eine moderne Arbeitsumgebung kann auch dazu beitragen, jüngere Mitarbeitende anzuziehen. Die Gen Z nimmt nämlich wie keine andere Generation eine fortschrittliche Arbeitsumgebung als attraktiver wahr.

Nicht zu vergessen ist die Art der Kommunikation: Der jungen Generation ist eine offene und ehrliche Kommunikation total wichtig. Sie möchte das Gefühl haben, gehört zu werden und dass ihre Meinung zählt. Regelmäßige Feedback-Gespräche und die Möglichkeit, Ideen und Anregungen einzubringen, sind wesentlich, um eine positive Arbeitsatmosphäre und ein engagiertes Team aufzubauen.

Sie sagen, dass die Zahl der Zahnarztpraxen abnehmen könnte, da die neue Zahnärzte-Generation weniger auf Karriere fixiert sei und die Gründung einer eigenen Praxis damit nicht mehr unbedingt in ihre Lebensplanung passt. Wie kommen Sie darauf?

Im Vergleich zur Generation Y, das sind die „Millennials“, die selbstbewusst, Karriere-fixiert und durchaus skeptisch gegenüber dem Staat sind, ist das bei der Gen Z ganz anders. Die jungen Menschen wollen erst gar nicht in das Hamsterrad der Arbeitswelt. Außerdem ist ihnen Ungewissheit zuwider. Sie fordern klare Strukturen ein – nicht anders, als sie es von ihren Helikopter-Eltern gewohnt sind. Sie wollen arbeiten, aber eben auch ihren Lebensplan abseits davon ausgestalten. An sich ist das eine gute Aufstellung. Sie senkt das Burn-out- und Frustrationsrisiko, wenn der private Ausgleich zur Arbeit stimmt. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass diese und auch die nächste Generation sehr wahrscheinlich länger arbeiten werden. Sich auf der Langstrecke nicht im Hamsterrad zu verlieren, ist dabei nur klug. Die Zahnmedizin-Branche wird sich daran anpassen und tut dies ja auch schon mit mehr Angestelltenverhältnissen, Partner- und Gemeinschaftspraxen.

Das Gespräch führte Laura Langer.

So tickt die Generation Z

Die digitale Kommunikation bestimmt ihr Leben. Ihnen sind Selbstverwirklichung, Reflektion und eine Work-Life-Balance wichtig. Prägend sind für sie Ereignisse wie der Klimawandel, der (islamistische) Terror und seine Bekämpfung sowie das Auf und Ab der Wirtschaft. Autorität verorten sie eher bei Personen als bei Positionen. Noch keiner Generation davor waren Klimaschutz und Nachhaltigkeit so wichtig. Gleichzeitig verschulden sich viele durch Überkonsum. Und letztendlich haben sie weniger Vermögen und finanzielle Mittel zur Verfügung als ihre Eltern mit 30. Die Gen Z gilt als realistisch und zeigt ein gutes Gefühl, was Unternehmen eigentlich ausmacht. Sie hat die Vorstellung einer klaren Trennung zwischen Beruf und Privatleben. Dabei ist die Arbeitswelt aktuell mehr auf Work-Life-Blending aus: mehr Flexibilität, das Verschmelzen von Beruflichem und Privaten und Arbeitseinsatz auf Abruf. Diese beiden Haltungen prallen aufeinander.

Prof. Dr. Christian Scholz: „Generation Z: Wie sie tickt, was sie verändert und warum sie uns alle ansteckt (2014)

Simon Schnetzer et a.: „Jugend in Deutschland - Trendstudie Winter 2022/23“

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