Die neuen Azubis sind da!
zm-online: Heute ist für viele angehende ZFA der erste Ausbildungstag. Was raten Sie Zahnärzten?
Dr. Christian Bittner:
Aller Anfang ist schwer! Das gilt natürlich für beide Seiten. Daher sollte der Praxisinhaber die Zeit vor dem ersten Ausbildungstag nutzen, um die ohnehin notwendigen Vorbereitungen frühzeitig zu treffen. Ausbildung ist Teamwork, Delegation von Ausbildungsanteilen erleichtert es dem Ausbildenden, den Blick auf das große Ganze zu behalten.
Aller Anfang ist schwer!
Im Team sollten vor dem ersten Tag diese delegierten Verantwortlichkeiten im Mittelpunkt stehen. Wer ist wofür verantwortlich, welche regelmäßig wiederkehrenden Arbeiten sollen von wem, wann erledigt sein (Beispiel: Führung des Berichtshefts und dessen Vorkorrektur).
Darüber hinaus sollten die Ausbildungsziele der ersten drei bis vier Wochen besprochen und bei den Verantwortlichen erläutert sein. Diese Ziele könnten zum Beispiel die Einarbeitung in die täglichen Arbeiten zu Beginn und Ende der Sprechstunde sein („Was muss morgens vor- und abends nachbereitet werden?“), aber auch erste patientenbezogene Tätigkeiten, wie Orientierung am Körper, Befundaufnahme und Zimmervorbereitung von einfachen Terminen.
Die Arbeitswelt ist für den Azubi meist Neuland
Bedenken sollte man, dass die Arbeitswelt für den Auszubildenden in der Regel Neuland ist, daher sollte man anfänglich das Tempo geringer halten und nach den „ersten erfolgreichen Schritten“ steigern.
Welche Regeln gelten für den Azubi in Bezug auf das äußere Erscheinungsbild?
Michael Behring:
Auszubildende sollten bedenken, dass es für den ersten Eindruck keine zweite Chance gibt. Aus diesem Grund sollte Wert auf ein gepflegtes Äußeres gelegt werden. Im Hinblick auf das Make-Up gilt im Allgemeinen die goldene Regel: „Weniger ist Mehr!“.
Instrumente zur Führung von Auszubildenden sind Lob und konstruktive Kritik: Wie viel ist gut für den neuen Azubi?
Bittner
: Eigentlich kann man hier pauschal sagen: So viel wie von beidem nötig und beides nicht übertreiben. Das ergibt sich dann aus der ganz individuellen Situation und sollte jeweils zeitnah erfolgen. Man muss sich in diesem Zusammenhang allerdings auch mit den Unterschieden in Erziehung und Auftreten der verschiedenen Generationen auseinandersetzen.
Die Generation Z muss das Akzeptieren von Vorgesetzten lernen!
Die meisten Praxisinhaber entstammen der Generation der Babyboomer (geboren 1955 bis 1964) beziehungsweise der Generation X (geboren 1965 bis 1979). Diese akzeptieren aus ihrer Erziehung Hierarchien und damit eine Leitfigur im Sinne eines Chefs wesentlich eher als die zwischen 1994 und 2010 geborene Generation Z, die den überwiegenden Teil unserer Auszubildenden stellt. Diese wurde familiär als auch schulisch überwiegend „auf Augenhöhe“ erzogen und muss das Akzeptieren von Vorgesetzten sowie deren Anweisungen teilweise zum ersten Mal hier in der Arbeitswelt erfahren und erlernen.
Sie empfehlen, Ziele zu setzen. Welche Schritte sollte man mit dem Azubi im ersten Halbjahr festlegen?
Bittner
:
Im ersten Halbjahr geht es darum, das der Auszubildende im Team ankommt, sich an den ungewohnten Arbeitsalltag mit all seinen Facetten gewöhnt und Zutrauen zu den eigenen Möglichkeiten bekommt. Dies gelingt vorrangig durch das Verbessern routinierter Arbeitsabläufe.
Das erste Halbjahr gilt: Erstmal ankommen!
Grundregeln, wie höfliches Empfangen, Begleiten und Verabschieden des eigentlichen „Geldgebers“, des Patienten, sollten zwar selbstverständlich sein, (nicht nur) anfänglich sollte man hier aber durch entsprechende Vorgaben seiner Führungsrolle gerecht werden. Themen könnten sein: „Wie begrüße/verabschiede ich einen Patienten?“, „Wie melde ich mich am Telefon?“, „Was bedeutet Smalltalk in der Behandlungsbegleitung?“.
Ritualisierte Abläufe, wie Zimmervor- und -nachbereitung, Vorbereitung von einfachen Behandlungssequenzen (Befundung, Füllungslegung ...) erleichtern die Erfassung von Grundsätzlichem im Arbeitsalltag und bilden den Grundstock für spätere schwierigere Arbeitsabläufe (komplexe Behandlungen, Operationsvorbereitungen, korrekte Dokumentation).
Nicht zuletzt möchte ich an das zeitnahe Führen des Berichtshefts und die zugehörigen Tätigkeitsberichte erinnern - letztlich ist dessen korrekte Bearbeitung Beweis der Ausbildungsleistung und Voraussetzung für die Prüfungszulassung.
Welche Mitarbeiter kann man von Beginn an in die Ausbildung einbinden, zum Beispiel als Person des Vertrauens?
Bittner
:
Wie in meinen vorhergehenden Antworten zu sehen, ist die Ausbildung vom ersten Tag an mit einer Menge zusätzlicher Aufgaben verbunden. Daher möchte ich aus Ihrem „Kann“ ein „Muss“ machen. Ein die Ausbildung begleitender, überwachender und letztlich auch Delegationsaufgaben übernehmender Mitarbeiter ist hierfür zur Schonung der eigenen Ressourcen unerlässlich.
Lust am Lehren und Weitergeben
Bei der Auswahl sollte man nach dem Ausbildungsstand des Mitarbeiters ebenso schauen, wie nach seiner charakterlichen Eignung und seinen methodischen Fähigkeiten. Der Mitarbeiter sollte Lust auf das Weitergeben des eigenen Erfahrungsschatzes haben, bei auftretenden Schwierigkeiten eine vermittelnde Art und mögliche Alternativmethoden des Lehrens „im Köcher“ haben.
Darüber hinaus sind ein gutes Standing innerhalb des bestehenden Teams und ein guter, jederzeit belastbarer „Draht“ zum Praxisinhaber sicherlich von Vorteil. Ebenso braucht es einen ausgeprägten Führungswillen und ein gutes Selbstbewusstsein, um bei Schwierigkeiten mit guten Argumenten den Praxiswillen/-die Praxisziele verständlich machen zu können. Der Mitarbeiter sollte in der Lage sein ein Kritikgespräch auch ohne Einbeziehung des Chefs in angemessener Form führen können.
EIN Ansprechpartner sorgt für Klarheit
Nicht zuletzt sollte gerade in der Anfangszeit nur ein Mitarbeiter Ansprechpartner sein. Das verhindert Fehlinformation und -interpretation und sorgt beim Auszubildenden für Klarheit. Oder wie der Volksmund so treffend sagt: „Viele Köche verderben den Brei".
Welche Informationen sollten von der Berufsschule eingeholt werden?
Behring
: Rechtzeitig vor Ausbildungsbeginn sollte der Ausbilder Kontakt mit der zuständigen Berufsschule aufnehmen. Die Berufsschulen sind unsere Partner im dualen Ausbildungssystem. Falls noch nicht bekannt, sollten die Anmeldemodalitäten geklärt und der erste Schultag in Erfahrung gebracht werden. Außerdem kann man im Rahmen dieses Gesprächs auch der oder die Berufsschultag/e erfragen, was bei der Einsatzplanung sehr hilfreich ist.
Auch nach erfolgtem Ausbildungsbeginn sollte Kontakt mit der Schule gehalten werden. Der oder die Klassenlehrer/in ist ein wichtiger Ansprechpartner, wenn es um die Entwicklung des Azubis geht. Im Rahmen von Ausbildersprechtagen kann der Lernfortschritt oder eventuelle Probleme besprochen werden.
Welchen Service können ausbildende Zahnärzte von den Zahnärztekammern erwarten?
Behring
:
Die Förderung der Ausbildung durch Beratung und Information von Azubis und Ausbildungspraxen ist eine Kernaufgabe der Kammern. Gemäß den Vorgaben des Berufsbildungsgesetzes überwachen die Kammern die Berufsausbildung, führen das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse und nehmen die Zwischen- und Abschlussprüfung ab. Aber in erster Linie sind die Kammern im Hinblick auf die Ausbildung auch Dienstleister und Berater.
Kammern sind auch Dienstleister und Berater
Zur Beilegung von ernsteren Streitfällen unterhalten die Kammern auch spezielle Ausschüsse, die auf eine außergerichtliche Einigung abzielen. In diesen Ausschüssen sind sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer vertreten. Eine weitere Aufgabe der Kammern liegt in der Werbung für die Ausbildung beziehungsweise das Berufsbild der Zahnmedizinischen Fachangestellten. Dies geschieht durch die Teilnahme an Berufsmessen oder durch die Erstellung von Berufsinformationsbroschüren oder Werbevideos. Schulungsangebote für Ausbildende und Azubis runden das Dienstleistungsspektrum der Kammern ab.
Ausbilden stärkt das soziale Image der Praxis. Wie kann man das sichtbar machen?
Behring
: Praxen, die in Ausbildung des Nachwuchses investieren, sichern ihren eigenen Fachkräftebedarf und machen sich so unabhängig vom Arbeitsmarkt. Ausbildungsbetriebe genießen in der öffentlichen Wahrnehmung ferner ein hohes Ansehen und erfahren so einen Imagegewinn.
Gemäß dem Motto „Tue Gutes und sprich darüber“ sollten Praxen Ihre Ausbildungsaktivitäten auch nach Außen kommunizieren. So kann zum Beispiel eine Stellenanzeige für künftige Azubis in der Praxis, etwa im Wartezimmer, ausgelegt werden. Einerseits kann man so unter seinen Patienten vielleicht einen Azubi finden, andererseits wird so kommuniziert, dass man ausbildet.
Das Internet ist die Informationsquelle überhaupt!
Eine solche Anzeige sollte unbedingt auch auf der eigenen Homepage platziert werden. Für die Fachkräfte von morgen ist das Internet die Informationsquelle überhaupt. In vielen Praxen ist es üblich, dass es einen Aushang mit den Mitarbeitern gibt. Neben einem Foto mit Namen wird häufig auch der Aufgabenbereich benannt. Auch hier kann die Auszubildende ganz selbstverständlich mit aufgeführt werden. Gleiches gilt für eine derartige Darstellung auf der Homepage.
Aber auch im Praxisalltag kann dezent durchgestochen werden, dass man ausbildet. Assistiert der Azubi während der Behandlung und erklärt der Ausbilder hierbei die verschiedenen Arbeitsschritte, kann dies vorab dem Patienten mitgeteilt werden. Wird dann noch die gute Assistenz in Gegenwart des Patienten gelobt, ist der gute Eindruck fast schon garantiert.
Wie lautet Ihr Statement zum Abschluss
?
Behring
: Ausbildung macht Arbeit, aber auch eine Menge Freude. Es ist eine Investition in die Zukunft. Wer heute nicht ausbildet, darf sich morgen nicht wundern, wenn es keine (bezahlbaren) Fachkräfte mehr gibt.