Zahnmedizinische Begutachtung nur durch den MDK
Fall 1: Weil ihr Kind an einer schweren Zahnfehlstellung litt, beantragten die Eltern eine kieferorthopädische Behandlung. Daraufhin holte die Krankenkasse ein kieferorthopädisches Gutachten von einem Gutachter der KZV ein und lehnte auf dieser Grundlage die Leistung ab - ohne den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung damit zu beauftragen.
Erst ein Jahr später bewilligte sie die Leistung auf einen geänderten Antrag hin. Zwischenzeitlich hatte das Kind unter starken Schmerzen gelitten, es mussten mehrere Zähne entfernt werden. Die Eltern hielten die zunächst erfolgte Ablehnung der kieferorthopädischen Behandlung für rechtswidrig und fordereten beim Landgericht Schmerzensgeld. Der vom Sozialgericht beauftragte Sachverständige stellte in einem ausführlichen Gutachten fest, dass die kieferorthopädische Behandlung von Anfang an indiziert gewesen wäre.
Die Beauftragung anderer Gutachter verstößt gegen SGB V und den Datenschutz
Fall 2: In dem anderen Verfahren beanspruchte eine Versicherte eine Implantatversorgung, weil eine anderweitige Prothesenversorgung aufgrund einer schweren Mundtrockenheit in Folge einer Tumorbehandlung bei nicht möglich sei. Die Krankenkasse wandte sich unmittelbar an einen niedergelassenen Zahnarzt, dessen Gutachten die Grundlage für die ablehnende Entscheidung der Kasse bildete. Seit der Antragstellung waren sieben Wochen vergangen, die Krankenkasse hatte die Versicherte nicht über einen hinreichenden Grund für die verzögerte Bearbeitung informiert.
Das Bayerische Landessozialgericht entschied nun in beiden Verfahren, dass die gesetzlichen Krankenkassen auch zahnmedizinische oder kieferorthopädische Leistungsfälle ausschließlich durch den MDK begutachten lassen dürfen. Die Beauftragung anderer Gutachter oder Gutachterdienste verstößt gegen die gesetzliche Aufgabenzuweisung in § 275 Abs. 1 SGB V sowie gegen den Datenschutz und sei daher rechtswidrig.
Die gesetzliche Entscheidungsfrist beträgt drei Wochen
Versäumt die Krankenkasse in solchen Fällen zudem die gesetzliche Entscheidungsfrist von drei Wochen, gilt die beantragte Leistung als genehmigt. Auf eine längere Entscheidungsfrist kann sich die Krankenkasse nicht berufen, wenn sie in rechtswidriger Weise nicht den MDK, sondern einen Gutachter der KZV beauftragt hat.
Bayerisches LandessozialgerichtUrteil vom 27. Juni 2017Az.: L 5 KR 170/15 und L 5 KR 260/16