Washington Post berichtet über Fehldiagnosen

Welche Risiken birgt Amazons Gesundheits-Flatrate?

mg
Gesellschaft
Nach dem Kauf des Unternehmens One Medical bietet Amazon seinen Prime-Kunden in den USA eine Gesundheits-Flatrate für 9 Dollar pro Monat an. Eine Recherche zeigt Versäumnisse bei der Patientensicherheit.

Auf der Online-Plattform health.amazon.com bietet Amazon seinen US-Kunden telemedizinische Betreuung als einmalige Dienstleistung an oder als Mitgliedschaft mit monatlicher oder jährlicher Gebühr. Eine einmalige Konsultation via Messenger kostet 29 Dollar, per Video 49 Dollar – und der Abo-Service 9 Dollar pro Monat oder 99 Dollar pro Jahr.

Abgedeckt sind laut Website mehr als 50 häufige Erkrankungen, darunter Bindehautentzündung, Grippe, Harnwegsinfektionen, Ekzeme und Allergien. Eine Terminbuchung ist in den USA zudem vor Ort in einem der rund 150 One-Medical-Standorte im Land möglich, wo Mitglieder auch jährliche Vorsorgetermine wahrnehmen können sollen.

Hotline reagierte falsch bei „Red Flags“

Doch so rosig wie die Werbeversprechen sieht die Realität nicht aus, meldete die Washington Post mit Verweis auf ihr vorliegende, interne Unterlagen. So würden ältere Patienten an ein Callcenter weitergeleitet – das teilweise mit wenig geschultem Personal besetzt ist. In mehr als einem Dutzend Fälle versäumten die Mitarbeitenden es, Anrufern mit schwerwiegenden Symptomen („Red Flags“) angemessene Hilfe zu bieten.

„Als ein Patient von einem ,Blutgerinnsel, Schmerzen und Schwellungen' berichtete, vereinbarten die Mitarbeiter des Callcenters einen Termin, anstatt die Angelegenheit zur medizinischen Untersuchung weiterzuleiten, wie aus einer Notiz in einer internen Vorfallverfolgungstabelle vom 19. Februar hervorgeht“, schreibt die Zeitung. In den folgenden zwei Tagen meldeten klinische Mitarbeiter vier weitere Fehler im Callcenter, die ältere Patienten mit dringenden Beschwerden betrafen, darunter Magenschmerzen und Blut im Stuhl, einen Blutdruckanstieg, einen Insektenstich und plötzliche Schmerzen in den Rippen, wie aus der internen Tabelle weiter hervorgeht.

Immer wieder Probleme mit Datenschutz und Qualität

Die Callcenter-Vorfälle gehörten zu den Dutzenden, die Ärzte, Krankenschwestern und Assistenten von One Medical Seniors laut Bericht zwischen dem 19. Februar und dem 18. März meldeten – ein Jahr nachdem Amazon den Dienst für medizinische Grundversorgung übernommen hatte. Patienten wurden offenbar an ein Callcenter in Tempe, Arizona, weitergeleitet, das teilweise mit neu eingestellten Vertragsarbeitern „mit begrenzter Ausbildung und wenig bis gar keiner medizinischen Erfahrung besetzt war“, schreibt die Washington Post weiter.

Der Artikel kritisiert Amazons „Kundenbesessenheit“ und erinnert, dass das Unternehmen seit seinem Start im Gesundheitssektor im Jahr 2018 immer wieder Probleme mit dem Datenschutz, der Versorgungsqualität und damit hat, „ein Geschäftsmodell zu finden, das für die Kunden funktioniert“. Als Amazon das Unternehmen One Medical im Sommer 2022 für fast 4 Milliarden US-Dollar übernahm, umfasste dies zwei Unternehmen: einen gehobenen Primärversorgungsdienst für 199 US-Dollar pro Jahr, der es Patienten ermöglichte, via App Arzttermine in Kliniken in den gesamten Vereinigten Staaten zu buchen, und Iora Health, eine Klinik für chronisch Kranke.

„Was nicht so toll ist“, werde behoben

Zu den mit dem Callcenter im Tempe verbundenen Anschuldigungen sagte Amazon gegenüber der Post, das Callcenter sei für seine älteren Patienten eingerichtet worden, „um den Zugang und die Qualität der Versorgung zu verbessern“. Eine Sprecherin sagte außerdem, man vertraue dem eigenen Sicherheitsprotokoll und nehme das Feedback ernst und werde sich „immer um alles kümmern, was nicht so toll ist“. Sie ergänzte, ihr sei kein Patient bekannt, der aufgrund von Fehlern im Callcenter zu Schaden gekommen sei.

In diesem Zusammenhang ist ein weiteres Ergebnis der Recherche interessant: Demnach erhalten die Callcenter-Mitarbeiter offenbar lediglich eine zweiwöchige Schulung, bevor sie Patientenanrufe entgegennehmen.

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