BGH: Schutzimpfungen sind für Kinder angebracht
Im vorliegenden Fall stritten sich die gemeinsam sorgeberechtigen, nicht verheirateten und getrennt lebenden Eltern, ob die fast fünfjährige Tochter, die bei der Mutter lebt, geimpft werden sollte oder nicht.
Während der Vater die Durchführung der von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen altersentsprechenden Schutzimpfungen befürwortete, lehnte die Mutter diese wegen möglicher Risiken und Befürchtungen einer "unheilvollen Lobbyarbeit von Pharmaindustrie und Ärzteschaft" ab. Die Eltern beantragten wechselseitig die Alleinübertragung der Gesundheitssorge.
Das Amtsgericht Erfurt übertrug dem Vater das Entscheidungsrecht über die Durchführung der Impfungen. Die Beschwerde der Mutter blieb im Wesentlichen ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht Jena beschränkte lediglich die Entscheidungsbefugnis des Vaters auf Schutzimpfungen gegen neu Krankheiten, unter anderem gegen Masern, Mumps, Röteln und Keuchhusten.
Die Beschwerde der Mutter dagegen wies der BGH zurück. Nach § 1628 Satz 1 BGB dürfe das Familiengericht, wenn sich die Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer Angelegenheit, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung dem Elternteil übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht werde, urteilten die Richter.
Schutzimpfung keine alltägliche Angelegenheit
Die Durchführung von Schutzimpfungen stelle keine alltägliche Angelegenheit dar, die in die Entscheidungsbefugnis des Elternteils fiele, bei dem sich das Kind aufhalte, sondern eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind. Die Entscheidung, ob das Kind während der Minderjährigkeit gegen eine bestimmte Infektionskrankheit geimpft werden soll, falle im Gegensatz zu Angelegenheiten des täglichen Lebens regelmäßig nur einmal an.
Das OLG habe den Vater mit Recht als besser geeignet angesehen, um über die Durchführung der aufgezählten Impfungen des Kindes zu entscheiden, begründete das Gericht die Entscheidung. Es habe hierfür in zulässiger Weise darauf abgestellt, dass der Vater seine Haltung an den Empfehlungen der STIKO des Robert Koch-Instituts orientiere. Die Impfempfehlungen seien vom BGH bereits als medizinischer Standard anerkannt worden.
Vorbehalte der Mutter rechtfertigen kein Gutachten
Da keine einschlägigen Einzelfallumstände, wie etwa bei dem Kind bestehende besondere Impfrisiken, vorlägen, habe das OLG auf die Impfempfehlungen als vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreifen dürfen. Die von der Mutter erhobenen Vorbehalte, die aus ihrer Befürchtung einer "unheilvollen Lobbyarbeit von Pharmaindustrie und der Ärzteschaft" resultierten, böten keinen Anlass für die Einholung eines gesonderten Sachverständigengutachtens über allgemeine Impfrisiken, bilanzierte der BGH abschließend.
BundesgerichtshofBeschluss vom 3.5.2017Az.: XII ZB 157/16