„Die männliche und die weibliche Perspektive ergänzen sich einfach gut!“
Dr. Maier, Sie waren die erste Frau im hauptamtlichen Vorstand der KZBV. Was bedeutet Ihnen das?
Dr. Ute Maier: Ich definiere mich nicht gerne über meine Ämter. Dennoch bin ich stolz, dass ich das als Frau geschafft habe und finde es auch gut, es gemacht zu haben. Meine Lebensplanung war 2022 eigentlich eine andere.
Was hatten Sie denn damals ursprünglich vor – und warum kam es anders?
Dr. Maier: Ich wollte in den Ruhestand gehen. Dann hat mich aber die Aussage eines Kollegen, dass es keine Frauen gebe, die Vorstand könnten, getriggert und über Wochen beschäftigt. Am Tag der Bewerbungsfrist habe ich dann um 22 Uhr mein Schreiben eingereicht. Die Aussage konnte ich so nicht stehen lassen.
Sie haben sich aufstellen lassen und …
Dr. Maier: … damit war es letztendlich passiert. Kurz zuvor war die Frauenquote gesetzlich für die KZVen und die KZBV verankert worden und ich war die einzige Frau, die sich für den KZBV-Vorstand beworben hatte. Damit stand auch fest: Es wird keine rein männlichen Vorstände mehr geben. Das hat die Pläne einiger Kollegen, die für ein entsprechendes Amt auf Landes- oder Bundesebene kandidieren wollten, sicherlich von heute auf morgen über den Haufen geworfen. Für die Akzeptanz der Frauen war das allerdings nicht unbedingt förderlich.
Wie stehen Sie persönlich zur Quote?
Meike Gorski-Goebel: Ich selbst gehöre nicht zu den großen Befürworterinnen einer Frauenquote. Ich finde den Weg des Selbergestaltens besser. Dennoch freue ich mich über die vielen tollen Kolleginnen in den Vorständen.
Dr. Maier: Ich wollte nie eine „Quoten-Tussi“ sein, sondern mich über die Qualität meiner Arbeit definiert sehen und habe lange die Quote abgelehnt. Das hat sich aber in den letzten Jahren geändert. Ganz ehrlich: Ich weiß nicht, ob ich ohne Quote als erste Frau so einfach in den hauptamtlichen KZBV-Vorstand gewählt worden wäre. Denn für manchen spielte es auch nach meiner Wahl keine Rolle, dass ich bereits 15 Jahre lang die zweitgrößte KZV in Deutschland erfolgreich geführt hatte. Es ging nur darum, dass ich es wegen der Quote geschafft hatte. Und für manche meiner Kolleginnen auf Landesebene gilt sicher das Gleiche. Die Vorbehalte an der einen oder anderen Stelle, ob eine Frau ein solches Amt ausfüllen kann, waren durchaus im Vorfeld der Wahlen und auch danach spürbar. Ich würde daher sagen, dass wir temporär die Quote brauchen, um die Entwicklung hin zu einer Parität in Spitzenpositionen zu beschleunigen.
Warum sind zu wenige Frauen in Spitzenämtern vertreten?
Gorski-Goebel: Zum einen liegt das meiner Meinung nach daran, dass Frauen viel mit anderen Themen wie Praxis und Familie beschäftigt sind. Zum anderen glaube ich, dass Frauen kritischer hinterfragen, ob sie für eine Aufgabe qualifiziert sind. Und dann werden wir gerne auch noch gefragt, ob wir sie übernehmen wollen. Während wir mit all diesen Dingen beschäftigt sind, ist es oft so, dass ein Mann schon die Hand gehoben hat. Inzwischen ist uns aber klar, dass wir uns mehr zeigen müssen.
Warum ist Parität für Sie wichtig?
Gorski-Goebel: Ich arbeite schon immer in gemischten Teams, auch im Vorstand der KZV Sachsen, und weiß, wie gut sich männliche und weibliche Perspektiven ergänzen.
Dr. Maier: Ich sehe das genauso. Ich war für die Zahnärzteschaft noch zu Ehrenamtszeiten die erste Frau im Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen, damals mit Jürgen Fedderwitz als Vorsitzenden der KZBV. Wir haben schnell festgestellt, wie sehr wir von den Fähigkeiten des anderen profitieren und so als Team mehr erreichen.
Frau Gorski-Goebel, warum haben Sie sich um das Amt beworben?
Gorski-Goebel: Ich interessierte mich schon bei den Wahlen vor drei Jahren für den KZBV-Vorstand. Letztlich war ich aber noch nicht so weit. Schließlich weiß ich, was ich an „meiner“ KZV, der KZV Sachsen, hatte. Das gibt man nicht so leicht auf. Jetzt bin ich aber an dem Punkt, nochmal neue Wege zu gehen. Mich reizt an dem Amt besonders die noch größere Gestaltungsmöglichkeit auf Bundesebene, in die ich meine lange Erfahrung und mein Wissen aus der KZV-Arbeit einbringen werde.

In Erinnerung bleiben werden mir die positiven Begegnungen mit Menschen, denen die gute Versorgung der Patientinnen und Patienten am Herzen liegt, und mit denen der Austausch von persönlichem Respekt und Wertschätzung geprägt war.
Dr. Ute Maier
Welchen Blick auf die zahnärztliche Berufspolitik haben Sie als Juristin?
Gorski-Goebel: Ich finde es eigentlich gar nicht so relevant, dass ich Juristin bin. Wichtiger ist doch, ob ich mich mit dem zahnärztlichen Berufsstand an sich identifiziere. Und das tue ich. Ich bin mit der Zahnmedizin, Freiberuflichkeit und insbesondere auch mit der Berufspolitik aufgewachsen. Das hat mich geprägt. Für mich liegt der Fokus vor allem auf der Bewahrung der Freiberuflichkeit und – bezogen auf den KZV-Bereich – der Sicherung einer adäquaten Einzelleistungsvergütung.
Dr. Maier: Wenn ich ergänzen darf: Ich komme aus einer KZV, wo zwei Mitglieder im Vorstand keine Zahnärzte waren. Ich finde, es war eine geniale Kombination. Wenn im Vorstand auch andere, zum Beispiel juristische oder betriebswirtschaftliche, Expertise vertreten ist, kann das aus meiner Sicht nur ein Gewinn sein. Bei Vertragsverhandlungen mit Krankenkassen etwa sitzen den Zahnärzten sehr oft Juristen gegenüber. Ich fand es immer klasse, wenn es hart auf hart kam, dass mein Vorstandskollege aus Baden-Württemberg, Christian Finster, in die Bresche sprang, auf Augenhöhe die juristische Gegenrede führte und ich diese mit meinem zahnärztlichen Wissen ergänzt habe.
Wo möchten Sie Akzente setzen?
Gorski-Goebel: Obwohl ich meine Vorstandskollegen Herrn Hendges und Herrn Dr. Pochhammer schon lange kenne, liegt sicher in den nächsten Wochen der Fokus darauf, dass wir als Team zusammenwachsen. Darauf freue ich mich sehr. Mein Ziel ist es außerdem, Dinge für die Praxen, aber auch für die KZVen „gangbar“ und somit effizient zu machen. Da bieten meine Ressorts eine Chance. Ich freue mich darauf, bei der KZBV bei vielen Punkten in der „Schaltzentrale“ zu sitzen. Unabhängig davon möchte ich eng mit den KZVen zusammenarbeiten und ihre Expertise in die Prozesse einbringen. Ich stehe für Zusammenarbeit und lege einen besonderen Fokus auf Kommunikation.
Frau Dr. Maier, welche Bilanz ziehen Sie?
Dr. Maier: Da gibt es gar nicht den einen großen Wurf, sondern viele einzelne Themen, die sich für die Praxen positiv auswirken werden. Aktuell freut mich sehr, dass wir nun beim MIO-Bildbefund weitergekommen sind und die einfache Übertragung von Röntgenbildern über ein MIO in die elektronische Patientenakte auf dem Weg ist. Viele Dinge, die ich erreicht habe, sind auch nicht allein auf meinem Mist gewachsen, sondern in Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus meinen Abteilungen, mit Kolleginnen und Kollegen sowie mit Partnern aus anderen Organisationen entstanden.
Ist auch etwas offengeblieben?
Dr. Maier: In der Gesundheitspolitik bewegen Sie in etwas mehr als zwei Jahren nicht sofort die ganze Welt. Bei manchen Themen braucht man einen ziemlich langen Atem. Und manchmal muss man seine Interessen und Ideen auch hintanstellen. Themen, die mir am Herzen lagen, mich persönlich beschäftigten und bei denen ich gerne mehr meiner Ideen verwirklicht hätte, die aber aus unterschiedlichsten Gründen noch Zeit brauchen, waren unter anderem die Nachwuchsförderung, ein bürokratieärmerer Arbeitsalltag und die Überarbeitung des von der KZBV und verschiedenen KZVen 2015 herausgegebenen Leitfadens zu den Schnittstellen zwischen BEMA und GOZ.
Wie unterscheidet sich die standespolitische Arbeit auf Landes- und auf Bundesebene?
Dr. Maier: Obwohl ich schon vor der hauptamtlichen Vorstandstätigkeit in verschiedenen Positionen für die KZBV gearbeitet habe, hatte ich nicht erwartet, dass die Schlagzahl auf Bundesebene noch mal höher ist als auf Landesebene. Zum Teil lag es daran, dass in den vergangenen Jahren durch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sehr viele Gesetzgebungsverfahren angestoßen wurden und die Zeit für die Stellungnahmen manchmal nur wenige Tage betrug. Nebenher liefen dutzende Leitlinien, Qualitätssicherungsthemen und so weiter. Die Taktung ist sehr hoch, allerdings wird das leider von so manchem Standespolitiker in den Bundesländern nicht in dieser Dimension wahrgenommen.
Vor welchen Herausforderungen steht die zahnärztliche Standespolitik aktuell?
Gorski-Goebel: Die zahnärztlichen Versorgungsstrukturen müssen zukunftsfest gemacht werden. Dazu muss es gelingen, das Netz der freiberuflichen Praxen nachhaltig zu stärken. Sie benötigen verlässliche Rahmenbedingungen. Leider ist in Politik und Gesellschaft immer noch der Gedanke verhaftet, dass es der Zahnärzteschaft um eine Art Wohlstandssicherung geht. Es geht aber um Planungssicherheit, die auch der Patientenversorgung zugutekommt. Ist sie nicht vorhanden, kann dies zum einen dazu führen, dass sich Praxisinhaberinnen und -inhaber entscheiden, früher aus der Versorgung auszuscheiden; zum anderen kann sie die Niederlassungsbereitschaft junger Zahnärztinnen und Zahnärzte senken. Soweit es auch in Zukunft durch politische Eingriffe zu Planungsunsicherheiten kommt, sind größere Versorgungsengpässe nicht mehr auszuschließen.
Erschwert wird der Praxisalltag zudem infolge des hohen Fachkräftemangels, der mittlerweile für die Praxen ein großes Problem darstellt. Ein Zahnarzt oder eine Zahnärztin kann noch so toll sein, das allein nützt aber nichts, wenn kein Team da ist. Die Praxen konkurrieren hier mit Playern am Markt, die mit besserem Gehalt und/oder mobilem Arbeiten locken können. Hier ist die Politik in der Pflicht, niederlassungsfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen und die Anstrengungen der Selbstverwaltung in diesem Bereich zu unterstützen.
Dr. Maier: Außerdem gilt es, der Zahnärzteschaft durch weniger Bürokratie mehr Zeit für die Behandlung zu verschaffen. Auch das Praxisteam darf aufgrund hoher Arbeitsbelastungen infolge einer überbordenden Bürokratie nicht die Freude am Beruf verlieren und in andere Berufe abwandern. Dieses Thema bleibt auch zukünftig eine Herausforderung.
Wie wollen Sie die Themen der Zahnärzte in den Fokus rücken?
Gorski-Goebel: Fakt ist, dass das GKV-System weder durch die Zahnmedizin gerettet noch wegen ihr untergehen wird. Aber: Wir tragen durch unsere präventionsorientierte Ausrichtung zur Kosteneffizienz in der GKV-Versorgung bei. Wenn der Gesetzgeber es versäumt, zukunftsfähige Konzepte mit attraktiven Rahmenbedingungen für die Zahnärzteschaft zu schaffen, wird die zahnmedizinische Versorgung untergehen. Als Zahnärzteschaft müssen wir vorbereitet sein, eigene Ansätze zur Fortentwicklung der Versorgung zu adressieren, wenn wir gefordert sind – und, wenn nötig, laut zu werden. Mit der Kampagne „Zähne zeigen“ haben wir bewiesen, dass wir das können.

Ich bin mit der Zahnmedizin, Freiberuflichkeit und insbesondere auch mit der Berufspolitik aufgewachsen. Das hat mich geprägt.
Meike Gorski-Goebel
Frau Gorski-Goebel, was erwarten Sie von der Zusammenarbeit mit Nina Warken?
Gorski-Goebel: Leider hatte ich bisher nicht die Gelegenheit, Frau Warken persönlich kennenzulernen, was sich aber sicher ändern wird. Ich denke, dass mit ihr eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit einem offenen, von Vertrauen und Respekt geprägten Austausch möglich sein wird. Immerhin, und das habe ich mir in ihrer Antrittsrede vor dem Bundestag gemerkt, hat sie gesagt, dass sie den Dialog mit den Akteuren der Selbstverwaltung suchen und pflegen möchte. Ihr Amtsvorgänger hatte das Wort „Selbstverwaltung“ eher aus seinem Wortschatz gestrichen, da waren eigentlich alle nur „Lobbyisten“. Insoweit habe ich die Hoffnung, dass wieder mehr Wert auf die Expertise der Selbstverwaltung gelegt wird.
Frau Dr. Maier, was wird Ihnen aus Ihrer Amtszeit in Erinnerung bleiben?
Dr. Maier: Die positiven Begegnungen mit Menschen, denen die gute Versorgung der Patientinnen und Patienten tatsächlich am Herzen liegt, die auch einmal fünf gerade sein ließen und mit denen der Austausch von persönlichem Respekt und Wertschätzung geprägt war.
Welche Tipps geben Sie Frau Gorski-Goebel mit auf den Weg?
Dr. Maier: Man muss ein dickes Fell haben, gerade auch als Frau, und darf viele Dinge oder dahingeworfene Äußerungen nicht persönlich nehmen. Und: Man sollte immer sich selbst – und vor allem seiner Linie – treu bleiben.
Frau Gorski-Goebel, was leiten Sie daraus für Ihre Amtszeit ab?
Gorski-Goebel: Sich selbst treu zu bleiben, das ist absolut wichtig und richtig. Das habe ich bisher so gehandhabt, werde es auch weiter tun. Man muss verlässlich und authentisch sein. Und ja, das mit dem dicken Fell ist so ein Thema. Manchmal hat man ein Sommer- und manchmal ein Winterfell. Ganz grundsätzlich gilt hier aber, dass Schütteln hilft, dann geht es weiter.
Frau Dr. Maier, welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Dr. Maier: Im Oktober mache ich erst einmal Urlaub. Es gab zwar auch Angebote, andere Ämter zu übernehmen, die ich aber alle abgelehnt habe. Ich will jetzt einfach erst einmal nichts machen. Ich möchte morgens aufstehen und mir dann überlegen: „Was mache ich heute?“ Wenn es mir je langweilig werden sollte, wird mir schon etwas einfallen.
Was wünschen Sie Frau Gorski-Goebel für ihr neues Amt?
Dr. Maier: Dass die Menschen sehen, was sie leistet und was sie als Mensch ausmacht. Dass sie dabei gesund bleibt und viel Freude hat. Denn dieser Job bietet viel Freude. Und: Dass sie weiterhin die richtigen Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt trifft.
Das Gespräch führten Anne Orth und Susanne Theisen.