Ich packe meinen Koffer
Heute googeln die Patientinnen und Patienten Ihre Leistungen, scrollen sich durchs Portfolio, recherchieren die Kommentare und Empfehlungen auf Ihrer Website. Sie wollen wissen, was Sie so drauf haben, was Sie (anbieten) können. Früher hing „die Website“ noch vor der Tür im Schaukasten.
„Als die Geschichte der Patienten-Demonstrationssets irgendwann in den 1880er-Jahren anfing, haben sich in den Folgejahren einige größere Praxen diese Koffer angeschafft und auch draußen in Schaukästen aufgehängt“, erklärt Museumsleiter Andreas Haesler. Neben der Funktion als Visitenkarte wurden die Modelle drinnen zur Patientenaufklärung genutzt.
Der Clou war, dass damit jede individuelle Patientensituation nachgebaut werden konnte. Alles ließ sich ineinanderstecken, Zähne (ebenso wie alle darunter liegenden Teile, die das Zahnfleisch darstellen) konnten einzeln entfernt und ausgetauscht werden. „Phänomenal, wie exakt die das gemacht haben“, schwärmt Haesler.
Nach dem Ersten Weltkrieg begann Wekabe seriell Patientenaufklärungskästen anzufertigen, um zu zeigen, wie Prothetik aussehen kann. Der Markt war riesig – und international, die Firma hat auch englische, US-amerikanische und französische Patente herausgegeben.
Was lässt sich demonstrieren und be-greifen?
Das Inventar der Koffer-Schaukästen zeigt nicht nur die Möglichkeiten der Patientenaufklärung, sondern spiegelt auch den Stand der Zahnheilkunde ihrer jeweiligen Zeit wider. „Ich kann Ihnen eine Schwebebrücke machen, oder eine mit Porzellanzähnen.“ Beim Inlay gab es die Wahl zwischen Amalgam, Zement, Glas oder Porzellan; den neuen Zahn aus Stahl, Kautschuk oder Gold? Verschiedene Kronen- und Brückenkomponenten, Geschiebe, Gussplatten, Prothesen, Dolder-Stege. Partielle Zähne, kranke Zähne, angebrochene Zähne. Ich packe meinen Koffer und nehme mit ..., alles da.
Und wie kamen diese Schätze ins Dentalmuseum? Schließlich liegen die Patientenkästen in drei verschiedenen Größen in der Vitrine. Haesler erinnert sich noch, wie der Besucher „mit dem Koffer durch die Tür schlenkerte“. Es war wie so oft: Anderswo – dieses Mal war es Zürich – wurde eine Sammlung aufgelöst oder ein Museum geschlossen. Und wie immer öffnete Haesler seine Arme, um zu bewahren, was sonst verloren geht.
Bisher in dieser Serie erschienen sind:
zm 1-2/2025: Goodbye Amalgam!
zm 3/2025: Wohin mit meinem Bohrer?
zm 4/2025: „Wien hat’s nicht, Linz hat’s nicht, und Utrecht auch nicht“
zm 5/2025: Ein Lehrstück in plastischer Anatomie
zm6/2025: „Die wollte ich schon haben“
zm 7/2025: Zwei in eins – der Papageienschnabel
zm 8/2025: „Das Bild wird einen Ehrenplatz bekommen“
zm 9/2025: Der Optimax – strahlend mundspülen
zm 10/2025: Auf den Schultern von Riesen
zm 11/2025: Für Zoologen: der Wattepellet-Igel
zm 12/2025: Ich packe meinen Koffer
zm 13/2025: Der Schädel der Schande