Interview mit UPD-Geschäftsführer Thorben Krumwiede

„Mit der Unabhängigkeit ist es definitiv vorbei!"

pr
Der Deal zwischen GKV-Spitzenverband und Bundesgesundheitsministerium zur Errichtung einer UPD-Stiftung hat Wellen geschlagen. UPD-Geschäftsführer Thorben Krumwiede sieht die Unabhängigkeit der UPD in Gefahr.

Was halten Sie von der Einigung zwischen BMG und GKV-Spitzenverbandzur Errichtung der UPD-Stiftung?

Thorben Krumwiede: Mit der Einigung wurden unsere Befürchtungen über die Gefahren einer Finanzierung der künftigen Stiftung aus Mitteln der gesetzlichen Krankenkassen auf ganzer Linie bestätigt. Der GKV-Spitzenverband erhält umfassenden Einfluss auf den Haushalt, die personelle Besetzung und die inhaltliche Ausrichtung. Damit hat der GKV-SV alle Hebel in der Hand, um die Arbeit der Stiftung in seinem Sinne in die gewünschte Richtung zu lenken. Dem Vernehmen nach sollen ganze Beratungsbereiche wie etwa die die Beratung zu Pflegethemen künftig wegfallen – ein Desaster für hilfesuchende Bürgerinnen und Bürger. Auch andere Bereiche wie die psychosoziale Beratung oder die medizinische Beratung im Allgemeinen – dazu gehört auch die Beratung zu Corona – sollen wahrscheinlich stark zusammengestutzt werden.

Weder die UPD noch die maßgeblichen Patientenorganisationen und anscheinend auch nicht die Abgeordneten im Bundestag wurden in die Gespräche zwischen BMG und GKV-SV einbezogen. Das Ergebnis wird einen Schaden für die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der zukünftigen Stiftung nach sich ziehen. Die Errichtung einer arbeitsfähigen Stiftung bis Anfang Januar ist aus unserer Sicht nicht realistisch. Von einer Übergangsregelung für den Erhalt des Beratungsangebots und einer Perspektive für die Mitarbeitenden der UPD fehlt weiter jede Spur.

Was bedeutet das für die Unabhängigkeit der UPD?

Der UPD in ihrer aktuellen Form wurde im Rahmen von externen Audits und wissenschaftlichen Evaluationen immer wieder die Wahrung der Unabhängigkeit bescheinigt. Sollte die Einigung zwischen BMG und GKV-Spitzenverband so umgesetzt werden, ist es damit definitiv vorbei. Über die Jahre hat die UPD hunderttausende Beratungen bei Problem mit und Fragen zu den gesetzlichen Krankenkassen durchgeführt, im vergangenen Jahr war dieser Bereich mit rund 26.000 Beratungen in der rechtlichen Beratung wieder Spitzenreiter. Inhaltlich geht es dabei immer wieder um Menschen, die sich von ihrer Krankenkasse im Stich gelassen, unter Druck gesetzt oder nicht richtig informiert und aufgeklärt fühlen. Auf diese Missstände haben wir auch öffentlich immer wieder hingewiesen.

Dass nun ausgerechnet die Interessenvertretung der gesetzlichen Krankenkassen umfassenden Einfluss auf Haushalt, Personalentscheidungen und inhaltliche Ausrichtung bekommen soll, ist nicht nachvollziehbar und bedeutet de facto das Ende der Unabhängigkeit der UPD. Dass Ratsuchende bei der UPD wirklich unabhängig informiert und beraten werden, ist aber der ganze Zweck ihrer Existenz. Die Neuaufstellung der UPD auf einer neuen gesetzlichen Grundlage gab als Ziel vor, die UPD neutraler und unabhängiger zu machen. Aktuell sieht es leider danach aus, dass das Gegenteil eintreten wird.

Wie geht es jetzt mit der UPD und ihren Mitarbeitenden weiter?

Die Einigung zwischen BMG und GKV-Spitzenverband könnte zwar theoretisch bedeuten, dass die zu befürchtende Lücke im Beratungsangebot im nächsten Jahr nicht ganz so groß ausfällt, falls die formelle Gründung der Stiftung schnell erfolgen sollte. Wir halten ein arbeitsfähiges Beratungsangebot ab Anfang Januar 2024 zum aktuellen Zeitpunkt aber weiterhin für äußerst unrealistisch. Nach wie vor gibt es kein inhaltliches Konzept für die Struktur der Stiftung und den Aufbau des Beratungsangebots. Allein die personelle Besetzung der Stiftungsgremien wird voraussichtlich mehrere Monate in Anspruch nehmen.

Dazu kommt: Die maßgeblichen Patientenorganisationen, die nach dem Willen des Koalitionsvertrags und des im Bundestag verabschiedeten Gesetzes die Neuaufstellung der UPD inhaltlich wesentlich mitgestalten sollen, haben bereits angekündigt, eine UPD-Stiftung von Gnaden der gesetzlichen Krankenkassen nicht mitzutragen. Damit kann dem Stiftungskonstrukt kein Leben eingehaucht werden.

Für die hilfesuchenden Bürgerinnen und Bürger bedeutet diese Situation nach wie vor im nächsten Jahr sehr wahrscheinlich den Wegfall des qualitätsgesicherten UPD-Beratungsangebots auf unbestimmte Zeit. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen die Unsicherheit und die fehlenden beruflichen Perspektiven weiter. Die UPD in ihrer aktuellen Form wird zum Jahresende den Beratungs- und Geschäftsbetrieb einstellen. Immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden sich überlegen, wie lange sie sich die aktuelle Situation weiter antun wollen.

Die Fragen stellte Gabriele Prchala

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