Ein Plädoyer für mehr Patientenwohl
Das EbM-Netzwerk führt eine Statistik der EU-Kommission an, wonach die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland nur bei 80,7 Jahren liege, obwohl Deutschland 11,2 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Gesundheit ausgebe - das sei der Spitzenwert in der EU.
Zum Vergleich: In der Schweiz haben Männer die höchste Lebenswartung. Diese beträgt fast 4 Jahre mehr als in Deutschland. Spanien hat die höchste Lebenswartung für Frauen, diese beträgt 3 Jahre mehr als in Deutschland.
Diese Daten aus dem europäischen Vergleich stehen damit im Widerspruch zu den oft in der Öffentlichkeit kolportierten Lobpreisungen über das deutsche Gesundheitssystem, erklärt das Netzwerk. Auch der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen den niedrigsten und höchsten Einkommensgruppen in Deutschland sei eklatant. Für Frauen beträgt er etwa acht Jahre und in Bezug auf Lebensjahre in sehr gutem oder gutem allgemeinen Gesundheitszustand sogar 13 Jahre. Als wichtige Ursache dafür benennt das Netzwerk die mangelnde Bildungsgerechtigkeit, die eine wesentliche Voraussetzung für gesundheitliche Chancengerechtigkeit darstellt. Deutschland liegt auch hier nur im unteren Mittelfeld der Industrieländer.
Ursache: Überdiagnostik und Übertherapie
Als eine Ursache der mangelnden Kosten-Effektivität des deutschen Gesundheitssystems führt das Netzwerk die einschlägig beschriebene weit verbreitete Überdiagnostik und Übertherapie an, wie beispielsweise im Hinblick auf bildgebende Diagnostik oder Eingriffe an der Wirbelsäule. Der Schaden liege nicht nur in der Mengen- und Kostenausweitung, sondern vor allem in der Gefährdung des Patientenwohls.
Das EbM-Netzwerk unterstützt mit seiner Stellungnahme nachdrücklich eine Initiative der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Fachgesellschaften (AWMF) vom letzten Dezember. Die AWMF hatte Maßnahmen für eine wissenschaftlich begründete, patientenzentrierte und ressourcenbewusste Versorgung formuliert. An erster Stelle hatte die AWMF gefordert, Patienteninformation und partizipative Entscheidungsfindung konsequent zu implementieren.