Noch nie hatten so viele Kita-Kinder in Hessen kariesfreie Zähne
Seit 2003 erheben die Zahnärztlichen Dienste der hessischen Gesundheitsämter regelmäßig Daten zur Mundgesundheit von Kita-Kindern dieser Altersgruppen und werten sie aus. Die Untersuchungskohorte bestand im Zeitraum 2023/2024 aus insgesamt 7.114 Kindern, davon waren 1.885 drei Jahre alt. Die Anzahl der untersuchten Vier- und Fünfjährigen war somit deutlich höher (Abbildung 1). Im Vergleich zur letzten Querschnittsuntersuchung 2016/2017 mit 6.900 Kindern stieg die Gesamtzahl der untersuchten Kinder leicht an.

Auch wenn die Gesundheitsämter nicht flächendeckend Daten bereitstellen können, ermöglichen die Querschnittsuntersuchungen einen Vergleich der Zahn- und Mundgesundheit. Auf dieser Grundlage lassen sich Rückschlüsse auf die Entwicklung der Mundgesundheit und die daraus resultierenden Bedarfe ableiten. Sie sind somit ein wichtiger Beitrag, um notwendige Änderungen und Anpassungen der bestehenden Konzepte für Kitas und Schulen zu erarbeiten.
Material und Methode
Anhand der Kita-Listen der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege in Hessen (LAGH) wurde eine Stichprobe von zehn Prozent der Kindertageseinrichtungen der teilnehmenden Landkreise und kreisfreien Städte ausgewählt. Ziel war, dass möglichst alle drei-, vier- und fünfjährigen Kinder dieser Einrichtungen von den Zahnärztinnen und Zahnärzten der hessischen Gesundheitsämter untersucht werden.
Parameter und Kriterien für die Befunderhebung im Rahmen einer statistischen Auswertung wurden entsprechend den Empfehlungen des Bundesverbandes der Zahnärztinnen und Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BZÖG) und der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen zur standardisierten Gesundheitsberichterstattung für die Zahnärztlichen Dienste im Öffentlichen Gesundheitsdienst definiert. Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege (DAJ) hat zur Bestimmung des Kariesrisikos bei Kindern Empfehlungen auf der Basis der bestehenden Karieserfahrung in Abhängigkeit vom Alter gegeben. Anhand dieser Vorgaben wurden Kinder mit erhöhter Kariesanfälligkeit ermittelt.
Untersuchungsgrundlage
Folgende Parameter wurden in dieser Untersuchung für die Altersgruppe der drei-, vier- und fünfjährigen Kinder erhoben und ausgewertet:
naturgesund (ng; dmf-t = 0)
behandlungsbedürftig (beh.bed.)
saniert (Anzahl Kinder minus ng + beh.bed.)
Anzahl der an Karies erkrankten Milchzähne (d-t)
Anzahl der wegen Karies extrahierten Milchzähne (m-t)
Anzahl der wegen Karies gefüllten (f-t) Milchzähne
dmf-t-Mittelwert aus den erhobenen Parametern
Ergebnisse
Im Untersuchungsjahr 2023/2024 liegt der Anteil der Dreijährigen mit kariesfreien Milchzähnen bei 89 Prozent – und steigert sich damit im Vergleich zur letzten Querschnittsuntersuchung 2016/2017 um 4 Prozent. Mit zunehmendem Alter sinkt der Anteil naturgesunder Milchzähne: In der Altersgruppe der Fünfjährigen liegt er nur noch bei 69 Prozent.
Parallel steigt der Behandlungsbedarf mit zunehmendem Alter. So liegt er bei den Fünfjährigen bei 20 Prozent und ist damit mehr als doppelt so hoch wie bei den Dreijährigen mit 9 Prozent. Allerdings ist der Anteil sanierter Milchzähne bei drei- und vierjährigen Kindern mit nur 2 beziehungsweise 4 Prozent in diesen Altersgruppen auffallend gering (Abbildung 2).
Zahnstatus im Zeitvergleich
Seit Beginn der Untersuchungen 2003/2004 zeigt sich im zeitlichen Verlauf der Untersuchungsergebnisse ein genereller Anstieg kariesfreier Milchzähne in allen drei untersuchten Altersgruppen (Abbildung 3). Nach einem leichten Rückgang in 2016/2017 sind aktuell die bisher besten Werte der vergangenen 20 Jahre zu verzeichnen.
Der positive Trend ist jedoch nicht in allen Altersgruppen gleich stark ausgeprägt: Im Vergleich zu den Vier- und Fünfjährigen fällt in der Altersgruppe der Dreijährigen eine geringere prozentuale Zunahme naturgesunder Milchzähne auf. Der Behandlungsbedarf im Milchgebiss geht allerdings in allen drei Altersklassen wieder zurück, nachdem die Zahlen in 2016/2017 bei den Drei- und Vierjährigen leicht angestiegen und bei den Fünfjährigen stagniert waren. Im Untersuchungszeitraum seit 2003/2004 reduzierte sich der Behandlungsbedarf in allen Altersgruppen um jeweils neun Prozent (Abbildung 4).
dmf-t-Mittelwerte
Die d-t-Mittelwerte liegen für alle drei Altersgruppen im Untersuchungsjahr 2023/2024 unter den Ergebnissen der vorigen Querschnittsuntersuchungen. Wie bereits zu Abbildung 2 beschrieben, steigt mit zunehmendem Alter jedoch die Anzahl kariöser Läsionen im Milchgebiss sowie auch der Anteil von Füllungen aufgrund von Milchzahnkaries (Abbildung 5).
Der mittlere dmf-t Wert der Gesamtgruppe nimmt im Vergleich zu den vergangenen Untersuchungsjahren tendenziell ab und liegt jetzt bei 0,8. Wie bereits zuvor beobachtet, zeigt sich eine Polarisierung beziehungsweise ungleiche Verteilung der kariösen Läsionen im Milchgebiss bei den untersuchten Kindern. Wie in der Querschnittsuntersuchung 2016/2017 beträgt der dmf-t-Mittelwert bei Kindern mit Karieserfahrung auch aktuell 3,74. Damit liegt der Wert um fast das Fünffache höher als der Vergleichswert in der Gesamtgruppe (Abbildung 6).
Kinder mit erhöhtem Kariesrisiko
Bei Kindern mit erhöhtem Kariesrisiko zeigt sich im Verlauf der Querschnittsuntersuchungen seit 2012/2013 ein prozentualer Rückgang: Bei den Dreijährigen von 15 auf 11 Prozent sowie bei den Vierjährigen von 13 auf 11 Prozent. In der Altersgruppe der Fünfjährigen ist der Rückgang um nur 1 Prozent seit 2012/2013 am geringsten. Im Vergleich zur Untersuchung 2016/2017 stagniert der Wert bei 11 Prozent (Abbildung 7).
Diskussion
Die Mundgesundheit hessischer Kindergartenkinder hat sich seit Beginn der Querschnittsuntersuchungen im Jahr 2003/2004 tendenziell verbessert. So ist der Anteil der Fünfjährigen mit kariesfreien Milchzähnen im Untersuchungszeitraum der letzten 20 Jahre auf 69 Prozent angestiegen, bei den Vierjährigen sind es 81 Prozent und bei den Dreijährigen 89 Prozent. Auch bei der Behandlungsbedürftigkeit ist insgesamt ein positiver Trend zu verzeichnen.
Trotz der pandemiebedingten Einschränkungen in den Jahren 2020 bis 2022 zeigt sich auch in der achten Querschnittsuntersuchung 2023/2024 insgesamt eine Fortsetzung der positiven Entwicklung in der Zahngesundheit hessischer Kindergartenkinder. Dieses Ergebnis ist vor dem Hintergrund der zeitweisen Schließungen von Kindertagesstätten und der eingeschränkten zahnärztlichen Versorgung bemerkenswert.
Bereits frühzeitig wurden auf Landesebene Maßnahmen ergriffen, um die zahnärztliche Gruppenprophylaxe unter den veränderten Bedingungen fortzuführen. Das bestehende Fünf-Sterne-Konzept wurde pandemiegerecht angepasst, digitale Fortbildungsangebote für Fachkräfte in Kitas geschaffen und Informationsmaterialien verstärkt auf elektronischem Wege verbreitet. In enger Zusammenarbeit mit den Arbeitskreisen Jugendzahnpflege (AkJ) wurden Kommunikationsstrukturen aufgebaut, über die Patenschafts-Zahnarztteams, Kitas und in der Folge auch Eltern kontinuierlich erreicht werden konnten.
Auch während der Kontaktbeschränkungen suchten zahlreiche Patenschafts-Zahnärztinnen und -Zahnärzte den direkten Austausch mit Eltern, beispielsweise im Außenbereich von Kindertagesstätten, um Informationen zu den Themen Zahnpflege, Ernährung und Fluoridierung weiterzugeben. Auch die Zahnärztlichen Dienste des Öffentlichen Gesundheitsdienstes nahmen ihre Untersuchungs- und Beratungsarbeit so früh wie möglich wieder auf.
Die Kombination der Reihenuntersuchung mit prophylaktischen Impulsen in den Einrichtungen sowie die weiterhin hohe Akzeptanz der Elterninformationsschreiben über das Ergebnis der Untersuchung haben dazu beigetragen, dass die Zahngesundheit vieler Kinder trotz der außergewöhnlichen Umstände stabil blieb oder sich sogar verbessert hat. Dieses Ergebnis unterstreicht die Wirksamkeit der gut vernetzten und abgestimmten Strukturen der hessischen Gruppenprophylaxe – auch in Krisenzeiten.
Was allerdings in der aktuellen Untersuchung 2023/2024 auch auffällt: Der Sanierungsgrad kariöser Milchzähne, besonders in den jüngsten Altersgruppen, ist gering. Aufgrund mangelnder Compliance ist die zahnärztliche Behandlung kleiner Kinder in der Regel nur in Narkose möglich. Insbesondere Karies im Milchgebiss kann für die betroffenen Kinder jedoch massive Auswirkungen auf die weitere Entwicklung nach sich ziehen. Eingeschränkt werden nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Sprachentwicklung und die Allgemeingesundheit.
Die frühkindliche Karies ist mit einer durchschnittlichen Prävalenz von circa 10 bis 15 Prozent eine der häufigsten chronischen Erkrankungen im Kleinkindalter. Die Bundeszahnärztekammer benennt die Häufigkeit der auch als Early Childhood Caries bezeichneten frühen Karieserfahrung von Kindern unter sechs Jahren in sozialen Brennpunkten mit bis zu 40 Prozent. Wie auch bei vielen allgemeinen Erkrankungen, erhöht ein niedriger sozioökonomischer Status das Risiko, an frühkindlicher Karies zu erkranken.
Zu den Risikofaktoren können ein niedriger Bildungsstand der Eltern, die Herkunft aus kinderreichen Familien und ein Migrationshintergrund zählen. Mit den Fluchtbewegungen in den Jahren 2015/2016 und 2022 stieg auch die Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund in hessischen Kindertageseinrichtungen. Dadurch änderten sich auch die Anforderungen an eine erfolgreiche Gruppenprophylaxe.
Informations- und Wissensdefizite bezüglich der Zahnpflege, der altersgerechten Anwendung von Fluoriden und der zahngesunden Ernährung erhöhen das Risiko, an frühkindlicher Karies zu erkranken. Kulturell abweichende Standards bezüglich der häuslichen Zahnpflege, zuckerhaltige Ernährungsgewohnheiten sowie ein häufig eingeschränktes Sprachverständnis bei Kindern und Eltern stellen die gruppenprophylaktische Arbeit vor umfangreiche Herausforderungen.
Die zahnärztliche Reihenuntersuchung ist ein niedrigschwelliges Angebot für alle Kinder in Kindertageseinrichtungen und kann somit nachhaltig zur Verbesserung der gesundheitlichen Chancengleichheit beitragen. Um diesem Anspruch gerecht werden zu können, müssen die bestehenden Konzepte und Maßnahmen der Gruppenprophylaxe den veränderten Bedarfen entsprechend angepasst und überarbeitet werden.
Die Sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS 6, 2025) kommt zu dem Schluss, dass es aus sozialmedizinischer Sicht sinnvoll erscheint, die zukünftigen Präventionsstrategien konkret entlang der Lebensweltorientierung der bislang schwierig erreichbaren Gruppen mit hohem Kariesrisiko auszurichten. Die verfügbaren zeitlichen und personellen Ressourcen in den Zahnärztlichen Diensten der hessischen Gesundheitsämter sind dafür aktuell nicht ausreichend.
Im Unterschied zu den Untersuchungsdaten der Schuleingangsuntersuchung werden die Ergebnisse der zahnärztlichen Reihenuntersuchungen in Hessen bisher nicht auf Landesebene zusammengeführt und statistisch ausgewertet. Die Zahnärztlichen Dienste der hessischen Landkreise und Städte haben daher nicht die Möglichkeit, die lokalen Ergebnisse zu vergleichen. Die regelmäßig durchgeführten Querschnittsuntersuchungen in Kindertageseinrichtungen sind daher umso wichtiger. Sie ermöglichen zumindest für die jüngsten Altersgruppen einen partiellen Vergleich auf Landesebene. Um die Aussagekraft dieser Ergebnisse zu erhöhen, wären ein flächendeckendes Angebot und eine verpflichtende Teilnahme sinnvoll. Perspektivisch ist eine gesetzliche Verankerung, wie sie für die Schuluntersuchung im hessischen Schulgesetz bereits vorliegt, in Erwägung zu ziehen. Dazu werden Lösungen auf politischer Ebene benötigt.
Trotz der grundsätzlich erfreulichen Entwicklung sollte bedacht werden, dass die Untersuchungskohorte nur 7.114 Kinder umfasste und somit keine allgemeingültigen Rückschlüsse auf die Zahngesundheit aller hessischen Kindergartenkinder in den genannten Altersgruppen zulässt. Aufgrund mangelnder personeller und zeitlicher Ressourcen können aktuell nicht in allen hessischen Landkreisen und Städten regelmäßige zahnärztliche Untersuchungen durch die Zahnärztlichen Dienste der Gesundheitsämter in Kindertageseinrichtungen angeboten werden. An der aktuellen Querschnittstudie beteiligten sich insgesamt zwölf hessische Landkreise und Städte.
Weiterhin ist von Bedeutung, dass die zahnärztliche Untersuchung in hessischen Kindertageseinrichtungen bisher nur auf freiwilliger Basis stattfindet. Rechtliche Grundlagen für eine verpflichtende Teilnahme fehlen. Es wird angenommen, dass viele der teilnehmenden Kinder aus einem Umfeld stammen, in dem sich bereits vorbildlich um die Mundgesundheit des Nachwuchses gekümmert wird, und in dem die angebotenen Maßnahmen aufgrund eines entsprechenden Gesundheitsbewusstseins unterstützt werden. Diese Kinder weisen in der Regel erwartungsgemäß eine geringere Kariesprävalenz auf.
Schlussfolgerung
Im Verlauf der vergangenen Untersuchungsjahre zeigt sich eine deutliche Polarisierung bezüglich des Kariesbefalls in den Kohorten. Aktuell weisen jeweils 11 Prozent der untersuchten Kinder aller drei Altersgruppen ein erhöhtes Kariesrisiko auf. Der dmf-t-Mittelwert für Kinder mit bereits bestehender Karieserfahrung liegt um das etwa Fünffache höher als im Vergleich zur Gesamtgruppe der Untersuchten.
Das seit 2012/2013 nur geringfügig rückläufige und teilweise stagnierende Kariesrisiko verdeutlicht, dass die bisher angewandten gruppenprophylaktischen Konzepte für eine signifikante Verbesserung der Mundgesundheit in Risikogruppen nicht ausreichen. Die Einschränkungen der gruppenprophylaktischen Arbeit während der Pandemie haben sich zusätzlich negativ auf die Zahngesundheit der Kinder ausgewirkt, die ohnehin ein erhöhtes Kariesrisiko haben.











