Einblicke in die Rechtsmedizin
Der Beruf des Rechtsmediziners wird in der Öffentlichkeit meist mit Obduktionen verbunden - was gehört denn noch alles dazu?
Schmidt: Obduktionen sind natürlich schon ein zentrales Thema. Aber wir beschäftigen uns zum Beispiel auch mit den Verletzungen von lebenden Gewaltopfern, wie zum Beispiel bei Kindesmissbrauch. Zu den Aufgaben der Rechtsmedizin gehören auch Untersuchungen von Blut auf Alkohol, Medikamentenwirkstoffe und Betäubungsmittel.
Gibt es derzeit spannende Entwicklungen bei den Untersuchungsmethoden?
Da gibt es große Fortschritte. So wird zum Beispiel Computer- und Magnetresonanztomografie nun auch bei der Untersuchung von Leichen eingesetzt. Immer wichtiger werden auch die physikalischen Untersuchungen. So haben wir etwa mit einer Computersimulation berechnet, ab welcher Krafteinwirkung ein Baseballschläger zerbricht, wenn er auf einen Kopf geschlagen wird. Immer präziser wird der Nachweis von Betäubungsmitteln. Da gibt es allerdings immer wieder neue Designerdrogen.
Rechtsmediziner spielen auch in vielen Fernsehkrimis eine Rolle. Wie realistisch sind diese Darstellungen?
Lassen Sie es mich so formulieren: Es gibt einige Berührungspunkte, aber auch sehr deutliche Unterschiede. Rechtsmediziner ermitteln zum Beispiel nicht. Und Kollegen wie etwa der Boerne aus dem Tatort Münster mit seiner exzentrischen Persönlichkeit sind auch eher selten. Aber ich schaue mir das gerne an - es hat einen hohen Unterhaltungswert.
In welchen Fällen wird denn eine Obduktion von den Behörden angeordnet?
Zunächst einmal muss sich der Arzt nicht in der Lage sehen, einen natürlichen Tod zu bescheinigen. Dann werden die Behörden eingeschaltet, aber es folgt nicht immer eine Obduktion. Das muss schon verhältnismäßig sein, schließlich ist so etwas für die Angehörigen hart. In unserem Bereich gibt es etwa in jedem vierten Todesermittlungsverfahren eine Sektion, das sind knapp 200 jährlich.
Ekeln Sie sich dabei noch?
Ich mache den Beruf seit 26 Jahren und bin heute noch zu Beginn jeder Sektion in einem Zustand höchster Anspannung. Es wird auch niemand Rechtsmediziner, weil er mit Leidenschaft Leichen im fortgeschrittenen Verwesungszustand obduziert. Den Ekel unterdrücke ich. Die Konzentration ist hoch, dadurch nehme ich die Gerüche nach einer Zeit nicht mehr so wahr. Man gewöhnt sich ja auch etwas daran. Außerdem habe ich eine professionelle Distanz - ohne sie kann man diesen Beruf nicht so lange ausüben. Erschüttert bin ich, wenn ich später bei der Gerichtsverhandlung das Leid der Hinterbliebenen sehe.
Wie wird man denn Rechtsmediziner?
Rechtsmediziner sind Ärzte. Sie haben Medizin studiert und dann eine Facharztausbildung gemacht - wenn es gut lief innerhalb von elf Jahren. Ich selbst bin durch mehrere Zufälle da reingestolpert. Und auch wenn es makaber klingt: Der Job macht mir Freude.
Das Telefoninterview führte Sabine Maurer von dpa. Peter Schmidt ist Leiter der Rechtsmedizin im saarländischen Homburg.