Der Optimax – strahlend mundspülen
Manchmal bekommt Museumsleiter Andreas Haesler etwas Dental-Museales in die Finger, das sogar ihm nichts sagt – da kommt das „Heureka!“ erst später. Er erinnert sich nicht mehr genau, wo er das Ding gefunden hat, aber seine Ratlosigkeit ist ihm noch heute präsent. „Das sagte mir null, da hatte ich noch nicht mal einen Ansatz.“ Also legte er es erst mal beiseite.
Da es Haesler aber berufsbedingt zur obsessiven Gewohnheit geworden ist, ab und an in alten und sehr alten zahnärztlichen Fachzeitschriften zu schmökern, blieb das Rätsel nicht ungelöst. Bei Recherchen in der Zahnärztlichen Rundschau von 1934 stieß er auf eine Werbung, die ihn stutzen ließ. „Das sieht doch genau so aus, wie dieser kleine Apparat, den ich neulich in der Hand hatte“, dachte er und fing gleich an zu suchen. Tatsächlich! Für Haesler aber kein Zufall: „Irgendwann kommt immer die zweite Begegnung, dann gibt es die Auflösung.“
Die vergilbten Kataloge und Zeitschriften mit ihren Annoncen sind für ihn ein vielfach unterschätzter Fundus. Nicht nur, dass die Funktion nun geklärt war, das Ding war auch getauft und datiert. Der „Optimax“ war ein Gerät zur Spülung und Reinigung der Zahnzwischenräume, in dem Kohlensäure-Tabletten mit Radium gemixt wurden; patentrechtlich geschützt, (allein!) vertrieben von Max Gottlieb in seiner Fabrik hygienischer Apparate, eingetragen im Berliner Handelsregister 1929, Kurfürstendamm 16.
Und ein echtes Wundermittel – „reinigt die Zahnfleischtaschen“, „Ideale Gasmassage des Zahnfleisches“, „Durch Radium Steigerung der biologischen Abwehrkräfte des Mundes und bessere Durchblutung des Gewebes“, „Für Brückenträger unentbehrlich“, „kein Zahnsteinansatz“. Schon damals hatte Understatement keinen Platz in der Werbung. Finden lässt sich im Internet noch – zu kaufen auf ebay – die exklusive Vermarktung einer Optimax-Variante als „Frauendouche“. In Versalien ließ Gottlieb dazu texten: „Das Wohl der Frau ist das Wohl der Familie“. Sic!
Die Beimengung von Radium als Gesundheitstrend
Was aber war die Idee hinter der Kohlensäurezahnbehandlung mit Radium? Zu Beginn des 20. Jahrhunderts (kurz nach ihrer Entdeckung) hatte die Vorstellung von der Radioaktivität als Wunderheilmittel Konjunktur: Gepriesen wurden die besondere Heilwirkung, die abtötende Wirkung auf Bakterien und die Power als Energielieferant. Es gab Lippenstifte, Seifen und andere Kosmetika, Radium-Schokolade (Burk & Braun Süßwaren, Cottbus) und sogar Kondome (Radium-Nutex). Wobei bei jenen gar kein Radium nachgewiesen werden konnte, der Zusatz sollte nur verkaufsfördernd wirken. Ein Gesundheitstrend als Verkaufsschlager.
Und dann war da noch Doramad – die radioaktive biologisch wirksame Zahncreme, die in den 1930er-Jahren „marktreif“ wurde. Die Versprechungen waren dieselben wie beim Optimax: „vorzügliche Heilwirkung“, „steigert die Abwehrkräfte“„poliert den Schmelz auf Schonendste“, „schäumt herrlich“. Auf einem Werbeflyer: „Durch ihre feine radioaktive Strahlung – welche noch lange nach dem Putzen das Zahnfleisch massiert – werden Zellstoffwechsel, Nahrungszufuhr und Abwehrkräfte wesentlich gesteigert und angreifende Krankheitserreger vernichtet.“
Kurios und krass. Aus heutiger Sicht. Der Umgang mit der Radioaktivität war noch – nennen wir es mal – etwas unbedarft. Letztlich ging es jedoch um nichts anderes als heute auch: ein strahlendes Lächeln.
In der nächsten Folge betrachten wir einen Unterkiefer aus der anatomischen Zahnsammlung von Prof. Bennion.