ZE: Individualrabattvertrag ist rechtswidrig!
Im vorliegenden Fall geht es um eine Krankenkasse in Niedersachsen, die mit einem in Bremen ansässigen Dentallabor für Zahnersatz aus ausländischer Produktion für ihre Versicherte - neben dem mit der zuständigen Zahntechniker-Innung abgeschlossenen Kollektivvertrag für dentaltechnische Leistungen - einen Individualvertrag abschloss.
Auf Basis dieses Individualrabattvertrags gewährt das Dentallabor den Versicherten der Krankenkasse einen Rabatt von mindestens 20 Prozent auf die mit der Zahntechniker-Innung abgeschlossenen Vereinbarungen über Zahnersatz. Für im Ausland hergestellten Zahnersatz, dessen Preise durchschnittlich 40 bis 60 Prozent unterhalb der in Niedersachsen geltenden Netto-Höchstpreise liegen, wurden weitere 5 Prozent Nachlass vereinbart. Die Krankenkasse informierte über die bestehenden Rabattmöglichkeiten mithilfe von Werbemaßnahmen, wie beispielsweise durch Werbebroschüren, einer Pressemitteilung und einen Bericht in einer Zeitschrift, in denen die Namen der Dentallabore und die Höhe der verschiedenen Rabatte genannt wurden.
Zahntechniker-Innung und Mitbewerber reichten Klage ein
Bereits 2010 hatten die Zahntechniker-Innung Niedersachsen-Bremen (ZINB) und ein Dentallabor gegen diese Kooperationsvereinbarung Klage erhoben - mit der Begründung, dass die Krankenkasse nicht befugt gewesen war, die Vereinbarung mit dem kooperierenden Dentallabor einzugehen.
In erster Instanz hatte das Sozialgericht Hannover mit dem Urteil vom 23. Oktober 2010 der Klage stattgegeben. Rechtsanwalt Peter Brennecke, von der Kanzlei Weder & Partner, der sämtliche Kläger anwaltlich vertreten hatte, erläutert dazu: "Das Gericht führte in der Begründung aus, dass dem Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags nach § 53 Abs.1 S.1 SGB X die Rechtsvorschriften der §§ 57 Abs.2, 88 Abs.2 SGB V entgegenstehen. Es handelt sich nach den Feststellungen des Gerichts bei den gesetzlichen Regelungen zu den Kollektivverträgen nach §§ 57 Abs.2 und 88 Abs.2 SGB V um abschließende Regelungen, die daneben Einzelverträge der Krankenkassen mit Leistungserbringern ausschließen."
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Er führt weiter aus: "Soweit sich die Krankenkasse argumentativ darauf berief, der Abschluss von Einzelverträgen sei von dem Informationsrecht nach § 88 Abs.2 S.3 SGB V gedeckt und diene der Durchsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebots, stellte das Gericht in den Urteilsgründen klar, dass diese Vorschrift als Rechtsgrundlage ausscheidet, da das Informationsrecht sich lediglich auf bestehende Preise bezieht und keine Befugnis der Krankenkasse beinhaltet, auf niedrigere Preise hinzuwirken."
Dentallabor legt erst Berufung ein - dann Revision
Das kooperierende Dentallabor hat gegen das Urteil Berufung zum Landessozialgericht erhoben. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen bestätigte jedoch in der Sache mit Urteil vom 25.11.2014 die Entscheidung des Sozialgerichts Hannover und wies die Berufung zurück.
Gegen diese Entscheidung des Landessozialgerichts legte das Dentallabor wiederum Revision zum Bundessozialgericht ein. Das Bundessozialgericht verwies die Sache aus formellen Gründen (fehlerhafte Besetzung des Gerichts) zurück an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen.
Inzwischen hat das Dentallabor die Berufung gegen das sozialgerichtliche Urteil zurückgenommen, das damit im Dezember 2016 rechtskräftig wurde. "Es verbleibt daher nach der Entscheidung des Sozialgerichts dabei, dass Krankenkassen lediglich befugt sind, im Rahmen von Kollektivverträgen Preisvereinbarungen mit Erbringern zahntechnischer Leistungen zu schließen", erläutert Rechtsanwalt Brennecke: "Für den Abschluss von Selektivverträgen mangelt es an einer gesetzlichen Grundlage."
Sozialgericht HannoverAz.: S 10 755/08Urteil vom 23. Oktober 2010
Landessozialgericht Niedersachsen-BremenAz.: L 4 KR 244/10Urteil vom 25. November 2014