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Zahnärztin in Scheinselbstständigkeit

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Ist eine Zahnärztin in einer Gemeinschaftspraxis, die 70 Prozent ihrer Einnahmen abführt und keinerlei Risiko trägt, abhängig beschäftigt? Dieser Frage ging das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg nach.

In dem

Fall

war strittig, ob die betreffende Zahnärztin abhängig beschäftigt und ihre Tätigkeit damit sozialversicherungspflichtig ist. In der Kooperation war die Zahnärztin mit 30 Prozent an dem Praxisgewinn beteiligt. Ihr Partner stellte als Senior alle Betriebsmittel, zahlte alle Kosten und erledigte überdies die Abrechnung für die Zahnärztin. Die beklagte Sozialversicherungsträgerin verlangte von dem Zahnarzt nun die Nachzahlung von Sozialversicherungsentgelten, dagegen klagte der Senior. 

Das Urteil

: Das LSG bestätigte das Urteil des Sozialgerichts, das auch eine Sozialversicherungspflicht bejaht hatte. Die maßgeblichen Erwägungen dafür fasst Rechtsanwalt Philip Christmann in einer Zusammenfassung wie folgt zusammen:

  • Der Senior stellte alle Betriebsmittel auf seine Kosten zur Verfügung.

  • Er zahlt auch die laufenden Kosten und zwar aus seinem 70-prozentigen Gewinnanteil.

  • Die Zahnärztin trug kein Kapitalrisiko.

  • Die Zahnärztin trat auch gegenüber Patienten und Krankenkassen nicht in Erscheinung, weil der Senior die gesamte Abrechnung für sie übernommen hatte.

  • Sie hatte eine im Innenverhältnis beschränkte Geschäftsführungsbefugnis.

  • Bezüglich Krankheit und Urlaub wurde sie wie eine Arbeitnehmerin behandelt.

  • Auch konnte der Senior eine Vertreterin einstellen, wenn die Zahnärztin sechs Wochen krank sein sollte.

Nicht mehr ins Gewicht fielen Christmann zufolge dagegen diese Punkte:

  • Dass die Zahnärztin Kleininventar zur Verfügung stellt.

  • Fachlich weisungsfrei sind auch angestellte Ärzte, weil sie Dienste höherer Art erbringen.

  • Ebenso dass sie im Innenverhältnis nicht von Haftungsansprüchen Dritter freigestellt ist.

  • Dass sie eine eigene kassenarztrechtliche Zulassung besitzt.

Wenn der Seniorpartner seine gesamte Praxiseinrichtung der Juniorpartnerin unentgeltlich zur Nutzung zur Verfügung stellt und darüber hinaus zumindest mittelbar sämtliche Praxisausgaben begleicht, während die Juniorpartnerin keine Risiken trägt und beschränkte Geschäftsführungsbefugnisse hat, liegt eine abhängige Beschäftigung der Juniorpartnerin vor.

Das LSG weist darauf hin, dass diese Kostruktion auch kassenarztrechtlich nicht zulässig ist, weil die Zahnärztin nicht - wie es das Gesetz erfordert - "in freier Praxis" tätig ist.

Christmanns

Praxiskommentar:

Alle Risiken liegen beim Senior, der dafür mit 70 Prozent den Großteil der Einnahmen der Zahnärztin bekommt. Dafür übernimmt er  - ähnlich einem Arbeitgeber - die Abrechnungen. Insofern ist die Entscheidung folgerichtig. Der klagende Zahnarzt muss also rund 13.000 Euro an Sozialabgaben nachzahlen. Im Grunde handelt sich um ein verkapptes Anstellungsverhältnis.

Die Zahnärztin dagegen riskiert sogar eine Entziehung ihrer Zulassung, wenn sie über längere Zeit nicht in freier Praxis tätig, sondern einer Arbeitnehmerin gleich beschäftigt war. Diese "bequeme" Einbettung in die bestehende Praxisorganisation ist teuer erkauft.  Vor Abschluss eines Kooperationsvertrages beziehungsweise Gesellschaftsvertrags sollte ein Juniorpartner daher immer den ihm vorgelegten Vertrag prüfen lassen. 

Landessozialgericht Baden-Württemberg,Urteil vom 23. November 2016Az.: L 5 R 1176/15

Quelle: Rechtsanwalt Philip Christmann, Fachanwalt für Medizinrecht, Berlin/Heidelberg,www.christmann-law.de

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