Junge Ärzte: "Wir sollen die Heizer an der Maschine sein!"
Das Dialogforum bot jungen Ärzten bereits zum dritten Mal die Möglichkeit, ihre beruflichen Erfahrungen und Erwartungen zu artikulieren. Die ergriffen die Chance und erläuterten, wie ihre Ziele aussehen und an welchen Stellen dringend nachgebessert werden muss.
„Wir brauchen den Kontakt in die jüngere Ärzteschaft. Denn wir haben in Deutschland über die Ärztekammern die einzigartige Möglichkeit, unseren Beruf mitzugestalten“, hob Prof. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, bei der Eröffnung des Forums hervor. „Dies wollen wir an Sie weitergeben.“
"Ich bin ein klarer Befürworter hierarchischer Strukturen!"
Katharina Thiede, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin in Berlin und Mitglied der Fraktion Gesundheit der Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin, monierte etwa, dass die Weiterbildung an vielen Stellen im Alltag "hinten runterfällt, weil man oft Assistenzarzt ist und nicht Arzt in Weiterbildung." Unzufrieden äußerte sie sich auch darüber, dass die Weiterbildung nicht in den DRGs der Krankenhäuser abgebildet sei.
In einem Streitgespräch debattierte Thiede mit einem "Dinosaurier", wie er sich selbst bezeichnete: Jakob R. Izbicki, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie des Universitätsklinikums Eppendorf Hamburg. „Ich bin ein klarer Befürworter von hierarchischen Strukturen“, stellte er klar.
Gerade in der Chirurgie seien sie unersetzlich. Izbicki lehnt auch Teilzeit ab: „Ich hasse Fließbandmedizin“, sagte er. Wenn er einen Patienten operiere, wolle er ihn über die gesamte Zeit betreuen und nicht an einen Kollegen übergeben. Bei Komplikationen müsse man auch nachts selber wieder in die Klinik – "und das erwarte ich auch von meinen Mitarbeitern.“
Und die Work-Life-Balance? „Man kann nicht ein exzellenter Arzt und gleichzeitig ein guter Vater oder eine gute Mutter sein“, meinte er.
Florian Vollrath, Arzt in chirurgischer Weiterbildung, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Zukunft in der Chirurgie, Helios Park-Klinikum Leipzig, stellte klar: "Wir sind nicht die Generation, die sich vor der Arbeit drückt und nur ihre eigenes Wohl in den Vordergrund stellt. Wir sind diejenigen, die motiviert sind, Änderungen und Verbesserungen herbeizuführen und die sich trauen, Althergebrachtes zu hinterfragen."
Hochleistungsmedizin braucht Rahmenbedingungen
Der Satz, 'Das haben wir schon immer so gemacht' genüge der jüngeren Generation nicht als Antwort, sagte er. "Wir wollen gute Arbeit auf hohem Niveau leisten, um eine bestmögliche Patientenversorgung zu gewährleisten. Aber wir wollen auch gute Arbeitsbedingungen, um den Ansprüchen der Hochleistungsmedizin gerecht zu werden."
Scharfe Kritik am gegenwärtigen Gesundheitssystem übte Dr. Leonor Heinz, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin in Berlin, Sprecherin Forum Weiterbildung im Deutschen Hausärzteverband und Mitglied der Jungen Allgemeinmedizin Deutschland: "Unser System ist eine von der Gesundheitswirtschaft durchwirkte, eine auf Gewinnmaximierung getrimmte Maschine. Als Assistenzärzte sollen wir die Heizer an der Maschine sein."
Auch sie verwahrte sich gegen das Vorurteil, dass die jüngere Ärztegeneration nur Freizeit im Kopf hätte. Sie wolle sich mit ihrer Arbeit identifizieren, wolle gestalten und Verantwortung übernehmen. "Doch das jetzige Gesundheitssystem treibt uns in die Verzweiflung", so Heinz.
Ellen Lunderhausen, Präsidentin der Landesärztekammer Thüringen und Moderatorin des Dialogforums, beschied der jüngeren Ärztegeneration klare Vorstellungen, Zielstrebigkeit und dass sie zielorientiert arbeiten will - ohne die familiäre Seite des Lebens zu vernachlässigen.
Wie soll sie sein, die Versorgung von morgen?
Lunderhausen: "Daher müssen wir uns fragen, wie die Gesundheitsversorgung in Zukunft aussehen soll. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Frage, die nicht nur von der Ärzteschaft geklärt werden muss, sondern auch von der Politik." Zudem müssten auch die Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass junge Ärzte mit Familie ihrem Beruf nachgehen könnten, etwa in Form verlängerte Öffnungszeiten in Kitas. "Die junge Generation will gerne arbeiten, man muss ihr die Möglichkeit geben, das auch zu tun", so Lunderhausen.