Vier-Tage-Woche in der Zahnarztpraxis

„Den Wunsch haben eigentlich alle“

In der Praxis von Hagen Stille in Ottendorf-Okrilla nördlich vom Dresden arbeitet fast jeder im Team nur vier Tage die Woche. „In der Besetzung ist immer Bewegung drin: Der Eine kommt, der Andere geht'', sagt der Praxischef. Was das genau heißt, verrät er hier.

Wie funktioniert die Vier-Tage-Woche in Ihrer Praxis?

Hagen Stille: Wir bieten seit etwa fünf Jahren flexible Arbeitszeiten an. Außer ein paar ganz jungen Mitarbeitern, die viel Erfahrung sammeln wollen, kommt keiner mehr als vier Tage pro Woche. Damit haben wir auf den immer stärkeren und immer häufigeren Wunsch nach weniger Arbeitszeit reagiert. Manche wollen schlicht mehr Freizeit, andere müssen die Kinderbetreuung organisieren. Viele wollten freitags frei haben. Das ist natürlich nicht per se möglich. Der freie Tag richtet sich schon auch nach dem Dienstplan, dann versuchen wir ihn allerdings beizubehalten.

Wir haben ein Drei-Schichten-Modell, um die Öffnungszeiten von 7 Uhr morgens bis 20 Uhr abends abzudecken. Dazu kommen spontane, individuelle Änderungswünsche. Sie kennen das. Aber es ist ja im Interesse aller, dass das klappt und daher läuft das eigentlich gut. Nur die Öffnungszeiten musste ich inzwischen schon etwas anpassen. Da ist dann doch der Freitag beschnitten worden.

Keiner ist bei uns zehn Stunden an vier Tagen im Einsatz. Wir teilen uns in Schichten auf. In der Besetzung ist immer Bewegung drin: Der Eine kommt, der Andere geht. Die Nächste geht, weil sie schwanger ist. Hat aber an fünf Tagen gearbeitet. Die Neue kommt aber nur für vier Tage. Und ich gehe mal davon aus, wenn die frisch gebackene Mutter irgendwann zurückkommt, wird sie auch lieber vier Tage arbeiten wollen.

Sie stemmen also mit einer Vier-Tage-­Woche eine Fünf-Tage-Praxis?

Genau. Die Herausforderung besteht bei flexiblen Arbeitszeiten eben darin, die Dienstpläne so zu gestalten, dass Zahnärzte und ZFAs synchron arbeiten können – pro Arzt eine Helferin, wie ein Tandem. So decken wir die drei Schichten über die langen Öffnungszeiten ab. Fällt einer aus, muss ich schauen, wer den freien Slot übernimmt, ohne seine Freizeit zu beschneiden. Das kann besonders schwierig werden, wenn einer im Urlaub ist.

Hinzu kommen natürlich immer noch die kurzfristigen Wünsche. Fragt der Zahnarzt: „Kann ich heute Nachmittag freinehmen?“, muss ich überlegen, was wir dann mit der ZFA machen. Die kann ja auch nicht immer nur putzen.

Ich arbeite übrigens freitags auch nicht mehr und daran mussten sich die ZFAs irgendwie mit anpassen. Unsere langen Öffnungszeiten verlangen nach Spätdiensten. Das ist bislang kein Problem. Allerdings fragen wir die Bereitschaft schon im Bewerbungssystem ab. Die Mitarbeiter wollen tendenziell alle später anfangen, ab 8:30 Uhr, weil die Kinderbetreuung früher nicht da ist. Somit kann ich 7 Uhr als Behandlungsbeginn langfristig auch nicht mehr halten.

Es wird und wurde also aktiv nach der Vier-Tage-Woche gefragt?

Zum größten Teil ja. Neue Mitarbeiter fangen bei uns alle direkt so an, meistens klassisch in Teilzeit. Angestellte Zahnärzte kommen in der Regel mit dieser Forderung bereits hier bei mir an. ZFAs mit Kindern auch. Selbst die Auszubildenden, die fertig werden, wollen gerne die verkürzte Woche, können es sich aber finanziell dann doch noch nicht erlauben und kommen alle fünf Tage, also Vollzeit. Aber der Wunsch, kürzer zu arbeiten, besteht eigentlich bei allen. Kurz: Es ging also gar nicht anders als reduzierte Arbeitszeiten zu ermöglichen.

Und ich bin überzeugt, dass immer mehr Praxen sich so flexibel zeigen müssen. Das ist der Trend in dieser Zeit. Die Herausforderung zeigt sich beim Dienstplan und beim Patientenempfang. Die Vier-Tage-Woche hat sich nach und nach ergeben. Wir bezahlen nach Stunden, aber nicht die reduzierten. Für die Organisation und Wirtschaftlichkeit des Praxisbetriebs übernehme ich schließlich die Verantwortung. Und Freizeit ist schon wertvoller als Geld.

Wie flexibel sind denn Ihre Mitarbeiter bei dem freien Tag? Sie sagen, viele wollen den Freitag frei.

Das versuche ich aber gar nicht erst anzubieten. Ich sage immer, wir können das Vier-Tage-Modell machen, aber den freien Tag, legen wir auch nach der Dienstplanung fest. Das ist aber auch okay für alle.

Sehen Sie das als Wettbewerbsvorteil gegenüber Kollegen?

Den sehe ich, ja. Die Vier-Tage-Woche ist da ganz klar ein Vorteil. Es ist wirklich wichtig, den Angestellten die Freizeit zu gewähren. Aber die kurzen Dienstzeiten haben eben Einfluss auf unsere Öffnungszeiten. Freizeitansprüche, fehlende Kinderbetreuung und aktuell wenig Druck auf dem Arbeitsmarkt können dann zulasten der Patientenversorgung gehen. Das dürfen wir nicht vergessen! Wir haben inzwischen einen kürzeren Freitag einführen müssen. Bald fangen wir an, auch den Donnerstagabend von 20 auf 18 Uhr zu kürzen.

Kleinere Praxen können da nicht mithalten, oder?

Das stimmt. Die haben andere Öffnungszeiten, sind mit kleinerem Team weniger flexibel. Man kann natürlich zwei Teilzeitstellen anstatt einer vollen Stelle anbieten. Dann müssen aber die Vorstellungen und die Bereitschaft der beiden Mitarbeiter zusammenpassen.

Das Gespräch führten Dr. Anke Handrock und Laura Langer.

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