Hausbesuche in der Regelversorgung sind deutlich effizienter
Der Entwurf sieht vor, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) künftig rund um die Uhr sowohl telemedizinische Leistungen als auch einen aufsuchenden Hausbesuchsdienst bereitstellen müssen, wenn eine sofortige Behandlung medizinisch erforderlich ist. Ziel ist es, Pflegebedürftige und immobile Patientinnen und Patienten besser zu erreichen und unnötige Krankenhaustransporte zu vermeiden.
Eine Auswertung aktueller Abrechnungsdaten durch das Zi zeigt jedoch, dass Hausbesuche bereits heute fest in der vertragsärztlichen Versorgung verankert sind: 2024 wurden bundesweit 23,5 Millionen Hausbesuche dokumentiert, davon 19,4 Millionen durch Hausärztinnen und Hausärzte. Zusätzlich kamen 2,5 Millionen Hausbesuche durch nichtärztliche Praxisassistentinnen (NäPas) und 0,6 Millionen durch Medizinische Fachangestellte zustande. Im Vergleich dazu wurden im Fahrdienst des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD) rund eine Million Besuche erbracht.
Nach Einschätzung des Zi belegt dies, dass der Hausbesuch in der Regelversorgung längst eine zentrale Rolle spielt – insbesondere bei älteren, chronisch kranken und multimorbiden Patientengruppen. Entscheidend sei dabei vor allem die kontinuierliche Kenntnis der individuellen Versorgungssituation, die gerade unnötige Krankenhausaufenthalte verhindern kann.
Neues 24/7-Angebot schafft Parallelstrukturen
Der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried bewertet den Gesetzentwurf daher kritisch: Mit der Ausdehnung des Bereitschaftsdienstmodells auf die Regelversorgung würden zusätzliche „Schnittstellen und Extrakosten“ entstehen – ohne garantierten Versorgungsmehrwert.
Dazu komme, dass zusätzliche Dienste während der Praxisöffnungszeiten mit zusätzlichem ärztlichen und nichtärztlichen Personal betrieben werden müssten. Medizinisch nachteilig sei zudem, dass ein ad-hoc-Besuchsdienst die Patientinnen und Patienten in der Regel nicht kenne und daher nur eingeschränkt effektiv handeln könne.
Weiteres Risiko: Zweites teleärztliches System im Rettungsdienst
Neben den erweiterten Aufgaben der KVen plant der Gesetzentwurf einen neuen Rechtsanspruch auf notfallmedizinische Vor-Ort-Versorgung durch Rettungsfachpersonal und Telenotärzte. Diese Maßnahme gilt laut Zi grundsätzlich als sinnvoll, da etwa 30 Prozent der rund sieben Millionen Rettungswageneinsätze pro Jahr nicht der höchsten Dringlichkeitsstufe entsprechen. Rund eine Million Fälle könnten laut Experteneinschätzungen durch Vor-Ort-Versorgung gelöst werden – ein Volumen ähnlich dem Fahrdienst des ÄBD.
Die Kritik des Zi: Durch die parallele Etablierung eines zweiten teleärztlichen Dienstes und eines zweiten mobilen Versorgungsdienstes im Rettungsdienst drohen jedoch kostenintensive Doppelstrukturen, die angesichts des Fachkräftemangels und steigender Rettungsdienstkosten kaum vertretbar seien. Von Stillfried fordert daher eine enge Abstimmung zwischen Rettungsdienstleitstellen und KVen sowie klare Vorgaben, um Überlappungen mit der vertragsärztlichen Versorgung zu vermeiden.
Kosten: Hausbesuch ist effizienter als neue Modelle
Der Effizienzvergleich durch das Zi fällt deutlich aus: Ein ärztlicher Hausbesuch in der Regelversorgung kostet aktuell rund 26 Euro plus Wegepauschalen. Einsätze von Gemeindenotfallsanitätern lagen in bisherigen Modellprojekten beim Zehnfachen dieses Betrags. Gleichzeitig übersteigt das jährliche Volumen der Hausbesuche in der Regelversorgung die Einsätze des ÄBD um das 23-Fache.
Das Zi empfiehlt dem Gesetzgeber daher ausdrücklich, den Vorrang der Hausbesuche in der Regelversorgung zu stärken, statt zwei zusätzliche Parallelangebote aufzubauen. Nur so lasse sich eine medizinisch sinnvolle und wirtschaftlich verantwortbare Versorgung sicherstellen.



