Armstrong muss Millionen zurückzahlen
Eine Gefängnisstrafe wegen Meineids muss er indes nicht befürchten: Seine Falschaussage von 2006 im Prozess gegen die Versicherung SCA Promotions sei nach fünf Jahren verjährt, erklärten US-Sportrechtler.
Bereits vor dem TV-Auftritt, der Talk-Queen Oprah Winfrey die zweitgrößte Einschaltquote ihrer Karriere bescherte, waren zwei Prozesse angelaufen. Die Zeitung "Sunday Times" klagt auf Rückerstattung von 1,5 Millionen Dollar, die der Verlag zahlen musste, weil er Armstrong angeblich zu Unrecht des Dopings bezichtigt hatte. Das Versicherungsunternehmen SCA will vom Texaner 7,5 Millionen Dollar zurück, die in einem vorangegangenen Rechtsstreit nach seinem siebten Toursieg 2005 an Armstrong gezahlt werden mussten.
Sponsorengelder für Dopingzwecke missbraucht
Noch weit größere Summen stehen im Raum in einem bevorstehenden Prozess des US-Justizministeriums mit Ex-Radprofi Floyd Landis gegen Armstrong und etliche Geschäftspartner. Dem Armstrong-Kartell wird Betrug vorgeworfen, da Sponsorengelder der US-Postbehörde offenbar für Dopingzwecke missbraucht worden waren.
Im Vertrag mit dem Rennstall US Postal, für den Armstrong von 1998 bis 2004 sechs seiner sieben Tour-de-France-Titel errang, war der Verzicht auf leistungssteigernde Mittel festgehalten. Die Behörde fordert Teile der insgesamt gezahlten Sponsorengelder in Höhe von 30 Millionen Dollar zurück. Auch die Tour- und andere Renn-Organisatoren kündigten Rückforderungen von Preisgeldern an.
Allein im Fall der Tour de France könnte sich das leicht auf über drei Millionen Dollar hochrechnen lassen. Der Verlust entgangener Sponsorengelder - allen voran Nike - wird Armstrong noch weit mehr bluten lassen. Doch ist zu vermuten, dass Armstrong für den Auftritt bei Winfrey, bei der er am Ende noch ganz weich werden durfte, Millionen kassiert hat.
Schluchzen vor der Kamera
Der einst rücksichtslose Dominator, der jahrelang Teamkollegen und Mitarbeiter bedroht, schikaniert und sogar verklagt hatte, kämpfte mit den Tränen, als er erzählte, wie er seinen 13-jährigen Sohn Luke mit der Doping-Wahrheit konfrontierte. Der bis dahin kühl und kalkuliert antwortende Texaner schluchzte und rang um Fassung. Er brauchte fast eine Minute, um sich zu sammeln.
Ähnliche Auftritte sind von seinem einstigen Dauer-Rivalen Jan Ullrich nicht zu erwarten. "Ich werde sicherlich nicht Armstrongs Weg gehen und vor einem Millionenpublikum sprechen, auch wenn einige das von mir immer wieder fordern und vielleicht auch erwarten", sagte der ebenfalls wegen Dopings gesperrte Ex-Profi dem "Focus" (Montag).
Für Armstrong eine ungerechte "death penalty"
Armstrong zeigte auf der medialen Anklagebank zum Teil menschliche Züge - was die Radsport-Welt mehr als ein Jahrzehnt lang auf den Landstraßen Frankreichs vermisst hatte. Doch das Unrechtsbewusstsein scheint nicht allzu sehr ausgeprägt zu sein. Die lebenslange Sperre empfindet der Texaner trotz seiner ganzen Betrügereien gar als "death penalty". Er akzeptiere eine Bestrafung, sei sich aber nicht sicher, ob er die "Todesstrafe" verdiene, meinte Armstrong.
Dass er sich im Herbst 2012 von seiner Krebsstiftung zurückzog, sei für ihn der "erniedrigendste Moment" des Dopingskandals gewesen. "Es hat sehr wehgetan. Sie war wie mein sechstes Kind." Nachdem er seine Hodenkrebserkrankung besiegt hatte, baute Armstrong 1997 in seiner Heimatstadt Austin "Livestrong" auf. Die gemeinnützige Organisation hat seitdem mehr als 500 Millionen Dollar an Spendengeldern gesammelt. Vielleicht findet er auch dorthin einen Weg zurück.
Die Rückkehr zum Leistungssport dürfte sich der 41-Jährige allerdings verbaut haben, mehr als eine Reduzierung der lebenslänglichen Sperre auf acht Jahre sind wohl nicht drin. Aber dafür muss er vor den Anti-Doping-Gremien - unter Eid - weit mehr erzählen als im TV. Er hoffe, so Armstrong am Ende des Interviews, dass er künftig nicht wieder vom rechten Weg abkommen werde: "Dies ist die größte Herausforderung für den Rest meines Lebens."