EuGH soll Anspruch auf kostenlose Kopie von Patientenakten klären
Nach deutschem Recht müssen die Patienten für eine Kopie ihrer Patientenakte die Kosten erstatten. Gestützt auf die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hatte aber bereits 2020 das Landgericht Dresden anders entschieden.
Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat nun einen Streitfall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Klärung vorgelegt. Der Kläger verlangt von seiner Zahnärztin die unentgeltliche Herausgabe einer Kopie sämtlicher bei ihr existierender, ihn betreffender Krankenunterlagen. Er will klären, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, für den sie haften muss.
Ähnlich wie in einem anderen Fall schon das Landgericht Dresden haben das Amtsgericht Köthen und das Landgericht Dessau-Roßlau dem Patienten eine kostenlose Kopie der Unterlagen zugesprochen. Dies stehe ihm nach der DSGVO zu. Auch der BGH neigt zu dieser Ansicht. Er sieht aber offene Fragen, die nur der EuGH in Luxemburg klären kann.
Die Kopie kostet 30 bis 50 Cent je Seite
Nach deutschem Recht (§ 630g BGB) könnten Patienten eine Kopie oder auch eine „elektronische Abschrift“ der Patientenakte verlangen. Dies sei so zu verstehen, dass die Patienten hier ein Wahlrecht haben, so der BGH. Für die Kopie müssten sie dann aber die Kosten erstatten. Abgerechnet wird üblich nach Seiten, meist mit 30 bis 50 Cent je Seite.
Ein Anspruch auf kostenlose Kopien könne sich aber aus der DSGVO ergeben. Danach müsse der für die Datensammlung Verantwortliche eine erste Kopie der personenbezogenen Daten kostenlos zur Verfügung stellen. Bislang ungeklärt ist nach dem Karlsruher Beschluss aber, ob dieser Anspruch hier greift. Denn das Auskunftsrecht der DSGVO leite sich aus dem Anspruch auf eine datenschutzrechtliche Information und Prüfung ab. Der EuGH soll daher klären, ob ein Anspruch auf kostenlose Auskunft auch bei einem „anderen – datenschutzfremden, aber legitimen – Zweck“ besteht, hier die Prüfung arzthaftungsrechtlicher Ansprüche.
Rechtfertigt der Aufwand für Ärzte die Kostenpflicht?
Offen ist laut BGH auch, ob der Schutz der Ärzte und Zahnärzte vor zu vielen der mit hohem Aufwand verbundenen Anfragen die Kostenpflicht rechtfertigen kann. Gegebenenfalls könnten dies die Gerichte je nach Einzelfall entscheiden, schlagen die Karlsruher Richter vor. Zudem wollen sie auch wissen, ob sich ein kostenloser Anspruch nur auf die persönlichen Daten selbst beziehen würde, oder auf alle Unterlagen, die persönliche Daten enthalten. Ersteres würde umfangreiches Herausschreiben erfordern, Letzteres käme einer Kopie der gesamten Patientenakte gleich.
Nach der derzeitigen Verfahrensdauer beim EuGH ist mit einem Urteil erst in der zweiten Jahreshälfte 2023 zu rechnen.
Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2022,schriftlich veröffentlicht am 06. Mai 2022Az.: VI ZR 1352/20