vmf-Demo in Berlin

Proteststurm vor dem Brandenburger Tor

Susanne Theisen
Der Verband medizinischer Fachberufe (vmf) rief zum Protest nach Berlin – und seine Mitglieder kamen in großer Zahl. Unterstützt wurden sie von Vertreterinnen und Vertretern zahlreicher Fach- und Berufsverbände.

„Versorgung örtlich betäubt!“, „Behandeln statt verwalten“, „Zähne zeigen“ – Auf zahlreichen Plakaten, begleitet vom ohrenbetäubenden Lärm hunderter Trillerpfeifen, machten rund 2.000 Demonstrierende ihrem Frust über die Gesundheitspolitik heute vor dem Brandenburger Tor Luft. Und der Frust war groß.

Vor allem darüber, dass den Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag zur Stärkung der Gesundheitsberufe und zur Fachkräftesicherung bisher keine Taten gefolgt sind. Im Gegenteil: Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte arbeiten laut vmf zum großen Teil im Niedriglohnbereich oder knapp darüber. Dagegen und gegen den Sparkurs der Regierung wollte der vmf mit der heutigen Protestaktion ein Zeichen setzen und die Politik erneut zum Handeln auffordern.

MFA und ZFA sind der „blinde Fleck im System“

„Egal, ob wir uns die Arbeit der aktuellen oder die der Vorgängerregierung anschauen: Was uns und unsere Leistung betrifft, sind sie beide völlig ignorant. Wir waren und sind der blinde Fleck im System!“, rief Stephanie Schreiber, MFA und zweite Vorsitzende im Vorstand des vmf, die als eine der ersten von mehr als 25 Rednerinnen und Rednern ans Mikrofon trat. An die anwesenden Bundestagsabgeordneten – und den nicht anwesenden Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach – adressiert fügte sie hinzu: „Bringen Sie endlich eine gegenfinanzierte Anhebung unserer Tariflöhne analog zu der der Pflegeberufe auf den Weg! Fangen Sie an, alle medizinischen Fachberufe zu stärken, nicht nur ausgesuchte!“

„Sie sind das Herz unserer Praxen“

Zu den Rednern auf der Bühne gehörte auch Martin Hendges, Vorsitzender der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV). „Sie sind das Herz unserer Praxen und für eine gute zahnmedizinische Versorgung der Menschen im Land unerlässlich“, sagte Hendges. „Wenn Minister Lauterbach jetzt keine Kursänderung vornimmt, werden die Praxen irreversiblen Schaden nehmen.“ Was es brauche, sei ein schnelles Ende der Budgetierung im zahnmedizinischen Bereich, insbesondere bei der neuen Parodontitis-Behandlung.

„Liebe Schnauze-voll-Teams!“

Mit diesen Worten begrüßte Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), die Demonstrierenden. „Immer, wenn gespart werden muss, sind wir in der ambulanten Versorgung das weiche Kissen, in das das Gesundheitswesen sich fallen lässt.“ Dort arbeite man so wirtschaftlich, dass man „ruhig noch was kürzen kann“, schiene die Politik zu denken. Das werde man nicht mehr hinnehmen und gemeinsam so lange und laut protestieren, bis das System funktioniere, kündigte der BZÄK-Präsident an.

Misstrauen und Kontrolle statt Support

Harald Schrader, Bundesvorsitzender Freier Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ), gab sich kämpferisch auf dem Podium: „Politikern, die sich nur mit den Erfolgen der ambulanten Versorgung schmücken wollen, glauben wir nicht mehr!“ Von der oftmals zugesagten Unterstützung sei nichts erkennbar, fügte er hinzu. Vielmehr prägen aus Schraders Sicht Misstrauen und Kontrolle das Verhalten der politisch Verantwortlichen gegenüber den ambulanten Leistungserbringern. Von der Politik forderte er mit Nachdruck die Anerkennung der freiberuflichen Praxis als Säule der medizinischen und zahnmedizinischen Versorgung.

Schluss mit der Budgetierung, rauf mit den Honoraren

„Es genügt nicht, dass wir immer nur sagen, dass Sie das Rückgrat der Versorgung sind“, räumte der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) ein. Man müsse diese Wertschätzung auch durch eine leistungsgerechte Vergütung zeigen. Er sprach sich für eine Entbudgetierung und die Anpassung der Gebührenordnungen in der ambulanten Gesundheitsversorgung aus. Nur so stelle man sicher, dass in fünf Jahren noch jemand da sein werde, der die Menschen versorgt.

Auf grobe Fouls folgt: die rote Karte

Dr. Karsten Heegewaldt, Präsident der Zahnärztekammer Berlin, kritisierte, dass es an Wertschätzung für die ambulanten Praxen und die dort tätigen MFA und ZFA mangele. „Für die Praxen gab es während der Coronapandemie keinen Rettungsschirm, für ZFA und MFA keine Coronaprämie. Und gibt es jetzt Entlastungen vor dem Hintergrund steigender Betriebskosten? Nein!“, kritisierte er. „Stattdessen bleibt seit 35 Jahren eine Punktwertsteigerung in der GOZ aus. Wir möchten unsere ZFA gerne besser bezahlen, aber bei den aktuellen Kostensteigerungen ist das nicht möglich.“ An die anwesenden Mitglieder des Bundestags appellierte er: „Minister Lauterbach ist beratungsresistent. Weckt ihn auf! Sonst drohen in Deutschland Zustände wie im britischen NHS.“

Der Präsident der Landeszahnärztekammer Bayer, Dr. Dr. Frank Wohl, machte seinem Ärger über die aktuelle Gesundheitspolitik mit diesem Vergleich Luft: „Im Sport gibt es für grobe Fouls die rote Karte. Von solchen Fouls wurden unsere ZFA und wir in letzter Zeit nicht verschont, siehe Paro-Strecke. Dafür zeigen wir Karl Lauterbach die rote Karte!“

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