"Die Debatte schreckt Hebammen-Nachwuchs ab"
Für die Berufshaftpflicht müssen Hebammen immer tiefer in die Tasche greifen. Was bedeutet das für Ihren Berufsstand?
Chluppka: Es wird immer weniger Hebammen geben. Vor dem Hintergrund solcher Debatten überlegen sich junge Frauen zweimal, ob sie Hebamme werden oder nicht. Viele erfahrene Hebammen haben schon aufgegeben oder denken darüber nach, weil sie die Versicherungsprämien nicht mehr bezahlen können. Einige junge Hebammen orientieren sich um und beginnen zum Beispiel ein Studium.
Die Berufshaftpflichtversicherung wird immer teurer, ohne dürfen sie aber nicht arbeiten. Vor dem Aus stehen vor allem Freiberuflerinnen, die Geburtshilfe zu Hause, im Geburtshaus oder als Beleghebammen in Kliniken anbieten. Sind sie nicht versichert, dürfen sie keine Schwangeren betreuen, nicht bei der Geburt helfen und auch die Mütter nicht weiter unterstützen.
Damit dürfte es vor allem auf dem Land eng werden, oder?
Fernab der Ballungszentren droht eine Unterversorgung. In Sachsen-Anhalt gibt es aktuell in den dünn besiedelten Landkreisen Salzwedel und Stendal zusammen weniger Hebammen als in Magdeburg. Wenn Frauen sich dort bewusst für eine Hausgeburt entscheiden, ist gerade hier, wo die Kliniken oft sehr weit auseinanderliegen, eine Hebamme sehr wichtig. Ist aber keine da, werden die Frauen indirekt gezwungen, ihr Kind in einem Krankenhaus zur Welt zu bringen, wo angestellte Hebammen sich um sie kümmern. Damit ist das Recht auf die Wahlfreiheit des Geburtsorts in Gefahr.
Angestellte Hebammen in Krankenhäusern betrifft die Geldproblematik also nicht, weil sie über den Arbeitgeber versichert sind?
Das Problem betrifft eindeutig nicht nur den außerklinischen Bereich. In vielen Krankenhäusern ist der Schutz nur dünn und die Hebammen müssen sich nachversichern. Das geht über die Gruppenhaftpflicht, die die Verbände mit den Versicherern ausgehandelt haben. Sie bieten eine zusätzliche Deckung. Auch eine Beleghebamme, die ja mit einer oder mehreren Geburtskliniken einen Belegvertrag abgeschlossen hat, hat hohe Versicherungskosten zu tragen. Muss sie zum Beispiel ihre Arbeit aufgeben, müssten die Klinikhebammen deren Kundinnen übernehmen. Das ist unrealistisch.
Nennen wir doch mal konkrete Zahlen. Was kostet es eine Hebamme im Jahr, sich bei der Geburtshilfe abzusichern?
Etwa 5.100 Euro. Hebammen sind keine Großverdiener. Ihr Stundenlohn liegt im Schnitt bei etwa 8,50 Euro. Geburtshilfe gehört aber zur Grundversorgung.
Petra Chluppka ist seit 1982 freiberufliche Hebamme für Hausgeburten. Sie ist 51 Jahre alt, hat drei Kinder und arbeitet in Halle. 1992 hat sie in der Saalestadt das erste Geburtshaus mitgegründet. Frauen in dieser ganz besonderen Phase ihres Lebens begleiten zu dürfen, empfinde sie als Privileg, sagt sie. Ende 2010 hat sie den Vorsitz im Hebammenverband Sachsen-Anhalt übernommen.
Interview: Sabrina Gorges, dpa