Aus der Wissenschaft

Zahnärzte wünschen sich mehr Fortbildung zu MIH

Elmar Hellwig
Die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) ist für die Zahnmedizin eine vergleichsweise „junge“ Erkrankung – sie wurde vor nicht einmal 25 Jahren im Jahr 2001 von Weerheijm et al. als eigenständige Erkrankung definiert. Erstmalig hat jetzt eine Greifswalder Arbeitsgruppe den Wissenstand, den klinischen Umgang und die Erfahrungen mit der Erkrankung bei deutschen Zahnärztinnen und Zahnärzten untersucht.

In der Literatur sind (je nach Studie) sehr unterschiedliche Zahlen zur MIH-Prävalenz zu finden. In der Sechsten Mundgesundheitsstudie wird für Deutschland ein Wert von 15,3 Prozent bei Zwölfjährigen angegeben, wobei im Durchschnitt 3,4 Zähne betroffen sind. Die Diagnose und Therapie von Patienten mit einer MIH stellt Zahnärzte und Zahnärztinnen vor eine große Herausforderung. Die betroffenen Zähne sind ästhetisch und funktionell unterschiedlich stark betroffen. Sie sind häufig sehr schmerzanfällig und zusätzlich anfällig für Hartsubstanzverlust und Karies. Die Lebensqualität der von MIH Betroffenen kann erheblich eingeschränkt sein. Während die Ätiologie und die Pathogenese bisher nicht eindeutig geklärt sind, gibt es etablierte Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der MIH von der European Academy of Pediatric Dentistry (EAPD). Aber wie sieht es mit dem Wissensstand der deutschen Zahnärzte bezüglich Ätiologie, Diagnostik und Behandlungsoptionen aus? Dieser Frage ging die vorliegende Untersuchung einer Arbeitsgruppe aus Greifswald nach.

Methodik

Für die Untersuchung wurde ein digitaler Fragebogen mit 25 Fragen entwickelt. Der Fragebogen war in zwei Hauptteile gegliedert. Im ersten Teil wurden Daten der teilnehmenden Zahnärzte erhoben, unter anderem zu Alter, Geschlecht, Berufserfahrung, zahnmedizinischer Spezialisierung und Vertrautheit mit MIH in der Praxis. Im zweiten Teil wurden allgemeine Kenntnisse im Bereich MIH, insbesondere zu Ätiologie, Behandlungsstrategien, klinischem Erscheinungsbild, Herausforderungen, und das Interesse an Weiterbildung abgefragt. Der Fragebogen war von März bis Juni 2023 online verfügbar. Die Antworten wurden anonym in eine Excel-Tabelle eingegeben und mit SPSS 29.0 analysiert. 625 Zahnärztinnen und Zahnärzte wurden befragt, 517 Fragebögen wurden ausgewertet.

Ergebnisse

Mit 514 von 517 hatten fast alle Befragten bereits Patienten mit MIH behandelt, und 92,5 Prozent betrachteten MIH als ein bedeutendes klinisches Problem. Häufig wurden klinisch gelb-braune Defekte (81 Prozent), Schmelzverlust (46 Prozent) und weiße Defekte (36,4 Prozent) beobachtet. Gut zwei Drittel der Befragten (68,6 Prozent) stellten eine Zunahme der MIH-Prävalenz im Verlauf ihrer Berufstätigkeit fest, 20,7 Prozent waren sich unsicher und nur rund jeder zehnte Befragte (10,7 Prozent) sah keine Zunahme der Prävalenz. Die Zahnärzte gaben als Probleme bei der Behandlung der MIH das Verhalten des Kindes (44,7 Prozent), Schwierigkeiten mit der Lokalanästhesie (22,7 Prozent) und eine verlängerte Behandlungsdauer (15,3 Prozent) an.

Interessant ist auch, dass viele Zahnärzte ausschließlich Kompositrestaurationen oder Extraktionen als Therapieoption angaben. Die Daten zeigen, dass das MIH-Management durch Spezialisierung und diagnostische Sicherheit beeinflusst wird. Trotz grundlegender Kenntnisse und Erfahrungen äußerten die meisten Zahnärzte (77,8 Prozent) den Wunsch nach weiterer Ausbildung zum Thema. Die Autoren kommen zum Ergebnis, dass Zahnärzte umfassend geschult werden müssen, um MIH rechtzeitig diagnostizieren und behandeln zu können. Das betrifft sowohl die universitäre Ausbildung als auch das Angebot von Fortbildungskursen, die sich an internationalen Richtlinien orientieren.

Fazit

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass MIH ein häufiges klinisches Problem ist, was den Autoren zufolge mit den Ergebnissen anderer Studien übereinstimmt. Komposite waren die am häufigsten verwendeten Restaurationsmaterialien. „Dies entspricht den Empfehlungen der EAPD, die Komposite wegen ihrer ästhetischen und funktionellen Vorteile, insbesondere in sichtbaren Bereichen, hervorheben. Glasionomere werden aufgrund ihrer Fluoridfreisetzung und Remineralisierungseigenschaften bevorzugt, während vorgefertigte Metallkronen aufgrund ihrer Haltbarkeit für stark geschädigte Backenzähne verwendet werden“, resümieren die Studienautoren.

Trotz der klinischen Präsenz der MIH und einem demzufolge bereits gewachsenen Erfahrungswissen im Umgang mit der Erkrankung wünschen sich mehr als drei Viertel der Befragten mehr Weiterbildung zu diesem Thema.

Die Untersuchung:
Ostermann C, Splieth C, Alkilzy M: Knowledge, assessment and treatment of molar incisor hypomineralisation (MIH) among German dentists. Clin Oral Investig. 2025 Mar 7;29(3):171. doi: 10.1007/s00784-025-06249-w. PMID: 40050549;
PMCID: PMC11885356. (Open Access).

Prof. Dr. Elmar Hellwig

Univ.-Prof. (a.D.) Dr. med. dent. Elmar Hellwig

Erzherzogstr. 8,
79102 Freiburg

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