Mit dem Dentalmuseum durch 2025 – Teil 10

Für Zoologen: der Wattepellet-Igel

mb
Was ist das!? Einige Schätze aus Zschadraß scheinen nur zerstreuten Nischenforschern oder merkwürdigen Museumsjunkies das Herz schneller schlagen zu lassen, so skurril und exotisch kommen sie daher. Doch Cave: Jedes noch so seltsame Exponat trägt einen – wenn auch nur verschwindend kleinen – Wissensschatz in sich. Und eine Geschichte.

Der Igel war Tier des Jahres 2024. Seine Kopf-Rumpf-Länge variiert von 10 bis 45 Zentimetern. Die Verbreitung ist auf die Alte Welt beschränkt, sie kommen nur in Europa, Afrika und Teilen Asiens vor. Und ein ausgewachsener Igel besitzt im Schnitt 5.000 bis 7.000 Stacheln. Sagt das Tierlexikon.

Unser Exemplar hier wurde in Deutschland gefertigt und hat einige Jahre mehr auf dem Buckel – „vielleicht Anfang 20. Jahrhundert“, sagt Museumsleiter Andreas Haesler. Unser Igel ist kirchenkuppeliger geraten, circa 15 cm hoch und hat deutlich weniger „Stacheln“, die er auch nicht zur Verteidigung einsetzt. Einst hat er aus einer der vielen überlassenen Sammlungen seinen Weg ins Dentalmuseum gefunden, „vor vielleicht 15 Jahren“.

Die Funktion ist offensichtlich, da dürfen wir aktuelle Produktseiten bemühen – „entwickelt, um Baumwollpellets freizulegen, so dass es dem Zahnarzt leicht ist, sie einzeln mit einer Pinzette aufzunehmen, etwa um die Blutung im Sulkus zu stillen oder die Krone vorm Einsetzen kontaminationsfrei zu entfetten“. Kennen wir, das passte auch damals schon, aber man kann natürlich sofort die Hygiene-Frage stellen. Der Igel wird nicht im Schrank gestanden haben, griffbereit war ja schon wichtig. Die Lösung war eine Glashaube, einer Käseglocke gleich.

Too small to tell?

Welche museale Erkenntnis lässt sich mitnehmen? Es war wieder einmal ein Recherchefund online, der Haeslers Wissen vermehrte. Was genau er gesucht hat, weiß er gar nicht mehr, als er plötzlich diese Verpackung auf dem Bildschirm erklickte. Niagara Falls, USA, aha! Die Verbreitung war also nicht auf Europa beschränkt, sondern „der wurde auch in Übersee benutzt“. Nicht, dass jetzt die Geschichte der Zahnheilkunde neu geschrieben werden muss, aber: „Hier freut man sich und kombiniert!“

Zur Datierung lässt sich noch sagen: Die Geschichte von Richmond Dental – „Bringing the best to dentistry“ – begann 1895 mit eben solchen Wattepellets. Die Firmen-Website schreibt „with simple products like cotton pellets and balls“. Klar, dass dann auch ein schnuckeliges Zuhause gefunden werden musste. Verräterisch wirkt nur die im Vergleich profane Produktbezeichnung „Dental Pellet Holder“, aber – siehe oben – da gibt es ja auch keine Igel.

Im nächsten Teil inspizieren wir einen Schaukasten zur Patientenaufklärung.

Bisher erschienen sind:
zm 1-2/2025: Goodbye Amalgam!
zm 3/2025: Wohin mit meinem
Bohrer?
zm 4/2025: „Wien hat’s nicht, Linz hat’s nicht, und Utrecht auch nicht“
zm 5/2025: Ein Lehrstück in
plastischer Anatomie
zm 6/2025: „Die wollte ich schon
haben“
zm 7/2025: Zwei in eins –
der Papageienschnabel
zm 8/2025: „Das Bild wird einen
Ehrenplatz bekommen“
zm 9/2025: Der Optimax –
strahlend mundspülen
zm 10/2025: Auf den Schultern
von Riesen

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