Studie

Bertelsmann-Stiftung:"Beamte sollen in die GKV"

pr/pm
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Die Bertelsmann-Stiftung ist für die Abschaffung der Beihilfe für Beamte. Öffentliche Haushalte würden bis 2030 um 60 Milliarden Euro entlastet, wenn Beamte in die GKV gingen, heißt es in einer Studie dazu. Die Idee stößt - bei Ärzten, der PKV und beim Beamtenbund - auf scharfe Kritik.

Die neue Studie der Bertelsmann-Stiftung rechnet vor, welche finanziellen Auswirkungen es haben würde, wenn die Versicherungspflicht, die für Arbeitnehmer gilt, auf Beamte ausgedehnt würde. Während Bündnis 90/Die Grünen und die SPD sich durch die Studienergebnisse in ihrem Konzept der Bürgerversicherung bestätigt sehen, stößt das Ergebnis bei Ärzten, der PKV und beim Beamtenbund auf vehemente Kritik.

Öffentliche Haushalte könnten bis 2030  60 Milliarden Euro einsparen

Mit dem Wegfall der Beihilfe und einer Ausdehnung der Versicherungspflicht wären von den derzeit rund drei Millionen privat versicherten Beamten und Pensionären zwei Drittel versicherungspflichtig in der GKV, heißt es in der Studie. Weitere 21 Prozent würden aus finanziellen Gründen freiwillig in die GKV wechseln. Insgesamt wären dann neun von zehn Beamten gesetzlich versichert, so die Studie. Den Bund würde das im ersten Jahr um 1,6 Milliarden Euro und die Länder um 1,7 Milliarden Euro entlasten. Bis 2030 würden die öffentlichen Haushalte von Bund und Ländern insgesamt mehr als 60 Milliarden Euro einsparen.

Der vollständige Wegfall der Beihilfe entlaste die öffentlichen Haushalte, dem stünden jedoch Mehrbelastungen in Form von Beitragszuschüssen für gesetzlich und privat versicherte Beamten in geringerem Umfang gegenüber, heißt es in der Studie. Die Länder müssten zwar für ihre gesetzlich versicherten Beamten den üblichen Arbeitgeberbeitrag zahlen, dies wäre aber weniger als das, was sie heute für die steuerfinanzierte Beihilfe ausgeben würden. Je höher der Anteil der Pensionäre unter den Beihilfeempfängern, desto umfangreicher die Einsparungen, da in dieser Altersgruppe die meisten Krankheitskosten anfallen.

"Totengräber des dualen Systems"

Besonders interessant wäre die Abschaffung der Beihilfe für Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, heißt es in der Studie, denn dort gebe es einen besonders hohen Pro-Kopf-Anteil von Beihilfeausgaben. Auswirkungen hätte die Reform auf die Umsätze der Leistungserbringer  - es käme zu massiven Ausfällen, da für privat versicherte Patienten höhere Honorare abgerechnet werden. Massive Auswirkungen ergäben sich auch auf die finanzielle Lage der PKV-Versicherungsunternehmen. Gesetzlich Versicherte würden hingegen profitieren, ihr Beitragssatz könnte um 0,34 Prozentpunkte gesenkt werden.

Scharfe Kritik an der Studie kommt demzufolge auch von der Bundesärztekammer. Das Modell sei nichts anderes als der Totengräber des dualen Krankenversicherungssystems in Deutschland und der Wegbereiter der Einheitskasse, erklärte BÄK-Präsident Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery dazu. Die Autoren hätten sich hier "ein Szenario zurechtgezimmert, das jeglichem rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen  Realitätssinn entbehrt". Unklar sei, was aus den angesparten Altersrückstellungen der Beamten werden solle. Ebenso unklar sei, wie zwei Dritteln der rund drei Millionen Beamten Pflichtbeiträge zur Krankenversicherung auferlegt werden können, ohne dies bei der Besoldung und Versorgung finanziell zu kompensieren.

"Auf Sand gebaut"

Die Studie sei "auf Sand gebaut" und könne schon im Ansatz nicht ernst genommen werden, monierte der Direktor des PKV-Verbandes Volker Leienbach. Die unvollständige Datenauswahl sei augenscheinlich von der Absicht geprägt, zu einem von vornherein gewünschten Ergebnis zu gelangen. Die Vorschläge würden milliardenschwere Verluste für Arztpraxen, Hebammen, Physiotherapeuten und weitere Gesundheitsberufe bringen.

Ablehnung kommt auch vom Deutschen Beamtenbund. Das von Bertelsmann vorgeschlagene Konzept würde nicht nur die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes gefährden und den Wettbewerb auf dem Gesundheitsmarkt zerstören, sondern ignoriere die beamten- und verfassungsrechtlichen Hindernisse und ersetze seriöse Prognostik durch Spekulation und Wunschdenken, erklärte der Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt.

Der SPD-Fraktionsvize Prof. Karl Lauterbach erklärte, die SPD wolle eine Überleitung der Beamten- in die Bürgerversicherung in ihr Wahlprogramm aufnehmen. Er rechne damit, dass der Vorschlag der Bertelsmann-Stiftung bald umgesetzt werde. Maria Klein-Schmeink, Sprecherin für Gesundheitspolitik von Bündnis 90/Die Grünen, betonte, dass die PKV durch die Regelung für Beamte künstlich staatlich alimentiert werde und forderte die Einführung der Bürgerversicherung. Auch der DGB sprach sich für eine Versicherungspflicht der Beamten in der GKV aus. Das sei ein Schutz der Beamten vor den explodierenden Prämienkosten der PKV und diene der Entlastung der öffentlichen Haushalte, so DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.

Die Studie wurde vom Berliner IGES Institut im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung durchgeführt. Die Berechnungen berücksichtigt nicht die von den privat versicherten Beamten angesparten Altersrückstellungen. Auch beamten- und verfassungsrechtliche Fragen, die bei einer Umstellung zu klären wären, waren nicht Gegenstand der Studie.

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