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HIV-Forscher Wilfried Posch zum Welt-AIDS-Tag

„HIV muss in der Bevölkerung wieder sichtbarer werden!“

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Medizin
Zum heutigen Welt-AIDS-Tag berichtet Wilfried Posch, Immunologe und HIV-Forscher an der Med Uni Innsbruck, wo die Forschung steht – und warum HIV in der Bevölkerung wieder sichtbarer werden muss.

Auch über vier Jahrzehnte nach seiner Entdeckung sorgt das HI-Virus für ein weltweit relevantes Infektionsgeschehen. Zwar ermöglicht die antiretrovirale Therapie meist eine nahezu normale Lebenserwartung, doch Zugang und Versorgung bleiben regional sehr ungleich.

„Die Behandlung der HIV-Infektion hat enorme Fortschritte gemacht, AIDS-Erkrankungen und Todesfälle sind deutlich seltener geworden“, betont Posch. „Noch vor einigen Jahren mussten HIV-positive Menschen täglich zahlreiche Tabletten einnehmen, heute sind moderne Kombinationstherapien in einer einzigen Tablette verfügbar.“

Hinzu komme die Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP), die das Infektionsrisiko für HIV-negative Menschen mit erhöhtem Risiko deutlich senkt. Dazu zählen Posh zufolge Menschen, die intravenös Drogen konsumieren, Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), sowie HIV-negative Personen in Partnerschaften mit HIV-positiven Menschen. Ein weiterer Schritt seien langwirksame Depot-Medikamente, die nicht täglich eingenommen werden müssen.

Posch: „Hier wurden außerdem langwirksame Depot-Medikamente entwickelt, die nur halbjährlich injiziert werden müssen und so den Alltag extrem erleichtern und die Lebensqualität erhöhen. Es macht Sinn, vor allem versorgungsschwachen Ländern den Zugang zu diesem noch teuren Medikament zu ermöglichen.“

Kann man auch mit HIV alt werden?

In Westeuropa ermögliche die frühe antiretrovirale Therapie (ART) meist eine nahezu normale Lebenserwartung, vorausgesetzt, die Behandlung wird konsequent eingenommen und ärztlich überwacht, führt Posch aus. „Wir wissen inzwischen aber auch, dass die jahrzehntelange Einnahme antiretroviraler Medikamente die Organe belasten und die Lebenserwartung somit geringfügig reduzieren kann. Die HIV-Infektion ist heute eine chronische Erkrankung, die sich gut behandeln lässt. Entscheidend ist die Therapietreue; wenn man sich gut fühlt, neigt man allerdings dazu, die Einnahme zu vergessen – das stellt ein Risiko für die Resistenzentwicklung dar.“

Ziel jeder Therapie sei, die Viruslast so weit zu senken, dass sie nicht mehr nachweisbar und das Virus auch nicht mehr übertragbar ist. Zur optimalen Versorgung gehören Posch zufolge aber auch regelmäßige Labortests zur Überprüfung der Wirksamkeit der Therapie: „Generell erfolgt ein HIV-Test nur mit Einwilligung; wer einem erhöhten Risiko ausgesetzt ist oder seinen HIV-Status nicht kennt, sollte ihn deshalb proaktiv in Anspruch nehmen.“

Die Therapietreue bleibt entscheidend

Die Forschung richte den Blick zunehmend auf die Feinregulation des Immunsystems. Eine besondere Rolle spiele dabei das Komplementsystem: „Wir konnten etwa nachweisen, dass HIV vom Immunsystem in der akuten und in der chronischen Infektionsphase unterschiedlich erkannt wird, weil sich die Oberflächenmarkierung und die Beladung des Virus mit Immunfaktoren ändert.“

Solche Erkenntnisse helfen laut Posch zu verstehen, warum Immunantworten je nach Infektionsphase (akut oder chronisch) variieren – und warum einige wenige Menschen, sogenannte Elite Controller, das Virus ohne zu erkranken kontrollieren können. Häufig liege dafür eine genetische Veranlagung zugrunde, insbesondere bei der Ausprägung der menschlichen Leukozytenantigene (HLA), die dem Immunsystem eine effektivere Kontrolle ermöglichen.

Im aktuellenProjekt untersucht Posch mit seinem Team mit modernsten Methoden, wie dendritische Zellen – die Wächterzellen des Immunsystems – das Komplosom in verschiedenen Phasen der HIV-Infektion nutzen. "Studien deuten darauf hin, dass diese Signalwege in dendritischen Zellen die Aktivierung von T-Zellen mitsteuern und sich damit möglicherweise als Therapieziele eignen“, schildert der Immunologe seine Arbeit.

Die Impfstoffentwicklung schreitet zügig voran

Die Impfstoffentwicklung schreite zügig voran. „Das Ziel sind funktionelle T-Zellen und breit neutralisierende Antikörper, die die enorme Variabilität dieses RNA Retrovirus abdecken. Im Visier hat man hier sowohl passiv verabreichte, breit neutralisierende Antikörper als auch neue Proteinimpfstoffe, Vektorimpfstoffe und  mRNA-Ansätze, die sich auf Erfahrungen aus der COVID-19 Impfstoffforschung stützen. Noch sind diese Strategien nicht zugelassen, doch sie eröffnen zusätzliche Perspektiven neben der ART“, berichtet Posch.

Internationale Finanzierungslücken, ein ungleicher Zugang zu Diagnostik und Therapien sowie die nachlassende öffentliche Aufmerksamkeit erschwerten das Erreichen der UNAIDS-Ziele. „Auf Bevölkerungsebene bleibt Aufklärung das zentrale Element, um der Diskriminierung von Menschen mit HIV entgegenzuwirken“, betont Posch.„ HIV muss in der Bevölkerung wieder sichtbarer werden, davon profitieren Forschung, Versorgung und Prävention.“

Das Interview führte Doris Heidegger von der Medizinischen Universität Innsbruck.

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