Ärztin hat kein Recht auf Lösung ihres jameda-Profils
Das LG München I entschied am 17. Januar über die Frage, ob eine Kinder- und Jugendpsychiaterin das Recht hat, sich aus dem Arztbewertungsportal jameda löschen zu lassen. Die Klägerin ist in dem Portal mit einer Gesamtnote von 4,1 registriert, gibt jedoch an, die zugrundeliegenden Bewertungen "nicht zuordnen und nicht nachvollziehen" zu können. Die Bewertungen hätten jedoch dazu geführt, dass sie einen erheblichen Rückgang von Neuanmeldungen zu verzeichnen habe.
Sucht man auf der Internetseite der Beklagten nach Kinder- und Jugendpsychiatern in ihrem Ort und Umgebung, erscheint ausschließlich die Klägerin mit ihren Grunddaten und darunter ein Banner, das blau unterlegt als Anzeige gekennzeichnet ist und mit dem für andere psychiatrische Fachärzte geworben wird, die Premium-Pakete bei der Beklagten gebucht haben.
Klägerin: Nutzer können Fachrichtungen nur schwer differenzieren
Doch auch wenn die Einblendung als Anzeige gekennzeichnet ist, werde der unbefangene Nutzer nicht differenziert auf die Feinheiten des Portals hingewiesen, argumentierte die Klägerin. Nutzer sehen stattdessen nur, dass neben der Klägerin mit einer sehr viel eindringlicheren und besseren Darstellung auf andere Ärzte mit gleichen oder ähnlichen Tätigkeitsgebiets hingewiesen werde.
Dass Laien zwischen einer Kinder- und Jugendpsychiaterin, einem Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie und einem Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie unterscheiden können, bezweifelt die Klägerin zudem.
jameda: Werbung muss die Geschäftsfrau im Markt hinnehmen
jameda entgegnet, Werbung für Dritte müsse die Klägerin als Geschäftsfrau im freien Wettbewerb hinnehmen, außerdem bestehe für die Klägerin kein Konkurrenzdruck durch Premiumkunden. Konkret führt jameda an, dass bei einer Ausdehnung des Suchradius auf den Großraum um das Wirkungsgebiet der Klägerin Nutzer bei 77 Suchergebnissen lediglich einen Premiumkunden finden.
Das LG München I lehnte die Klage der Kinder- und Jugendpsychotherapeutin ab, da die vorzunehmende Abwägung ihrer Interessen mit denen der Beklagten sowie der Nutzer des Portals nicht zu ihren Gunsten ausfalle. Im vorliegenden Fall fehle es an einer verdeckten Vorteilsgewährung für Premiumkunden, da diese gleichermaßen von der beanstandeten Werbeeinblendung betroffen sind, wenn sie in einer Ergebnisliste angezeigt werden. Das habe der Test bei der mündlichen Verhandlung ergeben.
Rolle als neutrale Informationsvermittlerin "noch nicht" verlassen
Hinzu komme, dass die Anzeige in der Ergebnisliste sowohl durch die abweichende Farbe als auch durch die Einblendung "Anzeige" in der rechten oberen Ecke des Anzeigenbanners deutlich als Werbung gekennzeichnet sei, so dass auch insoweit von einer verdeckten Vorteilsgewährung nicht auszugehen ist. Damit habe jameda ihre Position als neutrale Informationsvermittlerin noch nicht verlassen. Weder werde Premium-Kunden ein Vorteil gewährt, noch finde eine Vorteilsgewährung "verdeckt" statt, urteilte das Gericht.
jameda sieht sich bestätigt
Mit dem aktuellen Urteil sieht jameda vorausgegangene Urteile des LG München vom 6. Dezember 2019 (Az.: 25 O 13978/18; Az.: 25 O 13979/18 und Az.: 25 O 13980/18) und des OLG Köln vom 14. November 2019 (Az.: 15 U 89/19 und Az.: 15 U 126/19)
bestätigt und das Recht des Portals auf vollständige Arztlistung gestärkt.
Allerdings hatte das Landgericht München I im Dezember entschieden, dass die Ausgestaltung des Ärztebewertungsportals teilweise unzulässig ist. Mit ihr verlasse Jameda die zulässige Rolle des "neutralen Informationsmittlers" – ein ganz entscheidender Aspekt – und gewähre den an die Plattform zahlenden Ärzten auf unzulässige Weise einen "verdeckten Vorteil", urteilten die Richter.
In Köln hatte das OLG ebenfalls entschieden, dass mehrere frühere und aktuelle Ausgestaltungen der Plattform unzulässig sind und kam ebenfalls zu dem Urteil, jameda verlasse mit ihnen die zulässige Rolle des "neutralen Informationsmittlers". Das OLG Köln hat dabei die Revision für beide Seiten in den Verfahren zweier Zahnärzte zugelassen, da die Frage, in welchen Fällen eine Bewertungsplattform die Rolle als "neutrale Informationsmittlerin" verlässt, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht vollständig geklärt sei und für eine Vielzahl künftiger Verfahren Bedeutung haben werde.
LG München IUrteil vom 17. Januar 2020Az.: 25 O 17893-18