Zahnärztin produziert Ballermann-Song

Schlagersternchen für einen Tag

Ohne Sommerhit ist es kein richtiger Sommer, das gilt erst recht auf Mallorcas Amüsiermeilen. Das weiß auch die Berliner Zahnärztin Judith „Judy“ Grieger. Und entschied sich – motiviert von einem Werbeprofi –, einfach mal selbst einen Ballermann-Song aufzunehmen. Irgendwas mit Zähnen. Und Küssen. Und Pool. Bombenidee oder total ballaballa? Die Redaktion ist uneins.

Humor ist bekanntlich Geschmackssache. Darum verwundert es nicht, wenn sich bierernste (im Unterschied zu bierseligen?) Betrachter des Musikvideos kopfschüttelnd abwenden. Wie kann eine studierte Frau nur in der Balearen-Schmuddelecke ihre Haut zu Markte tragen? Zumal Text und Bildsprache keinen Zweifel daran lassen, dass die Macher des Filmchens versucht haben, das auf dem Ballermann übliche Niveau weit unter der Grasnarbe exakt zu treffen. Und so dreht sich der ganze Song – musikalisch bewusst zweifelhaft untermalt – einzig um Flirten, Küssen und leuchtend weiße Beißerchen. Denn Judy, so singt sie, braucht „Menschen mit weißem Gebiss“. Da macht sie „keinen Kompromiss“.

Bevor Sie jetzt an der Kollegin zweifeln, ein paar Worte zu Handlung und Subtext des Videos. In einer barbieesken Welt gewinnt, „wer am schönsten ist“, weshalb sich die Protagonistin und ihr Team pudelwohl fühlen. Muskelbepackte Männer – Marke Latino-Ken – staffieren diese Welt aus, und einen Kuss bekommt nur, wer die Zahnfarbe A1 vorzuweisen hat. Dazu ein paar schlichte Beats, Reime, die an den Deutschunterricht der zweiten Klasse erinnern („Wir treffen uns am Strand, mit einem Cocktail in der Hand“), viel zur Schau gestellte Haut und übertrieben gute Laune. Absolut genretypisch.

Satire oder Entgleisung?

Nun könnte man sagen, das Video ist ein Jux, mehr nicht. Kein Grund zur Aufregung. Aus der Unterstützung durch einen Dentalhändler macht Judy jedenfalls keinen Hehl, sondern winkt, tanzt oder läuft ganz ungeniert Hand in Hand mit dessen Maskottchen am sonnenüberfluteten Strand entlang. Ist das schon Werbung? Nicht doch! Und ein Bonbon für alle, die das Gehüpfe der zusammengecasteten Werbefernsehschönheiten zwei Minuten ertragen: Beim Finale tanzen alle mit Lippenspreizern. Satire pur also?

Hätte Andy Warhol das noch erleben dürfen, er hätte sein weltberühmtes Zitat „In the future, everyone will be world-famous for 15 minutes“ kurz überdacht, ein wenig abgeändert und in sich reingegiggelt. Im Fall von Judy sind es (vorerst) nur 2:28 Minuten – no big deal also. Nach den Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie hat sich Griegers Filmchen längst versendet. Aber nicht schlimm. Die Dame hat ja noch einen soliden Beruf, eine Praxis in Berlin-Steglitz sowie eine klassische Gesangs- und Klavierausbildung.

Kein Kompromiss

Na Mädels,

ab in die Sonne.

Das haben wir uns verdient!

Heute sind wir alle,

das ganze Team auf Malle.

Ästhetik ist unser Ding,

denn wer am schönsten ist, gewinnt.

Und ich brauch‘ kein Kompromiss –

willst du küssen oder nicht?

Ich brauche Menschen mit weißem Gebiss,

alles andere will ich nicht.

Denn Küssen ist gesund,

aber nicht mit deinem Mund.

Ich brauche Menschen mit weißem Gebiss,

alles andere mag ich nicht.

Denn Lachen ist gesund,

aber nicht mit deinem Mund.

Na, na, nanena

Nananana, nanena

Na, na, nanena

Ooohoooooooohooo

Wir treffen uns am Strand,

mit 'nem Cocktail in der Hand.

Oh, du findest mich interessant

und fragst mich sehr galant:

„Hey, ich brauche keinen Kompromiss –

willst du küssen oder nicht?"

Ich brauche Menschen mit weißem Gebiss,

alles andere will ich nicht.

Denn Küssen ist gesund,

aber nicht mit deinem Mund.

Ich brauche Menschen mit weißem Gebiss,

alles andere mag ich nicht.

Denn Lachen ist gesund,

aber nicht mit deinem Mund.

Na, na, nanena

Nananana, nanena

Na, na, nanena

Ooohoooooooohooo

by JUDY

Andere könnten aber auch sagen, dass sich eine Zahnärztin mit einem derartigen Video als ernst zu nehmende Medizinerin selbst disqualifiziert und der Auftritt dem Ansehen des Zahnarztberufs nicht gerade dienlich ist. Ob das Video als Recruiting-Maßnahme geeignet ist? Daran scheint Krieger selbst nicht zu glauben, auf ihrer Praxis-Website sucht man es vergeblich. Der Wert als Patienteninformation ist auch überschaubar. Wobei die Botschaft angenehm eindeutig und einprägsam getextet ist: „Denn Küssen ist gesund, aber nicht mit Deinem Mund.“

What do you think?

Gewöhnlich erregt jeder Ballermann-Hit auf dieselbe Art: Einige finden’s geil, die anderen denken „Wie kann man nur …“. Diese Erregungswelle schwappte auch durch die Redaktion. „Peinlich“, „beschämend“, „bedient sexistische Klischees“ oder „coole Nummer“, „geile Persiflage“. Fakt ist: Es geht nicht nur um Saufen und Sex. Irgendwie auch um Zahnmedizin.

Womit wir bei der Frage nach dem adressierten Publikum wären. Produziert für die Schinkenstraße? Denk bei zwei Promille bitte ans Zähneputzen! Jedenfalls sind die Ballermann-Touris auch dafür bekannt, dass sie sich den Spaß nicht verbieten lassen wollen. Finden halt nicht alle dasselbe lustig.

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