Maẞnahmen gegen krankheitsbedingte Fehlzeiten

Ist eine Anwesenheitsprämie die Lösung?

Der Montagmorgen beginnt mit drei Krankmeldungen. Eine weitere ZFA ist seit sechs Wochen in der Reha. Puh. Schon klar, wer krank ist, muss sich auskurieren. Aber ist eine Anwesenheitsprämie nicht vielleicht trotzdem ein gutes Instrument, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Stange zu halten?

Laut Statistischem Bundesamt haben sich die Deutschen 2022 durchschnittlich 15 Arbeitstage krankgemeldet. Quer durch alle Branchen, Zahnarztpraxen sind da keine Ausnahme. Neben dem Ausfall der Arbeitskraft im Praxisalltag ist damit eine Fortzahlung des Arbeitsentgelts für bis zu sechs Wochen je Krankheit verbunden, in besonderen Fällen sogar darüber hinaus. Nun ist die Diagnose ja bekanntlich der erste Schritt auf dem Weg zur Therapie. Aber wie könnte eine solche Therapie aussehen – mit dem Ziel, den Krankenstand, wenn auch nicht ganz zu beseitigen, so doch zumindest spürbar zu reduzieren?

Da auch Zahnarztpraxen Wirtschaftsunternehmen sind, kommen einem zunächst finanzielle Lösungsmodelle in den Sinn. Nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG) stellen „Anwesenheitsprämien einen Anreiz zu gesundheitsbewusstem und -förderndem Verhalten dar und sollen leichtfertige Krankmeldungen unterbinden" (BAG, Urteil vom 26. September 2007 – 10 AZR 568, 569 und 570/06). Das klingt gut, allerdings wird man hier keine Blaupausen finden. Immerhin stößt man auf § 4a des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EntgFG). Dort ist von einer „Kürzung von Leistungen“ die Rede, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt „für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit“ erbringt. Man verspricht seinen Mitarbeitenden einfach eine jährliche Zusatzprämie von beispielsweise 500 Euro und streicht diese denjenigen wieder, die im vergangenen Jahr krankheitsbedingt gefehlt haben.

Laut EntgFG „darf die Kürzung für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht überschreiten". Dazu ein Rechenexempel zum Verständnis: 251 Arbeitstage hat Berlin in diesem Jahr. Dem Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit zufolge liegt das mittlere Gehalt für Zahnmedizinische Fachangestellte in Deutschland bei 2.382 Euro brutto im Monat, das sind 28.584 Euro im Jahr. Eine Anwesenheitsprämie könnte in diesem Beispiel pro Tag der Arbeitsunfähigkeit um 28,47 Euro (28.584 Euro geteilt durch 251 Arbeitstage und davon ein Viertel) gekürzt werden. Wäre also die betroffene Mitarbeiterin entsprechend dem statistischen Mittel 15 Tage im Jahr krank, könnte eine ihr mit 500 Euro versprochene Anwesenheitsprämie um 15-mal 28,47 Euro auf 72,95 Euro gekürzt werden.

Überlegen Sie gut, was die Motivation am meisten fördert

Aber warum machen das dann nicht alle Arbeitgeber? Zum einen löst die Einführung einer Anwesenheitsprämie in der Belegschaft Frust aus: Motivation geht anders. Bei einer Anwesenheitsprämie schwingt immer der unterschwellige Vorwurf mit, dass die Beschäftigten gar nicht wirklich krank sind, sondern „blaumachen“. Betriebsklima und Leistungsbereitschaft rutschen da schnell in den Keller. Zum anderen riskiert der Arbeitgeber leicht eine ganze Krankheitswelle infolge von Ansteckung, wenn tatsächlich erkrankte Mitarbeiter zur Arbeit erscheinen, um sich die Prämie zu sichern.

Eine nicht repräsentative Beschäftigtenumfrage der Techniker Krankenkasse unter mehr als 9.000 Personen aus dem Jahr 2021 zeigte: 51 Prozent der Mitarbeitenden gaben an, „manchmal“, „häufig“ oder sogar „sehr häufig“ krank zur Arbeit zu gehen – ein auch unter dem Begriff „Präsentismus“ bekanntes Phänomen. Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein und sollte durch Anwesenheitsprämien nicht noch gefördert werden.

Daher haben Anwesenheitsprämien bislang keine weite Verbreitung gefunden. Wer es trotzdem ausprobieren möchte, dem sei Folgendes mit auf den Weg gegeben: Anwesenheitsprämien müssen zusätzlich zum normalen Gehalt gewährt werden. Sie haben auch nichts mit Mindestlohn zu tun, sind aber – wie das Gehalt – steuer- und sozialversicherungspflichtig. Um formale Fehler bei der Einführung zu vermeiden, sollte man sich unbedingt vorher rechtlich beraten lassen.

Die erfolgreiche Alternative – Health Benefits

Anwesenheitsprämien sind also nicht der Stein der Weisen, wenn es um die Reduzierung krankheitsbedingter Fehlzeiten geht. Muss man also damit leben? Nicht unbedingt. Als durchaus wirkungsvoll haben sich andere Instrumente herausgestellt, die weniger auf finanzielle Anreize als auf echte Motivation setzen. Ein gutes Betriebsklima spielt dabei eine große Rolle, denn wer gerne zur Arbeit kommt, hat kein Interesse daran, „krank zu feiern“. Als wertschätzend und zugleich motivierend werden von Arbeitnehmern Unterstützungsleistungen für Vorsorgeuntersuchungen oder das Angebot von Sport- und Gesundheitskursen durch den Arbeitgeber empfunden, die sogenannten Health Benefits – zusätzliche Gesundheitsleistungen. Hier bestehen auch steuer- und sozialversicherungsrechtlich begünstigte Möglichkeiten, Mitarbeitern etwas Gutes zu tun und damit zugleich die Betriebsgesundheit zu stärken. Der Freibetrag für Gesundheitsförderung des Arbeitgebers beträgt pro Mitarbeiter pro Kalenderjahr 600 Euro.

Sind einzelne Arbeitnehmer von häufigen Kurzerkrankungen oder langfristigen Krankheiten besonders betroffen, kann auch ein „BEM-Verfahren“ helfen, die Ursachen zu erkennen und bestenfalls zu beseitigen. „BEM“ steht für „betriebliches Eingliederungsmanagement“ und bezeichnet einen „verlaufs- und ergebnisoffenen Suchprozess, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll“ (BAG, Urteil vom 10. Dezember 2009 – 2 AZR 400/08). Gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX ist die Durchführung eines BEM sogar gesetzlich vorgeschrieben, wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind.

Einem zu hohen Krankenstand ist also durchaus beizukommen, aber nicht nach Schema F. Wer hier Handlungsbedarf für seine Praxis sieht, ist vielmehr gut beraten, die Ist-Situation mit professioneller Unterstützung zu analysieren und maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln.

Bernhard Kinold

Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Arbeitsrecht
HASLER KINOLD - Rechtsanwälte
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