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Wie die Zahnpasta in die Tube kam

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Vor 110 Jahren brachte der Dresdner Apotheker Dr. phil. Ottomar Heinsius von Mayenburg die Zahnpasta in die Tube - und erklomm mit Finesse in kürzester Zeit die Spitze der deutschen Dental-Industrie.

Im Mai 1907 tüftelte der Apotheker Dr. phil. Ottomar Heinsius von Mayenburg auf dem Dachboden seiner Löwen-Apotheke am Dresdner Altmarkt an allerlei Tinkturen und Cremes, indem er Zahnpulver, Mundwasser und ätherische Öle mischte. Dabei kam er auf die Idee, die selbstgemischte Zahncreme in kleine Metalltuben zu füllen. Damit wollte er sicherstellen, dass seine Zahnpasta lange haltbar und einfach zu handhaben ist.

Diese Idee war keineswegs gänzlich neu. Mit „Dr. Sheffields Creme Dentifrice“ hatte die Firma Colgate & Company bereits 1896 in den USA eine Tubenzahnpasta vorgestellt. Von Mayenburg trat damit auch im Inland in Konkurrenz zu den damals führenden Tubenzahncremes Kalodont von Carl Sarg oder Pebeco von Beiersdorf, die er durch geschickte PR aber bald überflügelte. Weil von Mayenburg er sie so geschickt vermarktete fasste die Öffentlichkeit außerhalb Amerikas seine Zahnpasta als Weltneuheit auf.

Das Chlorodont-Design hämmerte die Pasta geradezu in das Bewusstsein

Zunächst stellte von Mayenburg seine Zahnpasta-Tuben in seiner Apotheke her. Jene wurde jedoch schnell zu klein für die Firma. 1917 mietete der Apotheker eine Fabrik, dann ließ er die „Leo-Werke“ in der Neustadt bauen. Im gleichen Jahr begann der Export der Zahnpasta. 

Nicht nur in Deutschland, auch im benachbarten Ausland sorgte die erste Tubenzahnpasta für Aufsehen. Mit einer gigantischen Werbekampagne hämmerte von Mayenburg das neue Produkt geradezu in das Bewusstsein der Verbraucher. Dies gelang vor allem durch das klassische Chlorodont-Design mit der klaren weißen Schrift auf dunkelblauem Grund – unverwechselbar durch die „Leo-Kante“, einer Umfassungslinie mit abwechselnden grünen und blauen Karos. Ein zeitloses Design, das heute noch als beispielhaft gilt. Den Namen leitete der Erfinder aus dem Griechischen her: „Chloros“ bedeutet hellgrün – im übertragenen Sinne „frisch“ – und „Odon“ ist der Zahn.

Eine eigene Pfefferminzplantage in Siebenbürgen

Von Mayenburgs Firma stellte bald einen wichtigen Wirtschaftsfaktor nicht nur für Dresden dar. Seine Metalltuben bis hin zum Deckel fabrizierte von Mayenburg selbst in der eigenen Tubenfabrik. Arbeiter fertigten die Pappschachteln und bedrucken sie. Knetmaschinen, moderne Mühlen, Tubenfüll- und Schließmaschinen machten die Produktion effektiver. In der Nähe von Ulm baute von Mayenburg seinen eigenen Naturkalkstein ab, den wichtigsten Grundstoff für Chlorodont. Pfefferminze für den frischen Geschmack lieferte eine eigene Plantage in Siebenbürgen. In den Laboratorien forschten 60 Mitarbeiter.

150.000 Tuben werden produziert - täglich!

Anfang der 30er-Jahre zählte allein das Hauptwerk in Dresden über 1.500 Beschäftigte. Die Maschinen waren die modernsten der Welt und mussten ununterbrochen laufen, um die riesige Nachfrage nach Zahnpasta befriedigen zu können. In den 20er- und 30er-Jahren erreichte die Firma Tagesproduktionen von bis zu 150.000 Tuben. Chlorodont war eine Weltmarke geworden – mit mehr als 20 Niederlassungen rund um den Erdball.

In nicht weniger als 20 Jahren führte von Mayenburg sein Unternehmen an die Spitze der deutschen Dental-Industrie. Trotz Umwandlung in eine AG blieb von Mayenburg Eigentümer, da die Familie die Aktien hielt. Der wirtschaftliche Erfolg machte von Mayenburg in Deutschland zu einem der reichsten Männer seiner Zeit.

Aus  den Leo-Werken wird der VEB Elbe-Chemie

Kurz vor dem 25. Firmenjubiläum starb der schwer herzkranke Apotheker im Juli 1932 mit 67 Jahren.Als hätte die Familie von Mayenburg die drohende Enteignung geahnt, verlegte sie 1950 den Hauptsitz der Leo-Werke nach Frankfurt am Main. Wenig später folgte sie in den Westen. Die Dresdener Leo-Werke wurden zum Volkseigenen Betrieb Elbe-Chemie, in dem alle ehemaligen Konkurrenten der Dresdener Dental-Industrie vereinigt waren.

Im Westen bleibt der alte Erfolg aus

In Obertshausen bei Offenbach baute die Familie „Chlorodont West“ auf. Die Marke lebte wieder auf, doch der alte Erfolg blieb aus. Der Markenname Chlorodont, den sich schließlich die Kosmetikfirma Schwarzkopf sicherte, hatte letztlich kein Glück. Längst tummelten sich andere auf dem globalisierten Zahnpasta-Markt.

Die Chlorodont-Zahnpasta war in der Bundesrepublik bis 1989 erhältlich. Noch in den 1960er Jahren wurde Chlorodont als Markenname in der DDR genutzt. Auch die verkaufsfördernden Vogelbilder waren ein beliebtes Tauschobjekt.

Nach der Wende ist die Marke Chlorodont nach Dresden zurückgekehrt. Genau an der Stelle, wo der alte von Mayenburg seine Erfolge erlebte, wird wieder Zahnpasta gemacht. Nicht mit 1.500 Beschäftigten wie in den Glanzzeiten, sondern nur noch mit 120 stellt die Firma Dental-Kosmetik ihre Marken und Handelsmarken für große Drogerie- und Discounterketten her.

(aus dem Beitrag"Die Zahnpaste des Herrn von Mayenburg"von Dr. Rolf Mahlke, Mozartweg 11, 29378 Wittingen)

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