Die enge Verbindung von Mund und Körper
Herz-Kreislauf-Erkrankungen zählen weltweit zu den häufigsten Todesursachen und umfassen koronare Herzkrankheiten, Schlaganfälle und Herzinsuffizienz. Sie entstehen häufig durch atherosklerotische Veränderungen der Blutgefäße, bei denen sich Plaques aus Fett, Cholesterin und anderen Substanzen an den Gefäßwänden ablagern. Risikofaktoren sind Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Rauchen, Bewegungsmangel und eine ungesunde Ernährung. Auch genetische Prädispositionen spielen eine Rolle.
Sozialer Gradient
Die wissenschaftliche Evidenz belegt einen klaren Zusammenhang zwischen sozialer Schicht und dem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Studien zeigen, dass Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status ein signifikant höheres Risiko haben, diese Krankheiten zu bekommen oder daran zu versterben. So ergab die Mainzer Gutenberg-Gesundheitsstudie, dass Menschen mit niedrigem Sozialstatus über einen Zeitraum von zehn Jahren ein um 68 Prozent höheres Risiko für neu auftretende Erkrankungen und eine um 86 Prozent höhere Gesamtsterblichkeit aufwiesen.
Besonders auffällig ist, dass nicht nur das Einkommen, sondern vor allem das Bildungsniveau und die berufliche Stellung entscheidend sind. Diese sozialen Unterschiede in der Gesundheit sind aber nicht allein durch ungesunde Lebensgewohnheiten erklärbar. Psychosozialer Stress, eine geringe Kontrolle über das Leben und ein eingeschränkter Zugang zu Gesundheitsressourcen spielen ebenfalls eine Rolle. Die Forschung zeigt einen konsistenten sozialen Gradienten: je niedriger der soziale Status, desto höher das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Zusammenhang zwischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Parodontitis
Der Zusammenhang zwischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Parodontitis wiederum ist wissenschaftlich gut belegt und wird intensiv erforscht. Parodontitis kann systemische Entzündungsreaktionen auslösen, die wiederum die Entstehung oder die Verschlechterung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen.
Endotheliale Dysfunktion: Die Entzündungsprozesse können die Funktion der Blutgefäß-Innenwände (Endothel) beeinträchtigen – ein zentraler Mechanismus bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Bakteriämie: Parodontalpathogene wie Porphyromonas gingivalis gelangen über die Blutbahn in andere Körperregionen – und wurden in atherosklerotischen Plaques nachgewiesen.
Erhöhtes Risiko: Studien zeigen, dass Patienten mit schwerer Parodontitis ein signifikant erhöhtes Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder andere kardiovaskuläre Ereignisse haben.
Eine Metaanalyse in der Fachzeitschrift Circulation [2012] belegte, dass Parodontitis mit einem etwa um 25 Prozent erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen verbunden ist. Andere Studien fanden eine Verbesserung der Gefäßfunktion nach parodontaler Therapie – was auf eine mögliche positive Wirkung der Zahnbehandlung auf das Herz-Kreislauf-System hinweist.
Trotz Fortschritten in der zahnmedizinischen Versorgung und Bemühungen um die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen fehlt es an einem breiten Bewusstsein für den Zusammenhang zwischen Mundgesundheit und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, insbesondere bei Risikogruppen, die für systemische Entzündungen anfällig sind, etwa Menschen mit Diabetes oder Bluthochdruck. In Anbetracht der zunehmenden Erkenntnisse über die Mundgesundheit und deren Auswirkungen auf kardiovaskuläre Erkrankungen ist eine stärkere Sensibilisierung von Allgemeinmedizinern und Kardiologen für diesen Zusammenhang dringend erforderlich, um die Aufklärung und die zahnärztliche Überweisung zur Vorbeugung kardiovaskulärer Erkrankungen zu verbessern.
Ergebnisse der DMS • 6
Aus diesem Grund hat sich die Sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie besonders diesem Zusammenhang in der Altersgruppe der jüngeren Seniorinnen und Senioren (65- bis 74-Jährige) gewidmet:
Insgesamt 27,6 Prozent der jüngeren Seniorinnen und Senioren wiesen eine Herz-Kreislauf-Erkrankung auf. Diese Erkrankten waren mehrheitlich älter (innerhalb dieser Alterskohorte) und häufiger männlich. Darüber hinaus war der durchschnittliche Bildungsstand niedriger. Außerdem unterschied sich der durchschnittliche Body-Mass-Index zwischen den Gruppen: Mehr Teilnehmende mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen waren adipös (Body-Mass-Index ≥ 30 kg/m2).
Mundgesundheit von Seniorinnen und Senioren mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Jüngere Seniorinnen und Senioren mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatten eine geringere durchschnittliche Anzahl an Zähnen (-2,1 Zähne) und waren häufiger zahnlos als Teilnehmende ohne Herz-Kreislauf-Erkrankungen (7,4 gegenüber 4,2 Prozent).
Die Prävalenz schwerer Parodontitis (Stadium IV) war bei Teilnehmenden mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen tendenziell höher als bei Teilnehmenden ohne solche Erkrankungen (29,0 gegenüber 25,5 Prozent).
Die Karieserfahrung (DMFT) unterschied sich zwischen beiden Gruppen nicht signifikant. Die Betrachtung der Einzelkomponenten des zusammengesetzten Index für kariöse, fehlende und gefüllte Zähne ergab jedoch Unterschiede: Teilnehmende ohne Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatten mehr Füllungen (+1,7 Zähne) als Teilnehmende mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Der Anteil unbehandelter kariöser Zähne war in beiden Gruppen vergleichbar.
Statistische Unterschiede in der Prävalenz von Wurzelkaries wurden tendenziell zwischen den Gruppen mit und ohne Herz-Kreislauf-Erkrankungen festgestellt (52,5 gegenüber 61,2 Prozent). Der Hintergrund dafür, dass Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen weniger Wurzelkaries aufwiesen, dürfte damit zusammenhängen, dass bei Gesunden mehr Zähne erhalten sind und sie damit mehr im Risiko stehen für Zahnerkrankungen, hier die Wurzelkaries.
Die Teilnehmenden mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen bewerteten ihren Mundgesundheitsstatus als weniger günstig. Zahnarztbesuche kamen in dieser Gruppe seltener vor und waren eher beschwerdeorientiert. Darüber hinaus wurden Zahnzwischenraumreinigung und professionelle Zahnreinigung seltener angegeben. Die Häufigkeit von Parodontalbehandlungen war jedoch höher.
Die DMS • 6 im Detail – alle Folgen
Bereits erschienen:
Teil 1 – Karies: zm 8/2025
Teil 2 – Parodontalerkrankungen: zm 9/2025
Teil 3 – Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation: zm 10/2025
Weitere Folgen:
Migration: zm 12/2025
Zahnverlust: zm 13/2025
Fazit
Insgesamt stellen Herz-Kreislauf-Erkrankungen also ein Risiko für eine eingeschränkte Mundgesundheit dar. Daraus ergibt sich ein besonderer Bedarf der Früherkennung. Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen sollten motiviert werden, regelmäßige zahnärztliche Kontrolluntersuchungen durchführen zu lassen, sie sollten über die Zusammenhänge ihrer Allgemeinerkrankung mit der Mundgesundheit aufgeklärt und in ein regelmäßiges Prophylaxeprogramm eingebunden werden.