Studienlage

Antidepressiva und Implantatverlust

Kathrin Schlüßler
Zahnmedizin
Antidepressiva sind weit verbreitet bei der pharmakologischen Behandlung von Stimmungs- und Angststörungen. Eine neue Studie erhärtet die negativen Folgen für den Knochenstoffwechsel und das Einheilen von Implantaten. Ein Überblick zur Studienlage.

Die Wissenschaftler des Department of Dental Specialities der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, untersuchten die Zusammenhänge zwischen Implantatversagen und Antidepressiva, genauer: der Behandlung mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI). Vorteile dieser neuen Studie sind die umfangreicheren Daten der Kohorten und ein großer Beobachtungszeitraum von 20 Jahren.

Untersucht wurden retrospektiv die Daten von Patienten, die zwischen dem ersten Januar 1995 und dem 31. Dezember 2014 mindestens ein Zahnimplantat erhalten hatten.

Die Patienten wurden danach unterteilt, ob die sie SSRI in ihrer Vorgeschichte eingenommen hatten, aktuell – also während der Zeit der Implantation – anwenden und/oder erst nach Einsetzen des Implantats mit einer SSRI-Anwendung begonnen haben. Zudem wurde unterschieden, welche SSRI-Medikamente eingenommen wurden (Citalopram, Escitalopram, Fluoxetine, Paroxetine, Sertraline). In diesen Gruppen wurde die Häufigkeit für Implantatversagen analsysiert.

Serotonin – mehr als nur "Glückshormon" Serotonin und Depressionen SSRI – ein Medikament, viele Folgen Wichtig für die Zahnmedizin

Während des Untersuchungszeitraums erhielten 5.456 Patienten ihr erstes Implantat (Durchschnittsalter 53 Jahre). Die mediane Follow-up-Dauer betrug 5,3 Jahre (Interquartilbereich: 2,3 bis 10,2 Jahre). Bei 4.927 Patienten kam es nicht zu einem Implantatversagen. Dem gegenüber ermittelten die WissenschaftlerInnen 529 Patienten mit Implantatversagen.

Langzeitmedikation hemmt die Knochenheilung

In der Gruppe der Patienten mit dem SSRI Sertraline in der Vorgeschichte war ein erhöhtes Risiko für Implantatversagen feststellbar. Das Risiko, das Implantat zu verlieren, lag in dieser Population um 60 Prozent höher. Die Einnahme von SSRI zum Zeitpunkt der Implantation oder eine SSRI-Anwendung nach der Implantion waren nicht in signifikantem Maße mit einem erhöhten Risiko für Implantatversagen verbunden.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Langzeitmedikation mit SSRI die Knochenheilung während der kritischen Phase der Heilung der Knochenimplantat-Grenzfläche negativ beeinflusst. Weiterin legen die Ergebnisse nahe, dass die Einnahme mehrerer SSRI das Risiko eines Implantatversagens signifikant erhöht. Im Vergleich zu Patienten ohne SSRI-Anamnese hatten jene, die zwei oder mehr SSRI verwendeten, ein signifikant höheres Risiko das Implantat zu verlieren.

Studie von 2012: SSRI stören den Knochenbau Kohortenstudie von 2014: Erhöhtes Implantatversagen mit SSRI

Die vorgestellten Studien dienen der Überblicksbildung und erheben keinen Anspruch auf Vorständigkeit. Ihre Schwächen sind die üblichen von retrospektiven Kohortenstudien wie Recallbias und Stichprobenverzerrung. Dem gegenüber stehen jedoch lange Beobachtungszeiträume und große Fallzahlen der Kohorten einzelner SSRI-Anwenden und -Kontrollen. Hier sind weitere Studien erforderlich, um die Rolle von SSRI bei der Einheilung von Implantaten vollständig zu ermitteln.

Alan B. Carr, Ricardo L. Vidal Gonzalez, Li Jia, Christine M. Lohse: Relationship between Selective Serotonin Reuptake Inhibitors and Risk of Dental Implant Failure. Published in Journal of Prosthodontics 13 January 2019. DOI: doi.org/10.1111/jopr.13015.

Wu X, Al-Abedalla K, Rastikerdar E, Abi Nader S, Daniel NG, Nicolau B, Tamimi F: Selective serotonin reuptake inhibitors and the risk of osseointegrated implant failure: a cohort study. Published in Journal of Dental Research November 2014. DOI: 10.1177/0022034514549378.

Fernandes BS, Hodge JM, Pasco JA, et al: Effects of depression and serotonergic antidepressants on bone: mechanisms and implications for the treatment of depression. Published in Drugs Aging January 2016. DOI: 10.1007/s40266-015-0323-4.

E.M. Tsapakis, Z. Gamie, G.T. Tran, S. Adshead, A. Lampard, A. Mantalaris, E. Tsiridis: The adverse skeletal effects of selective serotonin reuptake inhibitors. Published in European Psychiatry April 2012. DOI: doi.org/10.1016/j.eurpsy.2010.10.006.

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