Neuer Studiengang "Gesundheitsdaten und Digitalisierung"

"Forscher und Techniker sprechen nicht dieselbe Sprache - unsere Absolventen schon!"

nb
Gesellschaft
Mit diesem Problem haben viele Wissenschaftler zu kämpfen: Es liegen ausreichend Daten für eine Studie vor, diese können aber weder im Datenpool "gefunden", noch richtig "ausgelesen" werden. Ein neuer Studiengang soll genau hier Abhilfe schaffen.

Ab dem Wintersemester 2019/2020 soll es an der Hochschule für Gesundheit (hsg Bochum) den neuen Bachelor of Arts-Studiengang "Gesundheitsdaten und Digitalisierung" geben. Ziel ist, dass die Absolventen später als "interprofessionelle Akteure im Schnittstellenbereich 'Gesundheit – Datenmanagement – Diversity und Empowerment'" arbeiten.

"Forscher und Techniker sprechen nicht immer die gleiche Sprache", erklärt Dr. Wolfgang Deiters, Professor für Gesundheitstechnologien im Department of Community Health der hsg Bochum. Forscher hätten in der Regel ein klares Bild davon, was sie untersuchen wollen - ihnen sei aber nicht immer sofort klar, ob und welche vorhandenen Daten dafür verwendet werden können oder welche neuen Daten erhoben werden müssen.

Die Techniker hätten andererseits häufig ein sehr klares Bild davon, welche Daten in ihren Datenbanken enthalten sind - ihnen würde aber in der Regel der gesundheitswissenschaftliche Hintergrund fehlen, so dass sie nicht wissen, welche Schlussfolgerungen aus den vorhandenen Daten gezogen werden könnten.

Gesundheitsdaten müssen "adressatengerecht" aufbereitet werden

Genau diese Lücke sollen nun die Absolventen des neuen Studiengangs füllen, erklärt Deiters: "Sie sollen am Ende des Studiums nicht nur in der Lage sein, konkrete wissenschaftliche Fragestellungen zu formulieren, sondern im Idealfall auch direkt Forschungsdesign daraus ableiten und benennen können, welche Gesundheitsdaten zur Beantwortung der Fragestellung erforderlich sind." Die Absolventen sollen dafür nicht selbst Datenbankanwendungen programmieren können, "sehr wohl aber die Strukturierung, den Aufbau und die Funktionsweise von Datenbanken verstehen".

Darüber hinaus sollen die Absolventen laut Deiters auch in der Lage sein, Gesundheitsdaten adressatengerecht aufzubereiten: "Es soll nicht nur darum gehen, wissenschaftliche Abhandlungen zu schreiben, sondern vielmehr sollen die Absolventen unterscheiden können, an welche Zielgruppe sie sich richten. Daten beziehungsweise Ergebnisse müssen anders aufbereitet werden, beispielsweise, wenn Experten im Gesundheitssystem adressiert, oder wenn Nutzer des Gesundheitssystems, also Patienten oder Angehörige, angesprochen werden."

Gerade vulnerable Gruppen könnten dank Gesundheitsdaten besser erforscht werden

So könnten die Absolventen später in verschiedenen Organisationen arbeiten, die über Gesundheitsdaten verfügen - wie zum Beispiel bei Krankenkassen, bei Verbänden, Kranken- und Sozialversicherungen, in öffentlichen Einrichtungen bei Bund, Ländern und Kommunen oder in der Stadt- und Umweltplanung sowie bei Patientenvertretungen und -beratungen, aber auch in der Politikberatung.

Dr. Michael Wessels, Professor für Gesundheitsökonomie und -politik der hsg Bochum, erläutert, warum die Auswertung von Gesundheitsdaten seiner Meinung nach von entscheidender Relevanz ist: "Deutschland hat eines der leistungsfähigsten Gesundheitssysteme der Welt, aber nicht alle Gruppen in Deutschland profitieren im gleichen Maße von diesem System. Trotz des zweifelsohne hohen gesundheitlichen Versorgungsniveaus in Deutschland, kommt es in verschiedenen Communities zu einer gesundheitlichen Ungleichheit. Die Gründe hierfür sind vielschichtig und noch nicht abschließend erforscht. Gesundheitsdaten betrachten wir als Grundlage, um unterschiedliche Communities und deren gesundheitliche Bedürfnisse besser verstehen zu können, um damit zu einer Verringerung gesundheitlicher Ungleichheit beitragen zu können."

So sollen die Studierenden insbesondere lernen, Gesundheitsdaten nach relevanten Diversity-Merkmalen auszuwerten, wie Alter, Behinderung, Migration, sexuelle Orientierung, religiöse Zugehörigkeit und soziokultureller Hintergrund.

"Die Digitalisierung hat das Potential, Prozesse im Gesundheitswesen rasant zu verändern", sagt Wessels. "Für jüngere Menschen ist die Nutzung von Apps zum Beispiel inzwischen nahezu selbstverständlich geworden. Uns geht es jedoch darum, den Nutzen und das Potenzial von Gesundheitsdaten aus dem Blickwinkel verschiedener Communities betrachten zu können. Um in dem vorherigen Beispiel von Gesundheits-Apps zu bleiben: Wie können für Menschen, die Gesundheits-Apps nicht nutzen, vergleichbare alternative Strukturen geschaffen werden, dass sie dennoch von der Digitalisierung im Gesundheitswesen profitieren?"

"Wir müssen die Nutzer im Gesundheitssystem dazu befähigen, adäquat mit ihren Gesundheitsdaten umzugehen"

Interview mit Prof. Dr. Michael Wessels

Inwiefern können Gesundheitsdaten dabei helfen, die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung zu verbessern?

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Wie wird sich der Umgang mit Gesundheitsdaten in Zukunft vermutlich entwickeln?

Und wie sollte sich Ihrer Meinung nach der Umgang mit Gesundheitsdaten zukünftig entwickeln?

„Der Patient sollte Herr seiner Daten sein“ – was halten Sie von diesem Statement vieler Datenschützer? Kann der Patient überhaupt Herr seiner Daten sein?

Warum sollten Gesundheitsdaten besonders sensibel behandelt werden?

Im Rahmen des Studium stehen den Studierenden in erster Linie Daten zur Verfügung, die über Datenbanken, wie beispielsweise destatis, frei zugänglich sind. "Darüber hinaus ist der Studiengang Gesundheitsdaten und Digitalisierung sehr praxisorientiert angelegt", erläutert Deiters.

"Bereits im ersten Semester ist ein Einführungslehrforschungsprojekt vorgesehen, in dem die Studierenden unter Anleitung Fragestellungen entwickeln und hierzu, beispielsweise in Form von Befragungen datenschutzkonform erste Daten erheben, aufbereiten und auswerten. Damit sollen die Studierenden gleich zu Beginn des Studiums an einen sensiblen Umgang mit Daten herangeführt werden. Im vierten Semester ist dann im Curriculum ein Pflichtpraktikum in Einrichtungen des Gesundheitswesens vorgeschrieben."

Was jeder Student beherrschen muss: Datenschutz!

In diesem Praktikum sollen die Studierenden idealerweise Einblicke in den Umgang und die Nutzung von Gesundheitsdaten erhalten und für die Einrichtungen relevante Fragestellungen auf der Grundlage von Gesundheitsdaten bearbeiten.

"Bestenfalls ergeben sich über das Praktikum hinaus Fragestellungen, die im Interesse der Praktikumseinrichtung im Rahmen einer Bachelorarbeit umfassend bearbeitet werden können", sagt Deiters. "Es wird angestrebt, mit interessierten Einrichtungen perspektivisch Kooperationen zu initiieren, von denen beide Seiten profitieren können: Die Studierenden, weil sie praktisch relevante Daten analysieren können, und die Einrichtungen, weil Daten, die ansonsten evtl. ungenutzt geblieben wären, einer sinnvollen Verwendung zugeführt werden."

Schließlich sind auch Wissenschaftler der hsg Bochum in zahlreichen Forschungsprojekten tätig, ergänzt Wessels: "Hier ist angedacht, dass beispielsweise Evaluationen im Rahmen von Forschungsprojekten auch durch den Einbezug von Studierenden in Arbeitsgruppen oder Abschlussarbeiten bearbeitet werden."

Gesundheitsdaten seien jedoch sensibel. Daher ist es laut Wessels "selbstverständlich, dass bei der Nutzung sämtlicher Daten die Anforderungen des Datenschutzes vollumfänglich einzuhalten sind". Hierzu existiert im Department of Community Health ein entsprechendes Datenschutzkonzept. Zusätzlich wurden "besonders gesicherte Datenräume und Arbeitsplätze sowie besonders gesicherte Archive eingerichtet".

Weitere Informationen zum Studiengang:

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