Einführung: Krankheitsbild und therapeutische Optionen
Die Parodontitis im Stadium IV ist durch einen ähnlichen Schweregrad und eine ähnliche Komplexität in Bezug auf parodontale Entzündung, Attachmentverlust und Knochenabbau gekennzeichnet wie die Parodontitis im Stadium III. Allerdings haben Patienten mit Parodontitis im Stadium IV entweder fünf oder mehr Zähne aufgrund einer Parodontitis verloren und/oder benötigen aufgrund eines oder mehrerer der folgenden Kriterien eine komplexe Rehabilitation [Papapanou et al., 2018; Tonetti et al., 2018]:
Bisskollaps, Zahnwanderungen und Lückenbildungen sind mit schweren Attachmentverlusten an den betroffenen Zähnen verbunden,
Verlust der posterioren Abstützung und/oder Auffächerung der Frontzähne infolge einer Parodontitis,
sekundäres okklusales Trauma/Zahnhypermobilität, Grad ≥ 2, zurückzuführen auf ein reduziertes parodontales Attachment infolge einer Parodontitis,
weniger als 20 verbleibende Zähne (zehn gegenüberliegende Paare),
sekundäre Einschränkung / Verlust der Kaufunktion.
Gemeinsam ist diesen Patienten, dass das Fehlen einer adäquaten Behandlung nicht nur den Verlust der betroffenen verbliebenen Zähne, sondern auch den Verlust der gesamten verbliebenen Dentition riskiert. Bei Parodontitis-Patienten im Stadium IV reicht die Behandlung der Parodontitis (durch eine Standard-Parodontaltherapie, das heißt der Stufen 1 bis 3 plus Unterstützende Parodontaltherapie – UPT) nicht aus, um den Fall zu stabilisieren, die Kaudysfunktion zu beheben und ihre Lebensqualität zu verbessern. Daher muss ein interdisziplinärer Behandlungsplan umgesetzt werden, der eine kieferorthopädische und/oder prothetische Rehabilitation zur Stabilisierung und/oder Wiederherstellung der Kaufunktion, der Patientenästhetik und der Lebensqualität umfasst.
Univ.-Prof. Dr. Henrik Dommisch
Direktor der Abteilung für Paro-
dontologie, Oralmedizin und Oralchirurgie
CharitéCentrum 3 für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Charité – Universitätsmedizin Berlin
Aßmannshauser Str. 4-6, 14197 Berlin
henrik.dommisch@charite.de
2004: Promotion, Universität Kiel
2002–2014: wissenschaftlicher Mitarbeiter und Oberarzt in der Poliklinik für Parodontologie, Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde, Universität Bonn
2006–2007: Postdoctoral Fellow
2007–2022: Affiliate Professor (University of Washington, Seattle, USA)
2008: Habilitation, Venia legendi, Universität Bonn
seit 2014: Universitätsprofessor und Direktor an der Charité
Spezialist für Parodontologie® der DG PARO, Spezialist für Endodontologie der DGET, Präsident der BG PARO
Univ.-Prof. Dr. med. dent. Dr. med. Søren Jepsen, MS
Direktor der Poliklinik für Parodontologie, Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde
Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
Universitätsklinikum Bonn
Welschnonnenstr. 17, 53111 Bonn
soeren.jepsen@ukbonn.de
1992–2002: Oberarzt, Klinik für Zahnerhaltungskunde u. Parodontologie, Universität Kiel
seit 2002: Direktor der Poliklinik für Parodontologie, Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde Universitätsklinikum Bonn
seit 2005: gewähltes Mitglied der Leopoldina
2008–2015: Sprecher der DFG-Klinischen Forschergruppe „Ursachen und Folgen parodontaler Erkrankungen“ Universität Bonn
2012–2017: Vorstandsmitglied, 2015–2016 Präsident der European Federation of Periodontology (EFP)
2017: Co-Chair AAP/EFP World Workshop on a New Classification for Periodontal and Peri-implant Diseases
2019: IADR/PRG Award in Regenerative Periodontal Medicine
2019, 2021, 2022: Co-Chair European Workshops zu S3-Leitlinien für die Therapie der Parodontitis und peri-implantärer Erkrankungen (EFP)
2022: R. Earl Robinson Periodontal Regeneration Award (AAP)
2023: Distinguished Scientist Award (EFP), AAP Clinical Research Award
Phänotypische Variation und klinische Falltypen
Parodontitisfälle im Stadium IV können aufgrund der individuellen Muster der parodontalen Destruktion, der Anzahl der fehlenden Zähne, der intermaxillären Beziehungen und des verbleibenden Alveolarkamms mit großen phänotypischen Variationen aufwarten, was zu unterschiedlichen Graden funktioneller und ästhetischer Beeinträchtigungen sowie zu unterschiedlichen Behandlungsbedürfnissen führt. Um eine vereinfachte, praktikable Leitlinie zu erhalten, wurden vier Hauptphänotypen der Parodontitis im Stadium IV identifiziert, die zu spezifischen klinischen Falltypen führten:
Falltyp 1: Patient mit Zahnhypermobilität aufgrund eines sekundären okklusalen Traumas, die ohne Zahnersatz korrigiert werden kann. Es wird anerkannt, dass es ein Kontinuum von Schweregrad und Komplexität der Behandlung zwischen einigen Parodontitis-Patienten im Stadium III und Falltyp 1 der Parodontitis im Stadium IV gibt.
Falltyp 2: Patient mit pathologischer Zahnwanderung, gekennzeichnet durch Zahnelongationen, -lückenbildungen und -auffächerungen, die für eine kieferorthopädische Korrektur geeignet ist
Falltyp 3: der teilweise zahnlose Patient (vereinzelte Schaltlücken, einseitige Freiendsituation), der ohne Vollkieferrehabilitation prothetisch versorgt werden kann
Falltyp 4: der teilweise zahnlose Patient mit einem Gebiss (multiple Schaltlücken in Kombination mit Freiendsituationen), das eine Rehabilitation des gesamten Zahnbogens benötigt, entweder zahn- oder implantatgestützt/-verankert
Diese Phänotypen und die damit verbundenen klinischen Falltypen können sich gelegentlich überschneiden, da ein Zahnbogen eine Behandlung gemäß einem bestimmten Szenario benötigt, während der andere einen anderen Ansatz erfordert. Darüber hinaus ist es nach einer kieferorthopädischen Behandlung häufig notwendig, die Zähne mit einem festsitzenden Retainer in der neuen Position zu halten. Im Rahmen der Leitlinienerstellung durch die European Federation of Periodontology (EFP) wurden 13 systematische Reviews, die die spezifischen Szenarien abdecken, in Auftrag gegeben und als Grundlage auch für die Anpassung der deutschen klinischen Leitlinie verwendet.
Für die Rehabilitation der verschiedenen Falltypen stehen neben der Behandlung der Parodontitis nach der Leitlinie zur Behandlung der Parodontitis in den Stadien I–III [DG PARO/DGZM, 2021] eine Reihe von Behandlungsinstrumenten zur Verfügung:
temporäre Kontrolle des sekundären okklusalen Traumas (zum Beispiel Schienung und/oder Linderung des Fremitus durch begrenzte selektive okklusale Adjustierung)
prothetische Schienung mit einem festsitzenden Zahnersatz
kieferorthopädische Therapie
zahngestützte/-verankerte herausnehmbare oder festsitzende Teilprothesen
implantatgetragene/-verankerte herausnehmbare oder festsitzende Teilprothesen
zahngestützter/-verankerter Zahnersatz, konventionelle Totalprothese, implantatverankerte oder -gestützte Totalprothese.
Merke:
1. Die meisten Fälle von Parodontitis im Stadium IV können erfolgreich behandelt werden, wobei das natürliche Gebiss in einem Zustand angemessener Gesundheit und Funktion erhalten bleibt.
2. Vor der Behandlungsplanung für Patienten mit Parodontitis im Stadium IV wird empfohlen, eine vollständige Diagnostik und Fallanalyse durchzuführen, einschließlich einer Zahn-für-Zahn-Prognose, um die Anzahl, die Verteilung, den verbliebenen Halt, die parodontale Erhaltbarkeit und Restaurationsfähigkeit der verbleibenden natürlichen Zähne zu ermitteln.
Ablauf der Behandlung der Parodontitis im Stadium IV
Der Behandlungsplan für die Behandlung der Parodontitis im Stadium IV sollte ein erfolgreiches Ergebnis nach Abschluss der Maßnahmen der Stufen 1, 2 und 3 gemäß der Leitlinie für die Behandlung der Parodontitis in den Stadien I–III [DG PARO/DGZMK, 2021] zum Ziel haben. Die Abfolge der verschiedenen Schritte erfordert jedoch die Durchführung zusätzlicher Behandlungsmaßnahmen, um den spezifischen Anforderungen der Parodontitis im Stadium IV gerecht zu werden. In diesen Fällen sind auch die Rehabilitation der Funktion, die Wiederherstellung des Kaukomforts und die Behandlung des sekundären Okklusionstraumas und mitunter auch die Wiederherstellung der vertikalen Dimension (der Okklusion) notwendig, die von Anfang an geplant und gleichzeitig mit den Therapiestufen 1 bis 3 durchgeführt werden müssen (Abbildung 1).
Wie bei der Behandlung der Parodontitis in den Stadien I–III ist eine wesentliche Voraussetzung für die Therapie die Aufklärung des Patienten über die Diagnose, einschließlich der Ätiologie der Erkrankung, der Risikofaktoren, der Behandlungsalternativen und der erwarteten Risiken und Vorteile – einschließlich der Möglichkeit, keine Behandlung durchzuführen. Im Anschluss an dieses Gespräch sollte man sich auf einen personalisierten Behandlungsplan einigen. Der Plan muss möglicherweise im Laufe der Behandlung geändert werden, abhängig von den ersten Behandlungsergebnissen, Patientenpräferenzen, klinischen Befunden und Veränderungen des allgemeinen Gesundheitszustands des Patienten. Bei einer Stadium-IV-Parodontitis muss angesichts des hohen Risikos eines kompletten Zahnverlusts von der Option „keine Behandlung“ abgeraten werden.
Der Schlüssel zur Versorgung dieser Patienten ist
die Notwendigkeit, die Parodontaltherapie, die sich an der aktuellen Leitlinie für die Behandlung der Parodontitis in den Stadien I–III [DG PARO/DGZMK, 2021] orientiert, mit einer restaurativen Rehabilitation zu kombinieren und
die Identifizierung der geeigneten zeitlichen Abstimmung / des Ablaufs der Durchführung der begleitenden kieferorthopädischen/restaurativen Behandlung und der parodontalen Behandlung (Abbildung 1).
Für Details zum empfohlenen Vorgehen bei der Parodontaltherapie wird auf die Leitlinie für die Parodontaltherapie bei Parodontitis in den Stadien I–III [DG PARO/DGZMK, 2021] verwiesen, da diese Leitlinie auch für die parodontale Behandlung von Parodontitis-Patienten im Stadium IV gilt. Von besonderer Bedeutung sind die häufigen Neubewertungen zur Beurteilung der Einhaltung der Mundhygieneanweisungen zur supragingivalen Biofilmkontrolle und der Einhaltung von Interventionen zur Kontrolle der Risikofaktoren sowie die beiden parodontalen Reevaluationen nach Stufe 2 und später nach Stufe 3 („finale Reevaluation“), da das Erreichen der gewünschten Behandlungsergebnisse in Fällen von Stadium IV besonders wichtig ist, um mit der geplanten restaurativen oder kieferorthopädischen Therapie fortfahren zu können sowie um die erheblichen Ressourcen zu rechtfertigen, die für die Weiterbehandlung erforderlich sind. Bei Patienten mit Parodontitis im Stadium IV erfordert die Reevaluation nach den Therapiestufen 2 und 3 eine zusätzliche Planung, die über die rein parodontale Erhaltungsfähigkeit hinausgeht. Restaurative Faktoren müssen angemessen beurteilt werden. Zum Beispiel muss die Fähigkeit eines Zahnes, als Pfeiler für eine Restauration zu fungieren, im Hinblick auf die parodontale Erhaltbarkeit, aber auch in Bezug auf das verbliebende parodontale Attachment und auf restaurative Parameter wie das Vorhandensein ausreichender Zahnsubstanz beurteilt werden. In ähnlicher Weise sollten Zahnimplantate, die zur Abstützung der Restauration eingesetzt wurden, über gesunde, pflegbare Weich- und Hartgewebsverhältnisse verfügen.
Bei der Bewertung der parodontalen Ergebnisse am Ende einer aktiven parodontalen Behandlung (Kontrolle parodontaler Entzündungen, Erreichen flacher erhaltbarer Taschen, Behandlung von Furkationsdefekten) ist es wichtig zu berücksichtigen, ob ein bestimmter Zahn als Pfeiler für einen festsitzenden oder einen herausnehmbaren Zahnersatz eingesetzt wird. Um die Fähigkeit des Zahnes, als restauratives Abutment zu fungieren, zu beurteilen, müssen bestimmte Kriterien berücksichtigt werden. Es wurde zwar gezeigt, dass Zähne mit einem reduzierten, aber gesunden Zahnhalteapparat gut als prothetische Abutments funktionieren können, aber das Mindestmaß an verbleibendem parodontalem Attachment (10 bis 20 Prozent) kann patientenindividuell variieren und von der Gestaltung der Restauration (zum Beispiel festsitzend vs. herausnehmbar), der Anzahl und Verteilung der Pfeiler und der Stabilität des definitiven Zahnersatzes abhängen [Nyman & Lang, 1994].
Schwerpunkte der Parodontitis-Behandlung Stadium IV
Wir heben die folgenden Kernaussagen der Leitlinie hervor:
Um die Parodontitis im Stadium IV effektiv zu behandeln, wird empfohlen, die Patienten ausführlich über ihren Zustand, die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten und die damit verbundenen Risiken zu informieren, einschließlich der Notwendigkeit einer Parodontaltherapie, der Gestaltung der restaurativen Rehabilitation und der Abfolge der Eingriffe. Darüber hinaus sollten sich die Patienten darüber im Klaren sein, dass die Behandlungsplanung in Abhängigkeit von mehreren Faktoren geändert werden kann, einschließlich der Behandlungsergebnisse bei Reevaluationen und der Adhärenz/Compliance mit Interventionen, wie zum Beispiel der supragingivalen Biofilmkontrolle oder der Kontrolle von Risikofaktoren.
Als Ausgangspunkt für die Behandlung der Parodontitis im Stadium IV wird zunächst versucht, alle parodontal kompromittierten Zähne zu erhalten, die als sinnvoll für eine Behandlung erachtet werden. Von einer frühzeitigen Extraktion von Zähnen mit fragwürdiger (im Gegensatz zu hoffnungsloser) Prognose wird dringend abgeraten, diese wird durch die aktuelle Evidenz nicht gestützt.
Wann immer ein Zahnerhalt möglich ist, wird empfohlen, dass die parodontale Behandlung von Parodontitis-Patienten im Stadium IV den Leitlinien für die Behandlung von Parodontitis in den Stadien I–III folgen sollte. Das Erreichen der parodontalen Behandlungsziele ist die Voraussetzung für mögliche weiterführende Therapieschritte. Darüber hinaus kann die Behandlung dieser Fälle auch kieferorthopädische Zahnbewegung, Zahnschienung, zahngestützten festsitzenden und herausnehmbaren Zahnersatz und/oder implantatgetragenen festsitzenden und herausnehmbaren Zahnersatz umfassen.
Für Patienten mit Parodontitis im Stadium IV wird empfohlen, die Motivation und Einhaltung der selbst durchgeführten supragingivalen Plaquekontrolle und der Risikofaktorkontrolle während des gesamten Behandlungsverlaufs und während der unterstützenden parodontalen Versorgung häufig zu beurteilen, da dies sowohl die Wahl als auch die Ergebnisse der Therapie stark beeinflusst.
Bei Patienten mit Parodontitis im Stadium IV ist es zwingend erforderlich, dass die Restaurationen so gestaltet sind, dass sie Funktion und Ästhetik erreichen und gleichzeitig eine effektive, selbst durchgeführte Mundhygiene und professionelle Zahnreinigung ermöglichen.
Allgemeine klinische Empfehlungen
Generelle Strategie der Behandlung von Patienten mit Stadium-IV-Parodontitis
Die pathognomonischen Merkmale der Parodontitis im Stadium IV sind die funktionellen und ästhetischen Komplikationen, die nach dem Abbau des parodontalen Gewebes und/oder dem daraus resultierenden Zahnverlust auftreten. Dieser Prozess beeinträchtigt die Lebensqualität stark und birgt ein weiteres Risiko: Das Restgebiss geht verloren, wenn keine geeignete Behandlung erfolgt. Wie bereits erwähnt, umfasst das Krankheitsspektrum vielfältige phänotypische Variationen, die von subtilen Veränderungen, die möglicherweise übersehen werden, bis hin zu schweren Funktionsverlusten reichen, was die Frage aufwirft, ob das Gebiss gerettet werden und die Rehabilitation der Funktion zur Wiederherstellung der Lebensqualität führen kann. Die Kompetenzen, die für eine angemessene Diagnose und Behandlung dieser Fälle erforderlich sind, sind häufig komplex und interdisziplinär, während die Evidenzbasis, die die verschiedenen Optionen unterstützt, häufig begrenzt ist. In einer solchen Situation der Komplexität und Unsicherheit einigten sich die Experten und Interessenvertreter, die am Leitlinien-Workshop teilnahmen, auf eine Reihe von Experten-gestützten Empfehlungen, die eine kritische Anleitung für den Umgang mit diesen Fällen bieten, um die allgemeinen strategischen Prinzipien für das therapeutische Management bei Patienten mit einer kompromittierten oralen Gesundheit aufgrund einer Parodontitis im Stadium IV zu verstehen.
Kann Stadium-IV-Parodontitis erfolgreich behandelt werden?
Ja! Und bei dieser Frage waren sich die Experten einig – das Statement wurde einstimmig beschlossen. Die Experten betonten, dass die Parodontitis im Stadium IV über den Rahmen der Palliativversorgung hinaus behandelt werden kann und dass die Behandlung eine angemessene Parodontaltherapie gemäß der S3-Leitlinie für die Behandlung der Parodontitis in den Stadien I–III [Sanz, Herrera et al., 2020; DG PARO/DGZMK, 2021] in Kombination mit der restaurativen Rehabilitation der verlorenen Funktion erfordert. Nach Abschluss der aktiven Behandlung ist die unterstützende Parodontaltherapie eine entscheidende Komponente für den langfristigen Erfolg.
Wie relevant ist Zahnerhalt?
Bei der Langzeitbehandlung von Parodontitis im Stadium IV bietet der Erhalt des natürlichen Gebisses mit einer adäquaten Therapie, wann immer dies möglich ist, einen strategischen Vorteil, da er den Zeitpunkt für implantatbasierte Optionen hinauszögert und deren erforderliche Lebensdauer verkürzt. Die Option des Zahnerhalts muss zunächst in Betracht gezogen und Alternativen müssen für den jeweiligen Fall auf der Grundlage der Prognose des Falles und des einzelnen Zahnes, der technischen Machbarkeit, der Patientenpräferenz und im Idealfall von Kosten-Nutzen-Überlegungen begründet werden.
Wie wichtig ist der Erhalt der Integrität einer Zahnreihe?
In Fällen mit einem intakten Zahnbogen (keine fehlenden Zähne außer im Molarenbereich) bietet die Möglichkeit, alle Zähne zu erhalten und somit die Notwendigkeit eines Zahnersatzes durch eine parodontale (und/oder restaurative) Behandlung zu vermeiden, einen strategischen Vorteil. Dies kann die Behandlung vereinfachen und die Kosten senken. Eine sorgfältige Diagnose der Möglichkeit, „hoffnungslose“ oder stark beeinträchtigte Zähne durch eine fortgeschrittene Parodontaltherapie zu erhalten, sollte in Kombination mit der Behandlung der Hypermobilität und/oder der Berücksichtigung von Patientenpräferenzen durchgeführt werden, bevor in solchen Fällen entschieden wird, Zähne zu extrahieren.
An der Leitlinie beteiligte Fachgesellschaften und Institutionen
Federführende Fachgesellschaften:
Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK), Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DG PARO), Deutsche Gesellschaft für Kieferorthopädie (DGKFO), Deutsche Gesellschaft für Implantologie im Zahn-, Mund- und Kieferbereich (DGI), Deutsche Gesellschaft für Prothetische Zahnmedizin und Biomaterialien (DGPro)
Beteiligung weiterer AWMF-Fachgesellschaften:
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK), Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH), Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG), Deutsche Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ)
Beteiligung weiterer Fachgesellschaften/Organisationen:
Arbeitsgemeinschaft für Grundlagenforschung in der DGZMK (AfG), Arbeitsgemeinschaft für Oral- und Kieferchirurgie der DGZMK (AGOKi), Interdisziplinärer Arbeitskreis Oralpathologie und Oralmedizin, (AKOPOM), Arbeitskreis Psychologie und Psychosomatik in der Zahnheilkunde der DGZMK (AKPP), Arbeitskreis Wissenschaft der DGMKG (AKWi), Berliner Gesellschaft für Parodontologie (BG PARO), Berufsverband Deutscher Dentalhygienikerinnen (BDDH), Berufsverband der Fachzahnärzte und Spezialisten für Parodontologie, (BFSP), Bundesverband der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa, (BDIZ EDI), Berufsverband Deutscher Oralchirurgen (BDO), Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Bundesverband der Zahnärztinnen und Zahnärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst (BZÖG), Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen (DAG SHG), Deutsche Gesellschaft für Alterszahnmedizin (DGAZ), Deutsche Gesellschaft für ästhetische Zahnmedizin (DGÄZ), Deutsche Gesellschaft für Dentalhygieniker/-innen (DGDH), Deutsche Gesellschaft für Laserzahnheilkunde (DGL), Deutsche Gesellschaft für Orale Epidemiologie und Versorgungsforschung (DGoEV), Deutsche Gesellschaft für Orale Implantologie (DGOI), Deutsche Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (DGPZM), Deutsche Gesellschaft für Restaurative und Regenerative Zahnerhaltung, (DGR²Z), Deutsche Gesellschaft für Umwelt-ZahnMedizin (DEGUZ), Deutsche Gesellschaft für Zahnärztliche Implantologie (DGZI), Friedrich-Louis-Hesse-Gesellschaft Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde an der Universität Leipzig (FLHG für ZMK-Heilkunde), Freier Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ), Gesellschaft für Präventive Zahnheilkunde (GPZ), Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), Neue Arbeitsgruppe Parodontologie (NAgP), NEUE GRUPPE – Wissenschaftliche Vereinigung von Zahnärzten, Verband Deutscher Dentalhygieniker (VDDH), Verband medizinischer Fachberufe, Referat Zahnmedizinische Fachangestellte (VMF), Westfälische Gesellschaft für ZMK-Heilkunde (WGZMK).
Kann die Akzeptanz des Zahnerhalts durch einfache Maßnahmen verbessert werden?
In vielen Fällen von Parodontitis im Stadium IV beeinträchtigen die ästhetischen, phonetischen und funktionellen Folgen des parodontalen Abbaus das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Patienten erheblich. Doch bereits einfache Ansätze wie die Verwendung von Gingivaepithesen (individuell angefertigte herausnehmbare Silikonmasken zum Ersatz fehlender Gingiva, beispielsweise bei fehlenden Papillen oder bei der Korrektur ungleichmäßiger Zahnfleischränder) und/oder direkte/indirekte adhäsive Restaurationen, die den Zähnen neue Form geben (und manchmal einen Schienungseffekt bieten), können die Lebensqualität der Patienten und die Akzeptanz der Parodontalbehandlung erhöhen.
Literaturliste
Die Behandlung von Parodontitis Stadium I bis III - Die deutsche Implementierung der S3-Leitlinie „Treatment of Stage I–III Periodontitis“ der European Federation of Periodontology (EFP), Registernummer: 083-043, register.awmf.org/de/leitlinien/detail/083-043.
Die Behandlung von Parodontitis - Stadium IV. Registernummer: 083-056. 2025. register.awmf.org/de/leitlinien/detail/083-056
Herrera, D., Sanz, M., Kebschull, M., Jepsen, S., Sculean, A., Berglundh, T., . . . Methodological, C. (2022). Treatment of stage IV periodontitis: The EFP S3 level clinical practice guideline. J Clin Periodontol, 49 Suppl 24, 4–71. doi:10.1111/jcpe.13639.
Nyman, S. R., & Lang, N. P. (1994). Tooth mobility and the biological rationale for splinting teeth. Periodontol 2000, 4, 15–22. doi:10.1111/j.1600-0757.1994.tb00002.x.
Papapanou, P. N., Sanz, M., Buduneli, N., Dietrich, T., Feres, M., Fine, D. H., . . . Tonetti, M. S. (2018). Periodontitis: Consensus report of workgroup 2 of the 2017 World Workshop on the Classification of Periodontal and Peri-Implant Diseases and Conditions. J Clin Periodontol, 45 Suppl 20, S162–S170. doi:10.1111/jcpe.12946.
Sanz, M., Herrera, D., Kebschull, M., Chapple, I., Jepsen, S., Beglundh, T., . . . Methodological, C. (2020). Treatment of stage I-III periodontitis-The EFP S3 level clinical practice guideline. J Clin Periodontol, 47 Suppl 22, 4–60. doi:10.1111/jcpe.13290.
Tonetti, M. S., Greenwell, H., & Kornman, K. S. (2018). Staging and grading of periodontitis: Framework and proposal of a new classification and case definition. J Periodontol, 89 Suppl 1, S159–S172. doi:10.1002/JPER.18-0006.
Trombelli, L., Franceschetti, G., & Farina, R. (2015). Effect of professional mechanical plaque removal performed on a long-term, routine basis in the secondary prevention of periodontitis: a systematic review. J Clin Periodontol, 42 Suppl 16, S221–236. doi:10.1111/jcpe.12339.