Interview mit Dr. Friederike S. Bornträger über Veränderungen

Das Gehirn muss mitspielen

sth
Praxis
Wie man sich erfolgreich auf Veränderung einlässt, weiß Dr. Friederike S. Bornträger. Die Psychologin begleitet mit ihrer Innovationsberatung „zukunft zwei“ Organisationen dabei, Dinge neu und anders zu machen.

Frau Dr. Bornträger, warum macht sich beim Thema Veränderung oft ein ungutes Gefühl in uns breit?

Dr. Friederike S. Bornträger: Eine besonders aufschlussreiche Antwort auf diese Frage kommt aus der Neuropsychologie: Unser Gehirn funktioniert grundsätzlich auf dem Prinzip der Vorhersage. Es sagt also auf Basis bisheriger Erfahrungen voraus, was wir wahrscheinlich erleben werden. Erleben wir Bekanntes, stimmt die Realität mit der Vorhersage überein. Wahrnehmung und Verhalten können energiesparend verarbeitet werden – wir fühlen uns gut. Wenn nun aber etwas Neues passiert, muss neu evaluiert und gesteuert werden, mehr Energie wird verstoffwechselt. Das resultierende unangenehmere Gefühl soll unsere Aufmerksamkeit gewinnen, damit wir prüfen, ob sich der Energieaufwand lohnt. Dieses Gefühl lässt aber keinen Schluss auf die Qualität des Neuen zu. Es kann durchweg positiv sein.

Welche Veränderungen fallen uns besonders schwer?

Zum Beispiel solche, die wir nicht verstehen, weil uns Informationen fehlen oder weil wir die Begründung ablehnen. Und Veränderungen, die vermeintlich alle um uns herum abwerten. Denn sich gegen die Gruppenmeinung zu stemmen, kostet extra Kraft und Mut.

Wann im Leben fallen uns Veränderungen besonders schwer?

Da kommen viele Gründe infrage. Es ist oft schwieriger, mit Veränderungen umzugehen, wenn wir erschöpft sind oder unsere Energie für andere Dinge brauchen. Oder, wenn wir der Trauer, dass etwas zu Ende geht, noch nicht genug Raum gegeben haben. Ein weiterer Grund ist, dass uns das Kommende diffus oder konkret Angst macht.

Ist innere Flexibilität gegenüber Veränderungen eine Typfrage?

Die Typfrage ist eine zu starre Sicht auf die Dinge. Es gibt viel zu viele relevante Einflussfaktoren auf Verhalten, wie das Wetter oder die Gesundheit. Wenn wir ernst nehmen, dass unser Gehirn mit Vorhersage operiert, ist mitentscheidend, was die jeweilige Person in Bezug auf Veränderung schon erlebt hat. Hat sie positive Assoziationen oder ruft Veränderung bei ihr Erinnerungen an Verschlechterung, sogar an Gefahr hervor und sie reagiert mit abwehrendem Selbstschutz? Unser Verhalten hat viel mit dem Erlebten und viel mit dem Kontext zu tun, in dem wir uns aktuell befinden.

Was können wir tun, um uns für Neues zu öffnen – als Einzelperson und als Team?

Erstens: Gute Bedingungen schaffen. Veränderungen unter Stress stehen unter einem schlechten Stern. Die mentalen und physischen Ressourcen müssen aufgefüllt sein. Zweitens: Ehrlich sein. Alles hat eine Schattenseite, auch Veränderungen. Wer die verschweigt, macht sie nur größer. Miteinander darüber zu sprechen, wer was aus welchen Gründen als Licht und als Schatten empfindet, ist wichtig. Drittens: Mit dem arbeiten, was ist. Ob Begeisterung oder Ablehnung – gemeinsame Neugier darauf deckt Risiken und Chancen auf und kann ein Team weit bringen.

Das Gespräch führte Susanne Theisen.

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