Neue Gruppe: Jahrestagung zum Thema CAD/CAM

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Industrie
Wie real ist die virtuelle Zahnmedizin – wo ist sie bereits angekommen und wo klemmt es an den Schnittstellen? Immerhin ganze drei Tage widmete die „Neue Gruppe“, wissenschaftliche Vereinigung von Zahnärzten, dem Thema CAD/CAM-Prothetik und deren vielen Facetten und startete die 48. Jahrestagung vom 23. – bis 25. Oktober 2014 in Koblenz mit einem intensiven Vorkongress.

Dem Aspekt, dass das Thema die Zahntechniker sogar noch intensiver berührt als die Zahnärzte, erwiesen die Veranstalter mit dem Tagungsuntertitel ihre Referenz: „Kongress für Zahntechniker & Zahnärzte“ – und zwar in dieser Reihenfolge. Dr. Reinhold Rathmer, Präsident der „Neuen Gruppe“, betonte, dass Planung und digitale Umsetzung prothetischer Restaurationen der intensiven Zusammenarbeit beider Professionen bedürfen. Der Vorkongress startete daher für beide Berufsgruppen gemeinsam mit einem Doppel-Vortrag aus zahnärztlicher und zahntechnischer Sicht. Die sich anschließenden Kongress-Segmente splitteten sich vertiefend auf in ein fachliches Forum zum Schwerpunkt Scannen und „Konstruieren – Herstellen – Eingliedern“ für die Zahnärzte, während parallel in einem intensiven Workshop die Zahntechniker acht CAD/CAM-Frässystemen vergleichen konnten inklusive Live-Demonstrationen. Die Unternehmen, die ihre offenen und geschlossenen Entwicklungen präsentierten, waren für diesen Vergleich bestens präpariert: Dr. Rathmer hatte ihnen auferlegt, identische Ausgangssituationen darzustellen und zu zeigen, was das jeweilige Konzept daraus macht. Die aufgeteilten Zahntechniker-Gruppen wanderten anfangs reihum zu allen Fräs-Stationen, testeten Abläufe und diskutierten mit den Firmen-Repräsentanten die Anforderungen im Labor-Alltag. Im Verlauf des mehrstündigen Workshops zeigte sich allerdings, dass die Systeme unterschiedliches Interesse fanden: Manche Fräs-Systeme waren deutlich dichter umlagert als andere. Die Rückmeldungen der Zahntechniker bestätigten: Es ist enorm hilfreich, die Angebote ausführlich und vergleichend testen zu können – eine Chance, die sich sehr selten bietet. Der Workshop der „Neuen Gruppe“ und damit die Möglichkeit, sich intensiv einzulassen auf Möglichkeiten und Grenzen der digitalen Frässysteme, bekam hervorragende Rückmeldungen auch von den Ausstellern: Die Gelegenheit, mit profilierten Anwendern ausführlich zu diskutieren, wurde allgemein sehr begrüßt.

Die digitale Prothetik sei in Zahnarztpraxen und Dental-Laboren unterschiedlich weit angekommen, sagte Rathmer in seinem Eingangs-Statement zum Vorkongress-Tag: „Die Zahntechniker haben früher als die Zahnärzte erkannt, dass CAD/CAM wichtig ist. Die Zahnärzte arbeiten im Mund überwiegend analog, da verwundert es nicht, dass es ein paar Hemmschwellen gibt.“ Diese gebe es derzeit allerdings auch in der Technik. Solange die Schnittstellen zwischen digitaler Zahnarztpraxis und digitalem Labor noch Probleme bereiten, sei die Entwicklung ausgebremst. Dass an der digitalen Zukunft dennoch kein Weg vorbeiführt, machten PD Dr. Jan-Frederik Güth, Universität München, und ZT Josef Schweiger, ebenfalls München, in ihrem Doppelvortrag im zahnärztlichen Programmteil deutlich. An der Münchner Universität werden bereits Erstsemester in CAD/CAM ausgebildet, mit eindrucksvollem Angebot. Güth: „Derzeit arbeiten wir mit 18 CAD/CAM-Systemen, wir haben daher den Überblick, was am Markt passiert.“ Was aber nicht bedeute, dass wichtige Aspekte wie beispielsweise Morphologie untergingen: „Das Thema ist für die konventionelle und die digitale Zahntechnik gleich bedeutsam.“ Die digitalen Möglichkeiten korrespondierten gut mit den aktuellen Megatrends in der Zahnmedizin: minimalinvasives Vorgehen, bioverträgliche Materialien, Ästhetik und erschwingliche Produkte. Nicht zuletzt der Kostenaspekt sei einer, der bei der Weiterentwicklung der Zahnmedizin intensiver als früher mitbedacht werden müsse – eine Herausforderung, da zugleich der Anspruch der Patienten an Ästhetik und Nachhaltigkeit der Produkte und Therapien deutlich gestiegen sei. Die von den Herstellern geweckte Erwartungshaltung der Zahnärzte, mit digitalen Verfahren mehr Möglichkeiten zu haben, sei derzeit allerdings nicht selten durch technische Hürden getrübt, machte Schweiger deutlich: „Es ist nicht hilfreich, dass die digitale Schnittstelle STL („Surface Tesselation Language“) von System zu System oft unterschiedlich in der Datenaufbereitung funktioniert.“ Auch sei das Problem große Genauigkeit/große Datei noch nicht zufriedenstellend gelöst: „Wir warten hier auf intelligente Lösungen.“

"Nicht nur in Datensätzen denken!"

Dennoch biete der digitale Weg bereits jetzt viele Vorteile, wie PD Dr. Güth an Falldarstellungen verdeutlichte, und fokussierte das Thema Scannen. Beispiel: „Die digitale Zahnmedizin gibt direktes Feedback am Bildschirm und nicht erst, wenn die Prothetik aus dem Labor zurück ist.“ Studien hätten gezeigt, dass direkte Intraoral-Scans bessere Ergebnisse brächten als die indirekte Digitalisierung eines Meistermodells nach konventioneller Abformung. An der Hochschule sehe man sich vor der Aufgabe, die Möglichkeiten und Limitationen der Oralscanner, die deutliches Potential für die Zahnarztpraxis hätten, zu prüfen. Scanstrategien seien zu optimieren mit dem Ziel der Vorhersagbarkeit der Ergebnisse. Die Möglichkeiten seien eindrucksvoll – Limitationen wie beispielsweise Puderung, analoge Schritte im digitalen Workflow, die Erfassung der dynamischen Okklusion aber nicht zu vernachlässigen. Trotz aller noch zu behebender Schwachstellen waren sich PD Dr. Güth und ZT Schweiger im Resümee einig: Die digitale Abformung werde die CAD/CAM-Welt mehr als alles andere verändern. ZT Schweiger warnte aber auch vor Missverständnissen: „Mitarbeiter, die nur noch in Datensätzen denken können und für eine Verblendung den Kollegen rufen, sind nicht das, was wir brauchen.“ Das untermauerte PD Dr. Güth: „Erfolg kommt nicht durch die Technologie, sondern durch Wissen und Können.“ Viele Nachfragen und großer Beifall bestätigten, dass Thema und Referenten sehr gut gewählt waren, um Wissenschaft und Alltag, Praxis und Labor für das Auditorium hilfreich zu verbinden. Die oft zitierten „Schnittstellen“ waren beim Vorkongress zur Jahrestagung der „Neuen Gruppe“ jedenfalls bestens aufeinander abgestimmt und legten einen fundierten Sockel für die Fachbeiträge zum Hauptkongress an den beiden Folgetagen.

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