Hier ist das Studium spitze
1. Bei dem Kriterium "Betreuung durch Lehrende" wählten die Studierenden der Zahnmedizin die Unis auf einen Spitzenplatz. Wodurch zeichnet sich eine gute Betreuung aus? Was machen die Unis anders als die anderen? Prof. Reiner Biffar:Wir legen besonderen Wert auf die Verzahnung der Kurse und Seminare vom ersten Tag des Studiums bis in das klinische Studium hinein. So steht hinter dem Curriculum ein bestimmtes Bild der Zahnmedizin als ein in sich integrierter Bereich, der nicht durch künstliche Grenzen der Disziplinen bestimmt wird, sondern durch die Kompetenzen geleitet wird, die am Patienten notwendig sind. Didaktisch folgt der Weg von der Prävention zur Rekonstruktion und bezieht den Bevölkerungskontext mit ein.
Allerdings haben wir die längste Erfahrung im öffentlich-rechtlichen Bereich der integrierten Kurse, da wir als Gesamtzentrum das Greifswalder Modell des integrierten Kurses 1994 in Gang gesetzt haben und ein Jahr später dies auf alle klinischen Kurse ausgeweitet haben. Erfahrungen lagen bereits aus der Zeit vor der Wende mit dem IDK in den letzten beiden Semestern vor, die in die Entwicklung des integrierten Kurses einfließen konnten. Wichtig war, die Regeln für die disziplinäre Zuständigkeit im integrierten Kurs zu vereinbaren, um einen reibungslosen Ablauf am Patienten garantieren zu können.
###more### ###title### "Patientenorientiert zu agieren ist ihnen in Fleisch und Blut übergangen." ###title### ###more###
"Patientenorientiert zu agieren ist ihnen in Fleisch und Blut übergangen."
Nun ist das Zusammenspiel zwischen den Disziplinen am Patienten über 20 Jahre eingeübt und fest verankert. Die bei uns tätigen Zahnärzte kennen keinen anderen Unterricht und integriert patientenorientiert zu agieren ist ihnen in Fleisch und Blut übergangen. Zwischen Lehrenden und Lernenden wird ein kollegiales Verhältnis gepflegt, das auf der vorklinischen Prägung selbstverständlich aufbaut. So wird trotz allem eine klare Rangfolge in den Entscheidungen von allen Beteiligten akzeptiert.
Über die Programme des frühen Patientenkontaktes in den Veranstaltungen der Vorklinik werden die Kompetenz der Studierenden in Kommunikation und Kompetenz am Patienten schrittweise gefördert. Vom ersten Tag an werden die Studierenden an die Aufgaben herangeführt und durch viele Praxisübungen die notwendigen Skills entwickelt. Hierzu passen dann auch die Prüfungsformate, die unter anderem auch OSCE Prüfungen in verschiedenen Situationen umfassen. Wichtige Nahtstelle zwischen Vorklinik und Klinik ist der sehr intensive Phantomkurs III, in dem handwerkliche Fertigkeiten am Phantom ebenso unterrichtet werden, wie auch die mentale Vorbereitung von Behandlungssequenzen.
Da wir das Maximum an Studienplätzen nach dem Auswahlverfahren vergeben, geben wir uns in den Auswahlgesprächen große Mühe engagierte und leistungsbereite Studierende zu identifizieren. Übergreifend passt diese Art der wissensbasierten Lehre in das Alleinstellungsmerkmal der Greifswalder Fakultät „Community Medicine“, das den bevölkerungsorientierten Ansatz mit dem patientenzentrierten individualen Vorgehen idealerweise kombiniert.
Prof. Stefan Zimmer:Kern einer guten Betreuung ist natürlich eine gute Betreuungsrelation. Die haben wir in Witten. Dadurch können wir gewährleisten, dass unsere Studierenden nicht lange auf Testate warten müssen. Im klinischen Kurs kommt das auch den Patienten zu Gute und sorgt insgesamt für ein effizientes Arbeiten und reduziert den Stress bei allen Beteiligten. Außerdem betreuen wir unsere Studierenden intensiv in der Vorbereitung der Patientenbehandlung, indem wir gemeinsam detaillierte Behandlungspläne erstellen und für jeden Patientenfall einen Mentor benennen.
Das bedeutet, dass jeder Studierende für jeden Patienten einen zentralen Ansprechpartner hat, mit dem er alle grundlegenden Therapieschritte bespricht. Wichtig ist uns auch ein guter Umgang mit den Studierenden, wir wollen ihnen wie zukünftigen Kollegen und weniger wie Schülern begegnen. Dabei darf aber natürlich trotzdem die Leistung nicht zu kurz kommen. Wer die Anforderungen nicht schafft, muss auch bei uns einen Kurs wiederholen.
###more### ###title### "Der Berufsbezug ist für uns ein ganz wichtiger Punkt" ###title### ###more###
"Der Berufsbezug ist für uns ein ganz wichtiger Punkt"
2. Auch das Kriterium "Berufsbezug" hat mit Bestnoten abgeschnitten. Was genau sind die erfolgreichen Maßnahmen, den Zahnärztenachwuchs fit für die Praxis zu machen?
Biffar:Der Berufsbezug ergibt sich aus den oben dargelegten interdisziplinären Kompetenzen, die für die Arbeit am Patienten über die reine theoretische und praktische Vermittlung von Fertigkeiten hinausgehen. Im Sinne des problemorientierten Lernens wird das „patientenorientierte“ Lernen und Lehren vertieft. Übergreifende Zusammenhänge verbinden die einzelnen Behandlungen im Patienten und stellen sie in einen größeren Kontext, der die Berufsfähigkeit der Absolventen für die Praxis untermauert.
Zimmer:Das ist für uns ein ganz wichtiger Punkt. Wir erreichen das, indem wir unsere Studierenden von Anfang an nicht fachbezogen, sondern integriert ausbilden. Am deutlichsten wird das im integrierten klinischen Kurs, der vom 7. bis 10. Semester stattfindet.
Üblicherweise finden in dieser Zeit vier separate Kurse statt, die unabhängig voneinander sind. In diesen vier Kursen werden entweder nur zahnerhaltende oder nur prothetische Maßnahmen unterrichtet, es gibt keine Verzahnung zwischen ihnen. Das bedeutet, dass ein Studierender in der Regel einen Patienten nur ein Semester behandeln kann und ihn danach wieder „abgeben“ muss, weil die zahnmedizinischen Bedürfnisse der Patienten nicht zu den Kursanforderungen passen.
Besonders augenfällig wird das beim Wechsel vom Kurs der Zahnerhaltungskunde I in den Prothetik-I-Kurs. In dem einen Kurs werden nur zahnerhaltende Maßnahmen erlernt, in dem nächsten nur herausnehmbare Prothetik. Das passt natürlich nicht zusammen und ist weder für den Patienten noch den Studierenden gut, der unter diesen Bedingungen nicht auf die Realität der Praxis vorbereitet wird, wo ein Patient oft mit komplexen Bedürfnissen unter Anwendung verschiedener Fachgebiete behandelt werden muss. Deshalb haben wir den Integrierten klinischen Kurs so gestaltet, dass dort zwei Jahre lang Patienten nach ihren Bedürfnissen und nicht getrennt nach Fächern, behandelt werden.
Um die Studierenden nicht zu überfordern, werden sie am Anfang stärker von den betreuenden Zahnärzten unterstützt, mit zunehmender Erfahrung müssen sie dann immer selbständiger arbeiten. Im Integrierten Kurs werden die Studierenden simultan von Zahnärzten aus allen Abteilungen betreut: Behindertenorientierte Zahnmedizin, Chirurgie, Parodontologie, Prothetik, Kieferorthopädie und Zahnerhaltung. Einen guten Berufsbezug erreichen wir auch dadurch, dass unsere Studierenden täglich von 7.00 bis 20.00 Uhr Zugang zu den zahnärztlichen Behandlungseinheiten haben und das an 47 Wochen im Jahr. Dadurch können sie sehr viel praktische Erfahrung sammeln.
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Ein guter Platz bedeutet nicht, dass man ohne Schwächen ist.
3. Die Bestplatzierung beim Hochschul-Ranking ist auch gute PR. Welche Folgen hat dieser Spitzenplatz im Ranking für die Uni?
Biffar:Seit vielen Jahren liegt Greifswald unter den Standorten, die Auswahlgespräche anbieten auf den vordersten beiden Plätzen, bei der Anzahl der Bewerbungen mit Erstwunsch Greifswald. Dies teilt die Zahnmedizin mit der Humanmedizin am Standort, die auch mit Platz zwei über viele Jahre aufwarten kann. So befruchten sich die beiden Vorgehensweisen in den ärztlichen Studiengängen sehr und erlauben ein homogenes Vorgehen in der Fakultät.
Das Ranking zeigt, dass wir in den Auswahlgesprächen in der Regel sehr motivierte und engagierte Studierende vorfinden, die sich mit ihren Erwartungen speziell für Greifswald bewerben. Das Ranking zeigt aber auch, dass wir in der Forschung Akzente setzen konnten, denn wir befinden uns bei Zitationen pro Professor ebenfalls in der Spitzengruppe zusammen mit drei anderen Hochschulen. So hat das wissensbasierte Studium einen klaren Hintergrund in der Forschung, die im Wesentlichen auf Erfolge in Forschung im Schwerpunkt Community Medicine basiert.
Zimmer:Natürlich empfinden wir das erstmal in weiten Bereichen als Bestätigung unserer Arbeit. Einen guten Platz zu belegen bedeutet aber nicht, dass man ohne Schwächen ist. Und diese hat das CHE-Ranking auch aufgezeigt. Wir müssen uns in der Forschung weiter verbessern und auch in der Lehre gibt es Dinge, die wir besser machen können.
Das betrifft zum Beispiel unsere Bibliotheksausstattung und die Ausstattung in der Präklinik. Daran arbeiten wir und das sind die praktischen Folgen des CHE Rankings für uns. Vielleicht meinen Sie mit Ihrer Frage aber auch, ob ich nun mehr Bewerber-Zulauf als bisher erwarte. Das glaube ich eher nicht, denn wir haben ja bereits jetzt jährlich rund 500 Bewerber für die 40 Studienplätze, die wir zu vergeben haben. Das ist eine Zahl, die wir in unserem individualisierten Auswahlverfahren, zu dem jeder Bewerber eingeladen wird, gerade noch bewältigen können.
###more### ###title### "Stillstand ist Rückschritt" ###title### ###more###
"Stillstand ist Rückschritt"
4. Hat dies Auswirkungen auf das Curriculum?Biffar:Das Ranking ist eine erfreuliche Folge auf das entwickelte Curriculum und uns eine Bestätigung für den eingeschlagenen Weg. Wir lassen seit Jahren nicht davon ab, unser Curriculum weiter zu entwickeln. Das Ranking selbst löst keine Veränderungen des Curriculums aus.
Zimmer:Es hat zumindest keinen Einfluss auf unseren Umgang mit dem Curriculum. Das versuchen wir ohnehin ständig zu aktualisieren und auch das gute Ergebnis im CHE-Ranking ändert daran nichts. Wir werden jedenfalls nicht in Selbstzufriedenheit verfallen. Sie kennen ja den Spruch „Stillstand ist Rückschritt“.
5. Die private Universität Witten/Herdecke und die Ernst Moritz Arndt Universität Greifswald belegen beim Ranking ebenfalls einen Spitzenplatz. Sehen Sie sich als Konkurrenz? Wie kooperieren beide Unis?
Biffar:Keinesfalls ist Witten/Herdecke ein Konkurrent für uns. Im Gegenteil finden wir es wichtig, dass auch andere Einrichtungen mit integrierten Kursen erfolgreich sind. Denn dies stützt das Vorgehen und bestätigt den Erfolg der Konzepte.
Zimmer:Nein, wir empfinden die Uni Greifswald überhaupt nicht als Konkurrenz. Konkurrenz empfindet man doch nur da, wo man sich durch einen anderen bedrängt oder gar bedroht fühlt. Das kann ich in diesem Falle überhaupt nicht erkennen. Wir werden als Uni gebraucht und gesucht, das zeigen unsere kontinuierlich hohen Bewerberzahlen und wir versuchen dem Anspruch, der an uns gestellt wird, gerecht zu werden. Dabei schauen wir vor allem auf uns selbst und zwar auf unsere Schwächen und versuchen, diese zu reduzieren.
Als Instrument dazu dient uns auch eine Evaluierung, die sich unsere Uni im Abstand von fünf Jahren selbst auferlegt. In diesem Jahr ist es wieder soweit. Wir lassen uns von unseren Studierenden evaluieren, schreiben einen Selbstbericht und stellen uns schließlich einer externen Gutachterkommission. Zur Frage der Kooperation. Es gibt keine institutionalisierte Kooperation mit der Uni Greifswald, aber wir kennen und schätzen natürlich unsere Kolleginnen und Kollegen dort und unterhalten fachliche Kontakte.
###more### ###title### "Es wird zunehmend schwieriger, das Studium zu entlasten" ###title### ###more###
"Es wird zunehmend schwieriger, das Studium zu entlasten"
6. In welchen Bereichen sehen Sie noch Entwicklungspotenzial?
Biffar:Zunehmend schwieriger wird es, das Studium zu entlasten, um die zahnärztlichen Kompetenzen im Vordergrund zu halten. Derzeit entwickeln wir Unterrichtsformate, um die ärztlichen Skills eines Zahnarztes in der primärärztlichen Betreuung der Bevölkerung erfüllen zu können. Es wäre schön, wenn eine neue Approbationsordnung für Zahnärzte endlich die organisatorischen Rahmenbedingungen für noch weitergehende Schritte schaffen würde.
Seit einem Jahrzehnt bereiten wir uns in Greifswald vor, die neue Approbationsordnung von einem Tag auf den anderen in Gang setzen zu können. Viele Vorbereitungen sind im Rahmen der alten Approbationsordnung getroffen, aber den letzten Schliff kann es erst mit der gesetzlichen Neuregelung geben.
Zimmer:Wir wollen vor allem in der Forschung besser werden und sind hier auch auf einem guten Weg. Nach Jahren, in denen nicht alle Lehrstühle bei uns besetzt waren, haben wir jetzt acht besetzte Lehrstühle, wovon allein vier in den letzten fünf Jahren neu besetzt wurden.
Darüber hinaus versuchen wir natürlich immer neue Entwicklungen in der Zahnmedizin aufzunehmen und in unser Curriculum einfließen zu lassen. Das ist eine echte Herausforderung, denn man kann nicht immer nur Lehrinhalte dazu packen, sonst ist das Fach irgendwann nicht mehr studierbar. Man muss also auch den Mut haben, an anderer Stelle Inhalte zu reduzieren, wenn man etwas Neues einführt.
Die Fragen stellte Daniela Goldscheck.
Studierende bewerten im aktuellen CHE-Hochschulranking im ZEIT Studienführer 2015/16 ihre Studienbedingungen. Jedes Jahr wird ein Drittel der Studienfächer neu bewertet. In diesem Jahr untersucht wurden die Fächer Informatik, Mathematik, Physik, Pharmazie, Politikwissenschaft, Medizin, Zahnmedizin, Pflegewissenschaft, Geowissenschaften, Geografie und Sportwissenschaft. Über 300 Universitäten und Fachhochschulen, mehr als 2.500 Fachbereiche, 7.500 Studiengänge, über 30 Fächer und die Bewertungen ihrer Studierenden.
Beide Unis nehmen Spitzenplatzierungen ein. Grüne Punkte - das heißt Platzierung in der Spitzengruppe - verteilten die Studenten bei Kriterien wie "Betreuung durch Lehrende", "Lehrangebot" und "Berufsbezug". Im Bereich Forschung haben beide Unis Nachholbedarf, ergab die Auswertung.