Umfrage

EU-Abschlüsse ohne Patientenkontakt

dg
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Ein Zahnmedizinstudium abschließen ohne jemals praktisch gearbeitet zu haben? Zehn Prozent aller Absolventen in der EU haben in ihrem Studium keinen Patientenkontakt gehabt, wie eine Befragung ergibt.

Insgesamt 23.300 Absolventen aus 26 EU-Staaten wurden von der European Dental Students Association (EDSA) 2015 anonym befragt, etwa 1.000 junge Zahnärzte aus 19 Ländern antworteten.

Die Befragung im Rahmen einer Doktorarbeit der Universität Rennes ergab, dass praktische Behandlungen, wie etwa Prothetik oder Endodontie, unterschiedlich oft durchgeführt wurden: Jeder dritte Student hatte in seinem Studium noch nie einen Zahn mit einer Krone versorgt. Fast jeder zweite hat noch nie eine Wurzelbehandlung am Patienten durchgeführt und ein Drittel hat keine Erfahrungen mit medikamentösen Behandlungen.

Trotz aller Mängel in der praktischen Ausbildung sind aber 75 Prozent der Abgänger überzeugt, die Hälfte der 34 abgefragten Behandlungen selbstständig durchführen zu können.

Es sei es nicht "Zweck der Untersuchung, mit dem Finger auf ein Land oder eine Universität zu zeigen", noch viel weniger sollen ausländische Zahnärzte stigmatisiert werden, kommentiert Studienautor Marco Mazevet die Ergebnisse. Vielmehr sollen Universitäten eine gleichwertige Lehre sicherstellen, so dass Studenten eine qualitativ hochwertige Ausbildung erhalten.

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das Problem: die EU-Berufsanerkennungsrichtlinie

Seit 2005 gibt es die EU-Berufsanerkennungsrichtlinie (2005/36/EG). Sie sieht vor, dass die EU-Mitgliedsstaaten die jeweiligen Berufsabschlüsse grundsätzlich als gleichwertig anerkennen und den Berufsangehörigen freien Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt gewähren. In Abschnitt 4, Artikel 34, heißt es: "Die Zulassung zur zahnärztlichen Grundausbildung setzt den Besitz eines Diploms oder Prüfungszeugnisses voraus, das in einem Mitgliedstaat für das betreffende Studium die Zulassung zu den Universitäten oder den Hochschulen mit anerkannt gleichwertigem Niveau ermöglicht."

Studenten müssen "mindestens 5.000 Stunden theoretische und praktische Ausbildung auf Vollzeitbasis" absolvieren. Genau das ist das Problem: Es ist nicht genau definiert, wie viele von den 5.000 Stunden in die theoretische beziehungsweise praktische Ausbildung fließen sollen.

Wie Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer erläutert, will die EU-Kommission den Sachverhalt prüfen, da es sich um einen Verstoß gegen die in der Berufsanerkennungs-Richtlinien genannten Mindestvorgaben für die zahnärztliche Ausbildung handeln könnte.

"Es ist auf jeden Fall ein weiteres Argument für die Notwendigkeit einer klaren Regelung der Anerkennung von Abschlüssen aus dem Ausland, auch wenn die EU Länder ja grundsätzlich automatisch 'safe' und damit anerkannt sind", sagte Oesterreich auf zm-Nachfrage. Das EU-Recht schreibe insoweit klar vor, dass auch praktische Ausbildung zu erfolgen habe. Sonst könnte es sich möglicherweise um einen Verstoß gegen europarechtliche Vorgaben handeln. Oesterreich hält es für sinnvoll, zu erörtern, wie gegebenenfalls Defizite dieser Absolventen ermittelt werden könnten.

Deutschland steht trotz allem gut da

"Die deutsche Zahnmedizin ist in diesem Zusammenhang und im europäischen Vergleich nach wie vor gut aufgestellt. Auch, wenn die Hochschulen darüber klagen, nicht ausreichend Patienten für die Ausbildung zu besitzen, ist der Stellenwert der praktischen Ausbildung sehr hoch", erklärte Oesterreich. Auch unter den Bedingungen einer neuen Approbationsordnung gelte es, dies zu sichern.

Marco Mazevet, Évaluation de la pratique clinique dans le cursus des études en odontologie au sein de l’Union Européenne, Université de Rennes,Doktorarbeitveröffentlicht im Mai 2016.

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