"Teleskopprothesen kannte ich vorher nicht!"
Maher Yusuf, Sie haben als Zahnarzt in Syrien gearbeitet. Was sind die entscheidenden Unterschiede zwischen der zahnärztlichen Tätigkeit dort und in Deutschland? Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten?
Maher Yusuf:Die meisten syrischen Patienten sind Privatpatienten, weil es erst seit ungefähr fünf Jahren eine Krankenversicherung gibt. Fachlich unterscheidet sich die zahnärztliche Tätigkeit in Syrien nicht von der in Deutschland. Ausnahmen sind qualifizierte Zahnlabors für Kombi- und Implantatprothetik - sie gibt es dort nicht.
Was waren Ihre fachlichen Schwerpunkte in Syrien?
In Syrien hatte ich als Zahnarzt keine Schwerpunkte.
In welchen zahnmedizinischen Bereichen sehen Sie Ihre Stärken?
Besonders die Implantologie liegt mir. Aber auch Wurzelkanalbehandlungen gehören zu meinen Stärken.
Sie haben erzählt, dass Latein eine große Herausforderung für Sie darstellt. Wie kommt das?
Weil wir an der Uni in Syrien in Arabisch studiert haben.
Welche Behandlungsformen sind neu für Sie?
Neu für mich ist die Möglichkeit von Kombinationszahnersatz, wie zum Beispiel Teleskopprothesen. Frühestens 2019 sind Sie als Zahnarzt in Deutschland anerkannt. Wie würden Sie dann am liebsten arbeiten: niedergelassen oder als angestellt?
Mein großes Ziel ist, als niedergelassener Zahnarzt in Deutschland arbeiten zu können.
Wie weit sind Sie im Hinblick auf die Gleichwertigkeitsprüfung und die Sprachprüfung?
Nun, ich bereite mich gerade auf die Gleichwertigkeitsprüfung vor und denke, dass ich diese in Kürze machen kann. Die Sprachprüfung habe ich vergangene Woche bestanden.
Wie geht es nach dem sechswöchigen Praktikum für Sie weiter? Was ist die nächste Herausforderung?
Im Moment läuft es bei mir super. Als nächstes möchte ich eine Halbtagsstelle finden, damit ich mit meiner Berufserlaubnis am Patienten arbeiten kann. Aber bevor das soweit ist, muss ich eben noch die Gleichwertigkeitsprüfung absolvieren.
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"Er hat gute Chancen, in Deutschland als Zahnarzt arbeiten zu können!"
Dr. Rainer Westphal, warum helfen Sie syrischen Flüchtlingen bei der Integration?
Dr. Rainer Westphal:Fachliche Kollegialität und menschliche Solidarität bestimmen mein Handeln. Frei nach dem Motto: "Denk Gutes und tu es". Ohne viel Aufhebens in eigener Regie und Kompetenz, so wie seit Jahrzehnten auch bei deutschen Kollegen.
Wie haben Sie und der syrische Kollege zueinander gefunden?
Über eine Lehrerin im Ruhestand, die im multikulturellen Zentrum als Begleiterin für Flüchtlinge tätig ist.
Wie schätzen Sie die Chancen Ihres "Praktikanten", in Deutschland als Zahnarzt Fuß zu fassen, ein?
Maher Yusuf hat gute Chancen in Deutschland als Zahnarzt arbeiten zu können. Jedoch habe ich ihm die Empfehlung gegeben, nach Kriegsende in seine Heimat zurückzukehren, damit er seinen Patienten vor Ort helfen kann.
Wie reagiert das Umfeld auf den syrischen Zahnarzt?
Meine Mitarbeiterinnen und auch Patienten treten Maher Yusuf ausgesprochen freundlich und hilfsbereit gegenüber. Selbstverständlich muss man die Patienten vorab über den syrischen Zahnarzt informieren. Welche Arbeiten führt er in der Praxis durch? Gibt es eine Aufsichtspflicht?Gibt es zum Beispiel versicherungstechnische Limitierungen?
Es fehlt zurzeit die befristete Berufserlaubnis, da er erst vorige Woche seine "Fach-Deutsch-Prüfung" absolvierte - und das erfolgreich!
Von welchen Potenzialen syrischer Zahnärzte können deutsche Kollegen profitieren?
Syrische Zahnmediziner sind genauso gut ausgestattet und ausgebildet, wie deutsche Zahnärzte. Unterschiede habe ich nicht festgestellt.
Haben Sie Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der zahnmedizinischen Ausbildung Syrien – Deutschland bemerkt?
Die Lehrsprache ist Arabisch. Deshalb muss Maher Yusuf erst vom Arabischen in Latein und danach in die deutsche Sprache übersetzen. Das Studium in Syrien dauert fünf Jahre. Darauf folgt eine zweijährige Tätigkeit als angestellter Zahnarzt in einer Niederlassung auf dem Land. Danach können syrische Zahnärzte in der Stadt arbeiten, später in eigener Niederlassung.
Was meinen Sie: Kann die Versorgungslücke auf fachärztlicher Ebene mihilfe von ausländischen Medizinern geschlossen werden?
Ja, bei entsprechender fachlicher und sprachlicher Qualifikation. Bei der Behandlung können ausländische Zahnärzte für ihre Landsleute in Deutschland von Vorteil sein, da es keine Sprachbarrieren gibt.
Haben Sie Unterstützung vonseiten der Kammer und KZV? Woher haben Sie Informationen zu Arbeitsbeschränkungen des "Praktikanten"?
Ich selber nicht, jedoch werden die Kollegen von der Zahnärztekammer zu den Prüfungen eingeladen und begleitet. Informationen habe ich über die Kassenzahnärztliche Vereinigung und über das Landesverwaltungsamt bekommen.
Inwieweit begleiten Sie die syrischen Kollegen nach dem Praktikum weiter?
Natürlich versuchen wir die Kollegen auch längerfristig an die Praxis zu binden. Das ist eine Frage der Räumlichkeiten, des Personals, der Finanzen und ist mit eventuellen Neuinvestitionen in einen Behandlungsraum verbunden. Das kann nur in Absprache mit meinen beiden Kindern geschehen, da wir gleichberechtigte Partner einer Gemeinschaftspraxis sind.
Die Fragen stellte Daniela Goldscheck.