„Deutschland setzt mit seiner mangelhaften Tabakkontrolle viele Menschenleben aufs Spiel“
Deutschland hat sich als Unterzeichner des WHO-Rahmenübereinkommens zur Tabakkontrolle (FCTC) verpflichtet, wirksame Maßnahmen zur Tabakprävention und -kontrolle umzusetzen. Doch erst vor wenigen Tagen kritisierte die WHO das aktuelle Verhalten der deutschen Gesundheitspolitik. Rüdiger Krech, WHO-Direktor für den Bereich Gesundheitsförderung, betonte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa), dass Deutschland im Kampf gegen den Tabakkonsum eines der Sorgenkinder der WHO und eines der Schlusslichter in Europa sei.
Warum darf man in öffentlichen Gebäuden in Deutschland noch rauchen?
Krech kritisierte, dass die letzten Preiserhöhungen für Zigaretten unterhalb der Inflationsrate lagen und Rauchen dadurch im Endeffekt billiger, nicht teurer werde. Zudem sei das Rauchverbot in Gaststätten ein Flickenteppich und das Werbeverbot werde nur mangelhaft umgesetzt.
Weder bundesweit noch in einem der 16 Bundesländer sei das Rauchen in allen relevanten Einrichtungen gesetzlich vollständig verboten, darunter in Gesundheits- und Bildungseinrichtungen, Universitäten und öffentlichen Gebäuden, an Arbeitsplätzen, in Restaurants und Kneipen und im öffentlichen Verkehr.
Das Aktionsbündnis Nichtrauchen (ABNR), bestehend aus 20 medizinischen Fachgesellschaften und Spitzenorganisationen, fordert ab sofort mehr Tabakkontrolle in Deutschland durchzusetzen. Dazu zählen ein konsequenter Nichtraucherschutz, Förderung von Hilfsangeboten zum Rauchstopp, verbesserter Jugendschutz sowie ein Aromenverbot für E-Zigaretten:
Jährliche deutliche Erhöhung der Tabaksteuer für konventionelle Zigaretten und E-Zigaretten: Das ABNR fordert die regelmäßige Anhebung der Steuern auf Tabak- und Nikotinprodukte, um den Konsum zu erschweren und die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen.
Umfassender Schutz vor Passivinhalation für alle: Es wird ein wirksamer Schutz vor Passivinhalation in allen Lebensbereichen gefordert, unabhängig vom jeweiligen Produkttyp.
Aufklärungskampagnen zu Risiken von Tabak- und neuen Nikotinprodukten: Das ABNR setzt sich für umfangreiche und zielgruppengerechte Aufklärung über die Gesundheitsgefahren durch Tabak und Nikotin ein, insbesondere auch für Jugendliche.
Vollständiges Verbot von Sponsoring und Marketing für Tabak- und Nikotinprodukte, gerade in Online-Medien: Werbung und Sponsoring sollten für diese Produkte vollständig untersagt werden, um insbesondere junge Menschen vor dem Einstieg in den Konsum zu schützen.
Einheitsverpackungen für alle Tabak- und Nikotinprodukte: Standardisierte, unattraktive Verpackungen sollten die Produkte weniger ansprechend machen und den Markenwettbewerb eindämmen.
Verbot von Aromastoffen in E-Zigaretten: Das ABNR fordert ein Verbot von Aromen, da diese besonders für Jugendliche attraktiv sind und den Einstieg in den Konsum erleichtern.
Verbot von Einweg-E-Zigaretten: Einwegprodukte sollten verboten werden, da sie umweltschädlich sind und den Konsum fördern.
Kostenfreie Angebote der Tabak- und Nikotinentwöhnung für Rauchende in der Gesundheitsversorgung: Entwöhnungsprogramme sollten flächendeckend und kostenlos angeboten werden, um Rauchenden den Ausstieg zu erleichtern.
„Zudem müssen schnellstmöglich die EU-Tabakproduktrichtlinie und die Tabakwerberichtlinie überarbeitet werden, um neue Produkte wie Tabakerhitzer und E-Zigaretten stärker zu regulieren und die Steuerpflicht auszuweiten“, sagt Prof. Sabina Ulbricht, Vorstandsvorsitzende des ABNR.
Höhere Steuern und standardisierte Verpackungen wirken
Ulbricht betont, dass die Wirksamkeit bewährter Maßnahmen wie höhere Steuern und standardisierte Verpackungen mit Warnhinweisen durch industrieunabhängige Daten gestützt werde. Befürchtungen der Industrie, dass durch einen wachsenden Schwarzmarkt für Tabak- und Nikotinprodukte die Steuereinnahmen sinken, weist sie als nicht haltbar zurück.
Daten aus Großbritannien würden zeigen, dass der Ausfall der Tabaksteuer – verursacht durch den Konsum von Schwarzmarktprodukten – in den vergangenen acht Jahren stabil bei circa 14 Prozent geblieben ist. „Geltende Abmachungen zur Tabakkontrolle müssen jetzt endlich verbindlich umgesetzt werden, damit wir mehr Menschenleben schützen und das Gesundheitssystem entlasten“, so Ulbricht.
Das Aktionsbündnis Nichtrauchen e.V. (ABNR) ist ein Zusammenschluss von 20 bundesweit tätigen medizinischen Fachgesellschaften, Spitzenorganisationen der ärztlichen Selbstverwaltung und Gesundheitsorganisationen Deutschlands.