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Wissenschaftliche Stellungnahme von DGPZM und DGEZM

Zucker, Zuckerersatz- und Zuckeraustauschstoffe in der Zahnmedizin

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Zahnmedizin
Die Deutsche Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (DGPZM) und die D-A-CH Gesellschaft für Ernährungszahnmedizin e.V. (DGEZM) haben die Evidenz zu den gesundheitlichen Folgen des Konsums von Zucker und seinen Ersatzstoffen zusammengefasst und Empfehlungen formuliert.

Jahrzehntelang standen die zahnärztlichen Ernährungsempfehlungen im Hinblick auf die Kariesprävention weitgehend fest: Der Konsum von Zucker sollte eingeschränkt werden – vermieden werden sollte insbesondere eine langanhaltende Zuckerexposition der Zahnoberflächen über den Tag hinweg durch ständiges Trinken zuckerhaltiger Getränke oder häufigen Konsum von Süßigkeiten und Snacks.

Auch die Warnung vor dem süßen „Betthupferl“ nach dem abendlichen Zähneputzen fehlte in kaum einer Patienteninformation. Als Alternative wurde oft die Verwendung von Zuckerersatz- oder Zuckeraustauschstoffen empfohlen. Doch können nun im Lichte kritischer Studien Zuckerersatzstoffe noch uneingeschränkt als zahnfreundliche Alternative zum Zucker empfohlen werden?

In einer wissenschaftlichen Stellungnahme haben die beiden Fachgesellschaften DGPZM und DGEZM die bisherige zahnmedizinische Sicht auf das Thema modifiziert. Danach werden Zuckerersatzstoffe als süße Zuckeralternative nicht mehr als Kernfokus präventiver Ernährungsempfehlungen betrachtet.

In den Mittelpunkt gerückt wird stattdessen eine generationenübergreifende Ausrichtung der Ernährungsprävention, wonach die Prävention bereits im Kindesalter ansetzt. Die Fachgesellschaften empfehlen, Kinder „an einen natürlich süßen Geschmack in der Ernährung, möglichst ohne zugesetzte Zucker, von klein auf zu gewöhnen und den Gehalt an freien Zuckern in der Nahrung von jung bis alt zu begrenzen. Falls bereits eine Gewöhnung erfolgt ist, können Süß- und Zuckeraustauschstoffstoffe in geringen Mengen eine unterstützende Funktion bei der Kariesprävention haben“.

Zuckerersatzstoffe sind bei Diäten keine Alternative mehr

Zuckerersatzstoffe besitzen einen niedrigen glykämischen Index und beeinflussen den Blutzuckerspiegel nach dem Verzehr kaum, was sie interessant für Diabetiker macht. Darüber hinaus können sie im Körper meist nicht energetisch nutzbar gemacht werden, weshalb sie auch als kalorienreduzierte Alternative zum Zucker eingesetzt werden.

Wissenschaftliche Studien haben jedoch immer wieder Zweifel an der gesundheitlichen Unbedenklichkeit aufkommen lassen. Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2017 [Azad et al., 2017] kam zu dem Ergebnis, dass eine Reihe künstlicher Süßstoffe, darunter Cyclamat und Aspartam, zu erhöhten Risiken für Diabetes Typ 2, Bluthochdruck, Adipositas und kardiovaskulären Erkrankungen führen kann. Im Gegensatz zur allgemeinen Erwartung, mit kalorienreduzierten Süßstoffen besser abnehmen zu können, sahen die Forscher bei langanhaltendem Konsum eher das Risiko einer Gewichtszunahme. Diese Einschätzung wurde durch die im Mai 2023 publizierte WHO-Leitlinie zur Verwendung von Zuckerersatzstoffen (non-sugar sweeteners, NSS) bestätigt.

Ebenfalls im Jahr 2017 veröffentlichte Untersuchungen aus der Framingham-Heart-Studie beschäftigten sich mit der Sicherheit von mit Süßstoffen versetzten Getränken. Danach „erkranken Menschen, die häufig zu künstlich gesüßten Diätgetränken greifen, später dreimal häufiger an Schlaganfall und Demenzen“, wie das Deutsche Ärzteblatt seinerzeit schrieb. Auch mögliche Zusammenhänge mit Alzheimer, Metabolischem Syndrom und Typ-2-Diabetes wurden beschrieben [Deutsches Ärzteblatt, 2017].

Risiko Xylit und Erythrit

In zwei Studien von Witkowski et al. aus den Jahren 2023 und 2024 untersuchten die Wissenschaftler systemische Auswirkungen von Erythrit und Xylit. In der 2023 publizierten Studie fanden sie signifikante Assoziationen zwischen erhöhten Erythrit-Spiegeln im Blutplasma und einem erhöhten Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse wie Myokardinfarkte, Schlaganfälle und Todesfälle [Witkowski et al., 2023]. Im Tiermodell konnte gezeigt werden, dass Erythrit zu einer verstärkten Thrombozytenaggregation führte.

In einem dritten Studienteil wurden Konzentrationen und die Verweildauer von Erythrit am Menschen untersucht. Nach oraler Einnahme von 30 g Erythrit stieg der Plasmaspiegel schnell auf thrombogene Konzentrationen, die bis zu zwei Tage andauern konnten.

In einer 2024 publizierten Studie fanden Witkowski et al. ähnliche systemische Wirkungen auch für Xylit. In drei Kohortenstudien war ein erhöhter Xylitol-Plasmaspiegel mit einem signifikant erhöhten Risiko für schwerwiegende unerwünschte kardiale Ereignisse nach drei Jahren assoziiert. Wie bei der Vorgängerstudie zeigten sich im interventionellen Teil nach oraler Einnahme von 30 g Xylit, was etwa 500 ml eines damit gesüßten Getränks entspricht, eine schnelle Erhöhung des Plasmaspiegels auf das bis zu 1.000-Fache für eine Halbwertszeit von 13 Minuten und Verweildauern im Blutplasma von vier bis sechs Stunden.

In ihrer wissenschaftlichen Stellungnahme nehmen die Fachgesellschaften die Ergebnisse der Studien von Witkowski et al. auf: „Insgesamt zeigen die Studien die Notwendigkeit, den breiten Einsatz von Xylitol und Erythritol als Zuckeraustauschstoff in Nahrungsmitteln und Getränken zukünftig kritisch zu betrachten.“

Andererseits betonen sie aber auch die Limitationen der Studie wie das „höhere Alter der Probanden, die durchschnittlich 63–65 Jahre alt waren“ und das „nichtrandomisierte Studiendesign mit einem Schwerpunkt auf Risikopatienten mit bestehenden kardiovaskulären Erkrankungen“. Daher sei „die bisherige Datenlage noch nicht ausreichend, um hieraus bevölkerungsbasierte Empfehlungen oder Kausalitäten abzuleiten“. Weitere Forschung sei erforderlich, so die Fachgesellschaften.

In der Zahnmedizin weiterhin empfehlenswert

Im Gegensatz zur Einnahme über Nahrungsmittel und Getränke liegen die in der Zahnmedizin verwendeten Mengen in Zahnpasten, Kinderzahnpasten, Mundspüllösungen, Speichelersatzpräparaten, Kaugummis oder Lutschpastillen weit unter den Dosierungen aus den Studien von Witkowski et al. Typischerweise fallen hier Expositionen von weniger als fünf Gramm pro Tag an, so wird in der Stellungnahme ausgeführt.

Deshalb sehen die Fachgesellschaften „derzeit keine Hinweise auf systemische Nebenwirkungen bei ausschließlich lokaler Anwendung. Da Luft-Pulver-Wasser-Strahlgeräte mit Erythrit auch subgingival eingesetzt werden können, ist es denkbar, dass es zu einem gewissen Eintrag von Erythrit in die Blutbahn kommt. Dadurch werden jedoch nicht annähernd Konzentrationen und kritische Mengen erreicht, die in den o.g. Studien berichtet werden“.

Außerdem komme „es daher nur selten, in der Regel etwa ein- bis viermal pro Jahr zur Exposition mit Erythrit“, schreiben die Fachgesellschaften.

Zusammenfassend heißt es: „Xylit und Erythrit sind in der Zahnmedizin aufgrund ihrer lokal begrenzten Anwendung, geringen Dosis und nachgewiesenen Wirksamkeit zur Kariesprophylaxe weiterhin empfehlenswert und sicher. Bei gesunden Personen ist ein gelegentlicher Verzehr in moderaten Mengen als unbedenklich einzustufen. Die Einnahme größerer Mengen über Nahrungsmittel (z. B. als Zuckeraustauschstoff beim Kochen und Backen) sollte jedoch bei bestimmten Risikogruppen beispielsweise mit kardiovaskulärer Vorerkrankung, metabolischem Syndrom, etc. kritisch betrachtet und vermieden werden.“

Risiko Zucker

Neben den möglichen Risiken durch Zuckerersatzstoffe stellt die wissenschaftliche Stellungnahme jedoch auch die Risiken übermäßigen Zuckerkonsums heraus: In der Mundhöhle steht die Entstehung von Karies im Mittelpunkt, wobei betont wird, dass auch Gingivitis und Parodontitis durch Zuckerkonsum gefördert werden.

Darüber hinaus ist der Konsum von freiem Zucker in Süßwaren, gesüßten Getränken und verarbeiteten Lebensmitteln „weltweit mit einer Vielzahl gesundheitlicher Risiken assoziiert wie beispielsweise Adipositas und metabolisches Syndrom, Typ-2-Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen“. Dabei spielen gesüßte Getränke eine wichtige Rolle. Zitiert wird ein systematisches Umbrella-Review [Huang et al., 2023], nach dem „der tägliche Konsum von jeweils 250  ml zuckerhaltiger Getränke mit einem 17  % höheren Risiko für koronare Herzerkrankungen und einem Anstieg der Gesamtmortalität um 4 % assoziiert war“.

Aus den vorliegenden Daten ziehen die Fachgesellschaften folgende Schlussfolgerung: „Für die Zahnmedizin ist die Evidenz zu den gesundheitlichen Auswirkungen des Zuckerkonsums als umfassend und solide einzustufen, daher empfehlen die DGPZM und DGEZM, den Konsum von freien Zuckern unter 25 g pro Tag zu begrenzen, sowie die Gewöhnung an einen süßen Geschmack durch zugesetzte Zucker, aber auch andere Süßungsmittel, in der Ernährung von klein auf zu vermeiden.“

Die Wissenschaftliche Stellungnahme von DGPZM und DGEZM ist hier veröffentlicht: www.dgpzm.de/news-und-presse.

Literaturliste

  • Meghan B. Azad, Ahmed M. Abou-Setta, Bhupendrasinh F. Chauhan, Rasheda Rabbani, Justin Lys, Leslie Copstein, Amrinder Mann, Maya M. Jeyaraman, Ashleigh E. Reid, Michelle Fiander, Dylan S. MacKay, Jon McGavock, Brandy Wicklow, Ryan Zarychanski. Nonnutritive sweeteners and cardiometabolic health: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials and prospective cohort studies. CMAJ Jul 2017, 189 (28) E929-E939; DOI: 10.1503/cmaj.161390

  • Deutsches Ärzteblatt 24.04.2017: Framingham-Studie sieht Süßstoff als Schlaganfall- und Demenzrisiko. www.aerzteblatt.de/news/framingham-studie-sieht-suessstoff-als-schlaganfall-und-demenzrisiko-ca6bccaf-050b-4ad6-b4d3-9a914dfc7b3d (Abruf am 29.09.2025).

  • Huang Y, Chen Z, Chen B, Li J, Yuan X, Li J et al. (2023). Dietary sugar consumption and health: umbrella review. BMJ 381(e071609.

  • Witkowski M, Nemet I, Alamri H, Wilcox J, Gupta N, Nimer N et al. (2023). The artificial sweetener erythritol and cardiovascular event risk. Nat Med 29(3):710-718.

  • Witkowski M, Nemet I, Li XS, Wilcox J, Ferrell M, Alamri H et al. (2024a). Xylitol is prothrombotic and associated with cardiovascular risk. Eur Heart J 45(27):2439-2452.

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