Fest zugebissen hätte er sich den Kiefer ausgerenkt!

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Zahnmedizin
Der Frühmensch Australopithecus sediba hatte weder Kiefer noch Zähne, die an eine harte Nahrung angepasst waren. "Bei festem Zubeißen hätte er sich den Kiefer ausgerenkt", sagt US-Forscher David Strait über den zwei Millionen alten Fund.

"Bei den meisten Australopithecinen sind Kiefer, Zähne und Gesichter erstaunlich angepasst, so dass sie Nahrung erschließen konnten, die sehr schwer zu öffnen oder zu kauen war. Unter anderem konnten sie sehr effizient enorme Beißkräfte entwickeln", sagt David Strait von der Washington University in St. Louis/USA. "Der Australopithecus sediba hatte dagegen bezüglich seiner Beißfähigkeiten starke Einschränkungen: Bei festem Zubeißen hätte er sich den Kiefer ausgerenkt". 

"Die Australopithecinen konnten enorme Beißkräfte entwickeln"

Der originale fossilisierte Schädel, der 2008 nahe Johannesburg in Südafrika gefunden wurde, konnte mithilfe eines CT digitalisiert werden. Dann wurden ähnliche Verfahren angewandt wie bei Flugzeugen, Autos oder Maschinenteilen, wenn diese von Ingenieuren auf ihre Festigkeit oder Verformbarkeit getestet werden.

"Die traditionellen Methoden der Anthropologie mit Gleitzirkel und Messglas wurden längst abgelöst durch die Verfahren der 'Virtuellen Anthropologie', bei der dreidimensionale Objektdaten mit ausgefeilten mathematisch-statistischen Methoden analysiert werden", erklärt Gerhard Weber vom Department für Anthropologie der Universität Wien. Die in Wien entwickelten Methoden zur Vermessung der Geometrie von Schädeln und anderen Objekten wurden auch in dieser Studie eingesetzt.

"Ernährung ist der Schlüssel zum Evolutionsverständnis"

Australopithecinen tauchen in der Fossilgeschichte vor ungefähr vier Millionen Jahren auf. Obwohl sie bereits einige menschliche Merkmale haben, wie die Fähigkeit aufrecht auf zwei Beinen zu gehen, fehlen ihnen andere charakteristische Eigenschaften: ein großes Gehirn, ein flaches Gesicht mit kleinen Kiefern und Zähnen und der erweiterte Gebrauch von Werkzeugen. Heutige Menschen der Gattung Homo sind mit großer Wahrscheinlichkeit Abkömmlinge eines australopithecinen Vorfahren.

Australopithecus sediba ist einer der Kandidaten, der entweder unser direkter Ahne war oder zumindest einem solchen ähnlich. Die neue Studie liefert weitere Hinweise dafür, dass Ernährung im Kontext evolutionärer Anpassungen ein bedeutender Faktor war.

"Wir modernen Menschen haben relativ gesehen einen sehr kleinen Kauapparat"

"Homo, und besonders wir moderne Menschen, haben relativ gesehen einen sehr kleinen Kauapparat, weil wir uns auf weichere und energiereichere Nahrung umgestellt haben, und auch Verfahren zur Zubereitung entwickelt haben", erklärt Weber weiter. "Ein guter Anteil von Fleisch in der Ernährung und die Zerkleinerung mithilfe von Werkzeugen und schließlich das Kochen von Nahrung machte einen mächtigen Kauapparat überflüssig."

Die evolutionären Strategien gingen also in der Zeit der Entstehung von Homo auseinander. Während der eine Zweig von Australopithecinen noch mächtigere Kiefer und Zähne entwickelte, reduzierte der andere Zweig (Homo) diese Merkmale und entwickelte ein größeres Gehirn und fortschrittlicheren Werkzeuggebrauch.

Ob Australopithecus sediba hier eine ausgestorbene Variante darstellt oder zu uns führt, ist noch unklar, aber er zeigt immerhin, dass auch bei manchen Australopithecinen ein Reduktionstrend bemerkbar ist. Obwohl Australopithecus sediba wohl gelegentlich noch sehr harte Nahrung zu sich nahm - das zeigen einige Spuren an den Zähnen -, war er sicher nicht mehr gut angepasst daran, dauerhaft hohe Beißkräfte zu entwickeln. Interessanterweise zeigt er auch eine weiter entwickelte fingerfertige Hand. "Vielleicht ein Hinweis darauf, dass dieser späte Australopithecine schon recht häufig Werkzeuge benutzte, um seine Nahrung aufzuschließen", spekuliert Weber.

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