Tönnies: SARS-CoV-2 wurde in klimatisiertem Arbeitsbereich übertragen
Forscher vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) und des Heinrich-Pette-Instituts, Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie (HPI), haben die Ursprünge des ersten SARS-CoV-2-Ausbruchs im Mai bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück, dem größten Fleischverarbeitungskomplex Deutschlands, untersucht.
Die hauptsächliche Übertragung fand im Zerlegebereich statt
In ihrer Studie haben sie die initialen Übertragungsereignisse bei Tönnies rekonstruiert. Dabei kommen sie zu dem Schluss, dass die hauptsächliche Übertragung im Zerlegebereich des Betriebs stattfand, in dem Luft fortwährend umgewälzt und auf zehn Grad Celsius gekühlt wird. Dabei wurde das Virus von einem einzigen Mitarbeiter auf mehrere Personen in einem Umkreis von mehr als acht Metern übertragen. Die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften spielte den Wissenschaftlern zufolge keine wesentliche Rolle.
Mutationskombination deutet auf fortlaufendes Ausbruchsgeschehen hin
Zudem zeige die Auswertung der Virussequenzen, dass sich alle SARS-CoV-2-positiv getesteten Personen aus dem Infektionscluster im Mai 2020 eine neue Kombination von acht Mutationen teilen, die zuvor noch nicht beobachtet worden war. Dieselbe Kombination von Mutationen wurde auch in Proben aus der Zeit zwischen dem anfänglichen Infektionscluster und dem nachfolgenden, sehr viel größeren Ausbruch im Juni bei Tönnies nachgewiesen - was auf ein fortlaufendes Ausbruchsgeschehen hindeute.
Niedrige Temperatur, niedrige Frischluftzufuhr, Luftumwälzung und körperliche Arbeit fördern Aerosolübertragung
„Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Bedingungen im Zerlegebetrieb – also die niedrige Temperatur, eine niedrige Frischluftzufuhr und eine konstante Luftumwälzung durch die Klimaanlage in der Halle, zusammen mit anstrengender körperlicher Arbeit – die Aerosolübertragung von SARS-CoV-2-Partikeln über größere Entfernungen hinweg förderten", erläutert Prof. Adam Grundhoff, Mitautor der Studie und Forschungsgruppenleiter am HPI.
Ein Abstand von 1,5 bis 3 Metern reicht alleine offenbar nicht aus
Es sei sehr wahrscheinlich, dass diese Faktoren generell eine entscheidende Rolle bei den weltweit auftretenden Ausbrüchen in Fleisch- oder Fischverarbeitungsbetrieben spielen. Unter diesen Bedingungen sei ein Abstand von 1,5 bis 3 Metern alleine ganz offenbar nicht ausreichend, um eine Übertragung zu verhindern.
„Unsere Studie beleuchtet SARS-CoV-2-Infektionen in einem Arbeitsbereich, in dem verschiedene Faktoren aufeinandertreffen, die eine Übertragung über relativ weite Distanzen ermöglichen. Es stellt sich nun die wichtige Frage, unter welchen Bedingungen Übertragungsereignisse über größere Entfernungen in anderen Lebensbereichen möglich sind“, bilanziert Melanie Brinkmann, Professorin an der Technischen Universität Braunschweig und Forschungsgruppenleiterin am HZI.
Die Ergebnisse wurden auf der Preprint-Plattform „SSRN“ veröffentlicht: https://ssrn.com/abstract=3654517 _blank - "Opens external link in a new window"Thomas Günther, Manja Czech-Sioli, Daniela Indenbirken, Alexis Robitailles, Peter Tenhaken, Martin Exner, Matthias Ottinger, Nicole Fischer, Adam Grundhoff, Melanie M. Brinkmann. Investigation of a superspreading event preceding the largest meat processing plant-relatedSARS-Coronavirus 2 outbreak in Germany. SSRN, 2020.