Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS)

So beeinflussen Emotionen die Essgewohnheiten

mg
Gesellschaft
Eine Studie zeigt, wie Emotionen die Essgewohnheiten von Kindern und Jugendlichen beeinflussen – und wo der größte Hebel ist, um ungesunde Gewohnheiten zu ändern.

Bis zuletzt war unklar, ob eine hypothetische Intervention, die entweder auf psychosoziales Wohlbefinden oder auf emotionsgetriebene Impulsivität abzielt, effektiver ist, um ungesunde Lebensmittelauswahlen zu reduzieren. Darum haben Forschende des BIPS die getrennten kausalen Auswirkungen des psychosozialen Wohlbefindens und der emotionalen Impulsivität auf die Neigung zum Verzehr von süßer und fettiger Nahrung bei europäischen Jugendlichen vergleichen.

Um die Beziehung zwischen Emotionen, Impulsivität und einer Vorliebe für süße und fetthaltige Lebensmittel zu untersuchen, analysierte das Team von Forschenden Daten aus der europäischen IDEFICS/I.Family-Kohorte. Die groß angelegte Multicenter-Studie wurde in acht europäischen Ländern (Belgien, Zypern, Estland, Deutschland, Ungarn, Italien, Spanien, Schweden) durchgeführt und untersuchte die Auswirkungen von gesundheitsbezogenem Verhalten auf Fettleibigkeit und Stoffwechselstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Die Umfrage begann 2007 mit 16.230 Kindern im Alter von zwei bis neun Jahren und wurde in weiteren Wellen bis 2021 fortgesetzt.

Für ihre Neuauswertung untersuchten die Forschenden die Selbstberichte von 2.065 Teilnehmenden der IDEFICS/I.Family-Kohorte (Durchschnittsalter 13,4 Jahre) zu ihrer Neigung zu süßen (Punktebereich: 0 bis 68,4) und fettigen (Bereich: 0 bis 72,6) Lebensmitteln sowie deren emotionsgetriebene Impulsivität und psychosoziales Wohlbefinden.

Anschließend schätzten sie separat die durchschnittlichen kausalen Wirkungen des psychosozialen Wohlbefindens und der emotionalen Impulsivität auf die Neigung zu süßen und fetthaltigen Lebensmitteln mithilfe der Maximum Likelihood-Schätzung, einer halbparametrischen, doppelt robusten Methode. Dazu platzierten das Team hypothetisch alle Jugendlichen auf eine hohe Wellness- oder Niedrigpulsivitätsrate und beobachteten die Auswirkungen.

Sport kann helfen, um Impulsivität zu reduzieren

„Der Konsum von ungesunden Lebensmitteln, wie süßen oder fetthaltigen Lebensmitteln, als Reaktion auf negative Emotionen ist eine oft unregulierte Strategie unseres Körpers, um mit Angst, Wut, Frustration, Stress oder Traurigkeit umzugehen“, erklärt PD Dr. Antje Hebestreit, Leiter der Lifestyle-Related Disorders Unit beim Leibniz-Institut.

Konkret: Wenn alle Jugendlichen hypothetisch ein hohes Maß an psychosozialem Wohlbefinden im Vergleich zu niedrigen Niveaus hatten, errechneten die Forschenden einen Rückgang der durchschnittlichen Neigung zu Süßem um 143 Prozent (Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung -2,61 bis -0,25). Ein geringerer Effekt wurde für die Neigung zu Fettigem geschätzt (-73 Prozent, Spreizung -1,76 bis -0.30).

Ähnlich wirkte sich ein geringes Maß an emotionaler Impulsivität im Vergleich zu hohen Niveaus aus: Die durchschnittliche Neigung zu Süßes sank um 207 Prozent (Spreizung -3,26 bis -0,87) und die Neigung zu Fettigem um 185 Prozent (-2,88 bis -0,81).

Nach Ansicht der Autoren unterstreicht dies die Bedeutung von Maßnahmen, die die emotionale Impulsivität reduzieren, etwa Sport. Jugendliche, die unter chronischem Stress leiden, neigten zu impulsiven Verhalten und seien daher sehr anfällig für die zunehmende Verfügbarkeit und Werbung für ungesunde Lebensmittel wie Süßigkeiten oder Kartoffelchips, schreiben die Forschenden. Die Ergebnisse der Studie seien besonders relevant angesichts der starken Präsenz und Vermarktung ungesunder Lebensmittel in Europa.

„Die Adoleszenz ist eine Zeit, in der junge Menschen Strategien erlernen, um mit Stress besser umzugehen. Diese Altersgruppe eignet sich daher besonders für geeignete Präventionsmaßnahmen“. Wenn eine Person in dieser Phase ungesunde Verhaltensweisen lernt, manifestierten sich diese in der Regel lebenslang. Nun brauche es weitere Forschung, um die Machbarkeit und Wirksamkeit von Interventionen zur Reduktion der emotionalen Impulsivität bei Jugendlichen in nicht-klinischen Umgebungen zu untersuchen, schließen die Autoren.

Do, S., Didelez, V., Börnhorst, C. et al. The role of psychosocial well-being and emotion-driven impulsiveness in food choices of European adolescents. Int J Behav Nutr Phys Act 21, 1 (2024). https://doi.org/10.1186/s12966-023-01551-w

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