Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen

Der Weg zu grüneren Kliniken ist lang

Eine Umfrage des Hartmannbunds zeigt, dass eine große Mehrheit der jungen Krankenhausärztinnen und -ärzte sich mehr Klimaschutz am Arbeitsplatz wünscht. Die gute Nachricht: Das Potenzial ist riesig. Die schlechte: Es passiert zu wenig, weil für viele Maßnahmen das Geld fehlt.

Für notwendig halten 71 Prozent aller Verantwortlichen in deutschen Krankenhäusern Klimaschutzmaßnahmen. 38 Prozent aller Kliniken haben auch schon Klimaziele und Leitlinien zum Thema Nachhaltigkeit formuliert, nach denen sie handeln wollen, sagt Dr. Anna Levsen vom Deutschen Krankenhausinstitut (DKI).

Das DKI führte 2022 eine repräsentative Umfrage unter 263 Einrichtungen ab 50 Betten durch. Ziel war, die Energie- und Ressourcenverbräuche zu quantifizieren und bereits ergriffene oder geplante Klimaschutzmaßnahmen zu dokumentieren. Ergebnis: Rund 70 Prozent des Energiebedarfs eines Krankenhauses entfallen auf die Wärmeversorgung. Hier sehen die Forschenden den größten Hebel für Einsparungen – allerdings mit der Einschränkung, dass sich hier keine Patentlösungen anbieten, weil die Einrichtungen lokal und regional sehr unterschiedliche Gegebenheiten haben.

Eine Klinik verbraucht so viel Gas wie 917 Einfamilienhäuser

57 Prozent der Häuser setzten zum Befragungszeitpunkt bereits Blockheizkraftwerke ein, die auf dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung basieren und über Verbrennungsmotoren mit flüssigem oder gasförmigem Brennstoff Strom erzeugen und die entstandene Abwärme nutzbar machen. Dabei kommt in fast allen Fällen (98,1 Prozent) fossiles Erdgas und nicht Biogas zum Einsatz. Eine bittere Bilanz – schließlich entspricht der durchschnittliche Erdgasverbrauch eines Krankenhauses dem von rund 917 Einfamilienhäusern.

Das DKI empfiehlt darum als zentrale Maßnahme die Substitution fossiler durch regenerative Energieträger. Weitere Einsparpotenziale hätten Systeme zur Wärmerückgewinnung aus Dampf und Abwasser.

Auch den Frischwasserverbrauch der Krankenhäuser kann man senken, zeigt die Untersuchung. Dieser lag laut Befragung im Durchschnitt bei 311,6 Litern täglich pro Bett und war damit fast 2,5-mal so hoch wie der Verbrauch einer Privatperson (127 Liter täglich). Interessant: Vergleichsanalysen zwischen Häusern mit und ohne hauseigene Wäscherei ergaben keinen großen Unterschied im Frischwasser- und Abwasseraufkommen. Häuser ohne hauseigene Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte (27 Prozent) hatten einen um 16 Prozent geringeren Frischwasserbedarf.

Verbraucht wird hauptsächlich Trinkwasser

Dabei wurde die Brauch- und Trinkwasserversorgung fast ausschließlich (97 Prozent) über einen zentralen Frischwasseranschluss gewährleistet. Dezentrale Systeme zur Brauch- und Trinkwasseraufbereitung – wie eine Grauwasser-Recycling-Anlage, eine Regenwasseraufbereitungsanlage, eine Kombination aus Regenwassernutzungs- und Versickerungslage oder der direkte Grundwasserbezug über einen eigenen Brunnen – waren die absolute Ausnahme. Zur Reduktion des Wasserverbrauchs kamen vor allem Perlatoren an Wasserhähnen (64 Prozent), eine Spül-Stopp-Automatik an Toiletten (57 Prozent) und Thermostat-Armaturen (38 Prozent) zum Einsatz.

Nur 30 Prozent aller befragten Krankenhäuser beschäftigen einen Klimamanager. Obwohl viele Betreiber die hohen Kosten von Klimaschutzmaßnahmen beklagen und als Ursache für ihre Zurückhaltung nennen, sind vielerorts die Förderprogramme von Bund und Ländern nicht bekannt. Nur gut 50 Prozent der Kliniken hatten zum Befragungszeitpunkt Mittel aus solchen Töpfen beantragt.

Klimakiller volatile Anästhetika

Das Gesundheitssystem ist weltweit für etwa 4,4 Prozent des Ausstoßes an Treibhausgasen verantwortlich [Karliner et al., 2020]. Der Anästhesiologie kommt aufgrund der Verwendung volatiler Anästhetika – das sind starke Treibhausgase – dabei eine besondere Bedeutung zu. Desfluran etwa hat die 2.540-fache Treibhauswirkung von CO2, Isofluran die 510-fache und Sevofluran die 130-fache. Volatile Anästhetika machen Schätzungen zufolge bis zu 2,5 Prozent des CO2-Fußabdrucks des gesamten Gesundheitssystems aus.

Darum kommt die Studie des Deutschen Krankenhausinstituts zu dem Schluss, dass allein der Verzicht auf beziehungsweise eine umfassende Reduktion von Desfluran als inhalatives Narkotikum die Klimabelastung durch die Krankenhäuser erheblich senken kann. 2019 kamen erst in 21 Prozent der befragten Krankenhäuser Narkosegas-Auffangsysteme zur Senkung des Treibhausgasausstoßes im OP zum Einsatz.

J Karliner and others, Health care’s climate footprint: the health sector contribution and opportunities for action, European Journal of Public Health, Volume 30, Issue Supplement_5, September 2020, ckaa165.843, https://doi.org/10.1093/eurpub/ckaa165.843

Dass noch viel zu tun bleibt, zeigt auch der 2023 veröffentlichte und vom Bundesgesundheitsministerium geförderte Bericht „Ressourceneffizienz, Klimaschutz und ökologische Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen" der Stiftung viamedica. Die Recherche in nur 69 der 1.887 Krankenhäuser führt 159 mögliche, zum Teil kleinteilige Maßnahmen auf, durch deren Umsetzung Kliniken nachhaltiger werden könnten. Dadurch ließen sich Kosten einsparen, gleichzeitig seien Aktivitäten in diesem Bereich auch Gesundheitsschutz.

„Gehandelt wird nur, wenn Zugzwang besteht“

Doch es gebe zu viele Hemmnisse: „Das Thema ökologische Nachhaltigkeit ist nicht stark genug auf der Leitungsebene der Krankenhäuser präsent. Es fehlt an Zeit und Offenheit für die Umsetzung – auch von Maßnahmen, die fast nichts kosten.“ Auch fehlten die Verantwortlichkeiten und die Managementstrukturen, um diese Themen fest in den Einrichtungen zu verankern, und „Anreize, um ökologische Nachhaltigkeit umzusetzen“.

Stattdessen werde nur gehandelt – so die Beobachtung von viamedica –, wenn regulatorisch ein Zugzwang besteht. Auch die Finanzierung der Nachhaltigkeit sei ein großes Hemmnis: Den Kliniken fehle schlicht die Möglichkeit, Projekte in diesem Bereich selbst zu finanzieren. Erschwerend komme hinzu, dass die duale Finanzierung der Krankenhäuser bei der Planung nicht die späteren Erhaltungs- und Betriebskosten der Gebäude berücksichtigt. „Hier muss ein gemeinsamer Weg gefunden werden, nachhaltige Gebäude zu errichten“, fordern die Autoren und liefern mit dem Neubau des Klinikums Frankfurt-Höchst ein Positivbeispiel. Das weltweit erste Krankenhaus im Passivhaus-Standard sei ein „Leuchtturm“, der Unterschied zu einem konventionellen Klinikneubau erheblich. Dort wurden beispielsweise 1.000 dreifach verglaste Fenster verbaut, was bis zu 90 Prozent Heizenergie einsparen soll.

Hervorragend sind laut viamedica auch alle Klinken, die eine Stabsstelle Nachhaltigkeit eingerichtet haben. In diesen Einrichtungen gibt es dann einen Klimamanager oder eine -managerin, die direkt an den Vorstand berichten und das Thema Nachhaltigkeit in alle Entscheidungen und alle Bereiche eines Krankenhauses tragen. Laut DKI-Umfrage hatten 2019 rund 41 Prozent der Kliniken eine solche Person.

Inzwischen dürften es deutlich mehr sein: Denn zwischen Mai 2019 und April 2022 wurden in dem vom Bundesumweltministerium geförderten Projekt KLIK green Krankenhausbeschäftigte zu Klimamanagerinnen und -managern qualifiziert, um konkrete Klimaschutzziele für die Einrichtungen festzulegen, Maßnahmen zu planen und umzusetzen. 250 Krankenhäuser und Reha-Kliniken nahmen teil und ein Folgeprojekt wurde gestartet.

Deutsches Krankenhausinstitut e.V., „Klimaschutz in deutschen Krankenhäusern: Status quo, Maßnahmen und Investitionskosten“, Auswertung klima- und energierelevanter Daten deutscher Krankenhäuser,https://bit.ly/zm_KH_und_Klima viamedica – Stiftung für eine gesunde Medizin, Ressourceneffizienz, Klimaschutz und ökologische Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen – Eine Bestandsaufnahme

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