Ärzte ohne Grenzen

„Wir sammeln Schnee und Regen, um Wasser zu haben”

mg/pm
Die Stadt Mariupol ist derzeit besonders stark von den Kampfhandlungen in der Ukraine betroffen. Hier berichtet ein Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen über die Situation vor Ort.

Mehrere Mitarbeitende von Ärzte ohne Grenzen befinden sich mit ihren Familien in der stark umkämpften Stadt, berichtete die Hilfsorganisation am 6. März. Im ganzen Land und in den Grenzregionen der Nachbarländer haben ihre Teams begonnen, auf den größer werdenden Bedarf an humanitärer Hilfe zu reagieren. 

Es gibt immer noch keinen Strom, kein Wasser, keine Heizung


Ein Mitarbeiter berichtet aus Mariupol: „Die Lage hier ist dieselbe wie in den vergangenen Tagen. Heute Nacht war der Beschuss aber stärker und näher. Wir haben gestern Schnee und Regenwasser gesammelt, um etwas Wasser zu haben. Heute haben wir versucht, kostenlos Trinkwasser zu bekommen, aber die Schlange war zu lang. Wir wollten auch Brot holen, aber wir wussten nicht, wann und wo es verteilt wird. Menschen berichten, dass mehrere Lebensmittelgeschäfte durch Raketen zerstört wurden. Was übrig blieb, haben Menschen in ihrer Not mitgenommen. Es gibt immer noch keinen Strom, kein Wasser, keine Heizung und keine Handy-Verbindung. Von einer Evakuierung hat hier noch niemand gehört. Apotheken haben keine Medikamente mehr.”

in Mariupol in der Falle


Christine Jamet, Einsatzleiterin von Ärzte ohne Grenzen, fordert sichere Fluchtwege, damit die Zivilbevölkerung einschließlich der Ärzte ohne Grenzen und ihre Familien aus Mariupol fliehen können. Die Menschen sitzen derzeit in Mariupol in der Falle, wo der Krieg so plötzlich einsetzte, dass viele nicht einmal fliehen konnten. „Zivilistinnen und Zivilisten dürfen nicht in einem Kriegsgebiet in einer Falle sitzen“, sagt Jamet. „Menschen, die sich in Sicherheit bringen wollen, müssen dies tun können, ohne Angst vor Gewalt.“ 

Die Kämpfe machen Bewegungen schwierig und gefährlich,


Bereits bestehende Projekte in der Ukraine wurden auf den Notfallmodus umgestellt, meldet Ärzte ohne Grenzen. Erfahrene Mitarbeiter erreichen die Grenzregionen sowie die Ukraine selbst, und erste Lieferungen mit Medikamenten und medizinischem Material treffen ein.
Es sei schwierig, einen genauen Überblick sowie verlässliche Informationen über die medizinischen Bedürfnisse der Menschen in der Ukraine zu bekommen. Die anhaltenden Kämpfe machen Bewegungen innerhalb des Landes schwierig und gefährlich, zum Teil sogar unmöglich. Kommunikationsnetze sind nicht immer verfügbar, und Informationen aus den Medien und sozialen Medien müssen sorgfältig geprüft werden, da viele Falschinformationen zirkulieren.  
In Kiew und einigen anderen Städten wie Schytomyr und Sewerdonezk evaluieren die Mediziner derzeit, wo Bedarf an medizinischer Hilfe besteht. Sie stehen unter anderem mit ukrainischen Krankenhäusern in Kontakt, um herauszufinden, wo diese Unterstützung brauchen, wie viele Verletzte in die Kliniken  eingeliefert werden und ob es ausreichend Kapazitäten gibt, diese zu behandeln. Die Teams bereiten sich auf unterschiedliche Szenarien und Bedürfnisse vor, etwa im Bereich der Chirurgie und Notfallmedizin oder bei der psycho-sozialen Unterstützung für die Menschen, die fliehen mussten. 

Bislang geht es vor allem darum, Hilfslieferungen ins Land zu bekommen, um diejenigen Krankenhäuser mit Material zu versorgen, die viele Verwundete behandeln. In einigen Krankenhäusern werden die Vorräte bereits knapp, zum Beispiel an Erste-Hilfe-Sets und OP-Material. Immerhin: Die ersten Materialtransporte von Ärzte ohne Grenzen kommen laut Organisation „in diesen Stunden und Tagen in der Ukraine an”. Es handelt sich um Trucks, die aus den Lagern der Organisation in Brüssel und Bordeaux kommen und vor allem medizinisches Material und Medikamente transportieren.


Stand 7. März, 13 Uhr: Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums haben pro-russische Separatisten eine Offensive in Mariupol unternommen. Der Angriff sei im Westen der Stadt erfolgt. Am Sonntag war ein zweiter Versuch einer Evakuierung der Zivilbevölkerung gescheitert. Der Hafen der Stadt wird weiterhin von der russischen Armee belagert.

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